Holzparenchym, dann folgt das Mark. -- Die Gewinnung des Flachses be- zweckt also die Trennung der Bastschicht sowohl von der äußeren Epidermis, wie von den innen eng anliegenden Holzfaserzellen. Sie liegt gemein- hin in der Hand des Leinbauers. Demgemäß sind die Operationen zur Gewinnung der Leinenrohfaser nicht nur äußerst primitive, ja ich stehe nicht an, dieselben als veraltet und verfehlt zu bezeichnen. Es ist geradezu erstaunlich, wie bei der Flachsgewinnung förmlich ein Mißgriff auf den andern folgt, und es ist lediglich der großen Widerstandsfähigkeit der inkrustierten Bastfaser zu verdanken, daß sie bei diesen Operationen nicht zu Grunde gerichtet wird. Die Wissenschaft und die heutige Maschinentechnik geben uns wahr- lich andere Mittel und Wege an die Hand, die Gewinnung des Flachses auf eine vernunftgemäßere, billigere, schnellere und die Faser schonendere Weise auszuführen. Die erste Bedingung dazu ist aber, daß die Rohflachsgewin- nung den Händen des Flachsbauers entzogen werde.
Die vernunftwidrige Gewinnung, wie sie jetzt betrieben wird, setzt sich aus folgenden Operationen zusammen: 1. das Riffeln oder Dreschen, womit die Entfernung der Samenkapsel bezweckt wird; 2. das Rösten oder Rotten zum Zweck der Absonderung der Bastfaser von den übrigen Be- standteilen des Stengels und von der inkrustierenden Substanz, welche die ersteren zusammenhält. Dieses Rösten oder Rotten ist die unsinnigste von den gesamten Operationen, und ich möchte dringend raten, diese in vollem Sinne des Wortes "verrottete" Methode zu verlassen, welche nicht allein den Flachs, eine der teureren Gewebefasern, einer Humifikation überantwortet, sondern auch durch die bei der Verwesung auftretenden Gase die Luft der Umgebung verpestet, das Wasser vergiftet und den Fischbestand decimiert. Daß die Leinfaser, eine von Haus aus sehr geschmeidige, weiche und feine Faser, uns überall als spröde, hart und grob entgegentritt, ist hauptsäch- lich das Resultat dieser verkehrten Behandlung des Rottens. Durch ver- nunftgemäße Behandlung könnte aus dem Lein eine seidenweiche, seiden- glänzende Gespinnstfaser gewonnen werden. Das Verfahren, wie ich es im Sinne habe, würde einer ausführlichen Begründung bedürfen, die aber für einen Färber gar keinen Zweck hat und auch nicht in den Rahmen dieses Buches gehört. Dem Rösten folgt 3. das Klopfen, zur Abscheidung der mechanisch entfernbaren Teile in Staubform *). 4. Das Brechen, zur Zer- kleinerung der dem gerösteten Flachs anhängenden, durch den Röstprozeß nicht zerstörten Holzfaser. Von den verschiedenen hierfür vorgeschlagenen Methoden halte ich das Durchgehen durch kannellierte ineinandergreifende Metallwalzen oder Zahnräder für die vernunftgemäßeste. Die alten plumpen Holzkästen mit aus zwei parallelen Holzschienen bestehenden Schlegeln sind "ländlich-sitt- lich", aber auch recht ländlich unpraktisch. Durch das Brechen fallen die Holzteile zum großen Teil von selbst aus, teils werden sie durch nachfolgendes Schüttelnentfernt. Noch "ländlicher" ist das Flachsbrechen mit der Hand. 5. Das Schwingen oder Ribben, welches die Abscheidung der durch das Schütteln noch nicht genügend entfernten Holzfaserteile bezweckt. 6. Das Hecheln, entsprechend einem Kämmen des von der Holzfaser befreiten Rohflachses, wo- durch der Bast in seine einzelnen feinen Fasern zerlegt wird.
*) Es wäre wohl aus mehr als einem Grunde richtiger, das Klopfen erst hin- ter dem Brechen vorzunehmen.
Holzparenchym, dann folgt das Mark. — Die Gewinnung des Flachſes be- zweckt alſo die Trennung der Baſtſchicht ſowohl von der äußeren Epidermis, wie von den innen eng anliegenden Holzfaſerzellen. Sie liegt gemein- hin in der Hand des Leinbauers. Demgemäß ſind die Operationen zur Gewinnung der Leinenrohfaſer nicht nur äußerſt primitive, ja ich ſtehe nicht an, dieſelben als veraltet und verfehlt zu bezeichnen. Es iſt geradezu erſtaunlich, wie bei der Flachsgewinnung förmlich ein Mißgriff auf den andern folgt, und es iſt lediglich der großen Widerſtandsfähigkeit der inkruſtierten Baſtfaſer zu verdanken, daß ſie bei dieſen Operationen nicht zu Grunde gerichtet wird. Die Wiſſenſchaft und die heutige Maſchinentechnik geben uns wahr- lich andere Mittel und Wege an die Hand, die Gewinnung des Flachſes auf eine vernunftgemäßere, billigere, ſchnellere und die Faſer ſchonendere Weiſe auszuführen. Die erſte Bedingung dazu iſt aber, daß die Rohflachsgewin- nung den Händen des Flachsbauers entzogen werde.
Die vernunftwidrige Gewinnung, wie ſie jetzt betrieben wird, ſetzt ſich aus folgenden Operationen zuſammen: 1. das Riffeln oder Dreſchen, womit die Entfernung der Samenkapſel bezweckt wird; 2. das Röſten oder Rotten zum Zweck der Abſonderung der Baſtfaſer von den übrigen Be- ſtandteilen des Stengels und von der inkruſtierenden Subſtanz, welche die erſteren zuſammenhält. Dieſes Röſten oder Rotten iſt die unſinnigſte von den geſamten Operationen, und ich möchte dringend raten, dieſe in vollem Sinne des Wortes „verrottete“ Methode zu verlaſſen, welche nicht allein den Flachs, eine der teureren Gewebefaſern, einer Humifikation überantwortet, ſondern auch durch die bei der Verweſung auftretenden Gaſe die Luft der Umgebung verpeſtet, das Waſſer vergiftet und den Fiſchbeſtand decimiert. Daß die Leinfaſer, eine von Haus aus ſehr geſchmeidige, weiche und feine Faſer, uns überall als ſpröde, hart und grob entgegentritt, iſt hauptſäch- lich das Reſultat dieſer verkehrten Behandlung des Rottens. Durch ver- nunftgemäße Behandlung könnte aus dem Lein eine ſeidenweiche, ſeiden- glänzende Geſpinnſtfaſer gewonnen werden. Das Verfahren, wie ich es im Sinne habe, würde einer ausführlichen Begründung bedürfen, die aber für einen Färber gar keinen Zweck hat und auch nicht in den Rahmen dieſes Buches gehört. Dem Röſten folgt 3. das Klopfen, zur Abſcheidung der mechaniſch entfernbaren Teile in Staubform *). 4. Das Brechen, zur Zer- kleinerung der dem geröſteten Flachs anhängenden, durch den Röſtprozeß nicht zerſtörten Holzfaſer. Von den verſchiedenen hierfür vorgeſchlagenen Methoden halte ich das Durchgehen durch kannellierte ineinandergreifende Metallwalzen oder Zahnräder für die vernunftgemäßeſte. Die alten plumpen Holzkäſten mit aus zwei parallelen Holzſchienen beſtehenden Schlegeln ſind „ländlich-ſitt- lich“, aber auch recht ländlich unpraktiſch. Durch das Brechen fallen die Holzteile zum großen Teil von ſelbſt aus, teils werden ſie durch nachfolgendes Schüttelnentfernt. Noch „ländlicher“ iſt das Flachsbrechen mit der Hand. 5. Das Schwingen oder Ribben, welches die Abſcheidung der durch das Schütteln noch nicht genügend entfernten Holzfaſerteile bezweckt. 6. Das Hecheln, entſprechend einem Kämmen des von der Holzfaſer befreiten Rohflachſes, wo- durch der Baſt in ſeine einzelnen feinen Faſern zerlegt wird.
*) Es wäre wohl aus mehr als einem Grunde richtiger, das Klopfen erſt hin- ter dem Brechen vorzunehmen.
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[63/0089]
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wie von den innen eng anliegenden Holzfaſerzellen. Sie liegt gemein-
hin in der Hand des Leinbauers. Demgemäß ſind die Operationen zur
Gewinnung der Leinenrohfaſer nicht nur äußerſt primitive, ja ich ſtehe nicht
an, dieſelben als veraltet und verfehlt zu bezeichnen. Es iſt geradezu
erſtaunlich, wie bei der Flachsgewinnung förmlich ein Mißgriff auf den andern
folgt, und es iſt lediglich der großen Widerſtandsfähigkeit der inkruſtierten
Baſtfaſer zu verdanken, daß ſie bei dieſen Operationen nicht zu Grunde gerichtet
wird. Die Wiſſenſchaft und die heutige Maſchinentechnik geben uns wahr-
lich andere Mittel und Wege an die Hand, die Gewinnung des Flachſes auf
eine vernunftgemäßere, billigere, ſchnellere und die Faſer ſchonendere Weiſe
auszuführen. Die erſte Bedingung dazu iſt aber, daß die Rohflachsgewin-
nung den Händen des Flachsbauers entzogen werde.
Die vernunftwidrige Gewinnung, wie ſie jetzt betrieben wird, ſetzt ſich
aus folgenden Operationen zuſammen: 1. das Riffeln oder Dreſchen,
womit die Entfernung der Samenkapſel bezweckt wird; 2. das Röſten oder
Rotten zum Zweck der Abſonderung der Baſtfaſer von den übrigen Be-
ſtandteilen des Stengels und von der inkruſtierenden Subſtanz, welche die
erſteren zuſammenhält. Dieſes Röſten oder Rotten iſt die unſinnigſte von
den geſamten Operationen, und ich möchte dringend raten, dieſe in vollem
Sinne des Wortes „verrottete“ Methode zu verlaſſen, welche nicht allein den
Flachs, eine der teureren Gewebefaſern, einer Humifikation überantwortet,
ſondern auch durch die bei der Verweſung auftretenden Gaſe die Luft der
Umgebung verpeſtet, das Waſſer vergiftet und den Fiſchbeſtand decimiert.
Daß die Leinfaſer, eine von Haus aus ſehr geſchmeidige, weiche und feine
Faſer, uns überall als ſpröde, hart und grob entgegentritt, iſt hauptſäch-
lich das Reſultat dieſer verkehrten Behandlung des Rottens. Durch ver-
nunftgemäße Behandlung könnte aus dem Lein eine ſeidenweiche, ſeiden-
glänzende Geſpinnſtfaſer gewonnen werden. Das Verfahren, wie ich es im
Sinne habe, würde einer ausführlichen Begründung bedürfen, die aber für
einen Färber gar keinen Zweck hat und auch nicht in den Rahmen dieſes
Buches gehört. Dem Röſten folgt 3. das Klopfen, zur Abſcheidung der
mechaniſch entfernbaren Teile in Staubform *). 4. Das Brechen, zur Zer-
kleinerung der dem geröſteten Flachs anhängenden, durch den Röſtprozeß nicht
zerſtörten Holzfaſer. Von den verſchiedenen hierfür vorgeſchlagenen Methoden
halte ich das Durchgehen durch kannellierte ineinandergreifende Metallwalzen
oder Zahnräder für die vernunftgemäßeſte. Die alten plumpen Holzkäſten
mit aus zwei parallelen Holzſchienen beſtehenden Schlegeln ſind „ländlich-ſitt-
lich“, aber auch recht ländlich unpraktiſch. Durch das Brechen fallen die
Holzteile zum großen Teil von ſelbſt aus, teils werden ſie durch nachfolgendes
Schüttelnentfernt. Noch „ländlicher“ iſt das Flachsbrechen mit der Hand. 5. Das
Schwingen oder Ribben, welches die Abſcheidung der durch das Schütteln
noch nicht genügend entfernten Holzfaſerteile bezweckt. 6. Das Hecheln,
entſprechend einem Kämmen des von der Holzfaſer befreiten Rohflachſes, wo-
durch der Baſt in ſeine einzelnen feinen Faſern zerlegt wird.
*) Es wäre wohl aus mehr als einem Grunde richtiger, das Klopfen erſt hin-
ter dem Brechen vorzunehmen.
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/89>, abgerufen am 23.11.2024.
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