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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Nach einem von A. Baur bekannt gegebenen Verfahren wird der
frische Flachs zwischen Walzen gequetscht und in Wasser gelegt so lange,
als dieses noch gelb gefärbt wird. Nach leichtem Abpressen des Wassers
wird er 1 bis 2 Tage lang in eine 3prozentige Salzsäure gelegt, worauf sich
die Bastfasern leicht vom Stengel ablösen lassen sollen. Die Rohleinenfaser
wird mit 2prozentiger Sodalösung gewaschen, dann in Wasser gespült; die
geringen Mengen noch anhaftender Holzsubstanz sollen durch eine Chlor-
passage und nochmaliges Spülen völlig beseitigt werden. Ein derart bereiteter
Flachs kann sofort nach dem Trocknen gehechelt werden. -- In Frankreich
hat ein Ingenieur Passy ein neues Röstverfahren erfunden, in dem er den
Flachs bei 150° C. überhitztem Wasser bezw. den Dämpfen aussetzt und hat
dadurch in kurzer Zeit denselben Effekt erhalten, wie durch den länger dauern-
den Röstprozeß. Die Versuche sind in großem Maßstabe im Etablissement
des Herrn Agache zu Perenchies ausgeführt worden und sollen vielver-
sprechend ausgefallen sein.

Hosemann & Fiegel haben sich ein Verfahren zur Isolierung der
Flachsfaser patentieren lassen. Dasselbe beruht auf einem sogenannten künst-
lichen Verdauungsprozeß, der dadurch erzielt wird, daß die getrockneten
Stengel oder der vom Holz befreite Bast der Pflanzen, welche Gespinnst-
fasern enthalten, wie z. B. Hanf, Flachs u. s. w. oder das hieraus herge-
stellte Gespinnst, für die Dauer von 24 Stunden einem Bade ausgesetzt
werden, welches aus schwach angesäuertem, pepsin- und pankreatinhaltigem
Wasser besteht. Durch dieses Bad sind alle Gummi- und Harzstoffe aufge-
löst und werden dann durch Abwässern und Spülen vollends entfernt. Bei
der Bereitung der Pepsin- und Pankreatinflüssigkeit zu diesem Bad ist das
Verhältnis der verwendeten Materialien ungefähr 1 bis 11/2 kg tierische
Magen auf 50 kg schwach angesäuertes Wasser. Sonst wird hierbei in der
bekannten Weise verfahren, daß der tierische Magen in zerkleinertem Zustand
einige Tage in dem schwach angesäuerten Wasser liegen bleibt. Dadurch,
daß die Gespinnstfasern enthaltenden Pflanzenteile diesem künstlichen Ver-
dauungsprozeß, der die Aussonderung von Gummi und Harz bewirkt, aus-
gesetzt werden, wird das sonst übliche Röstverfahren oder Kochen mit Al-
kalien nicht nur unnötig, sondern auch eine absolut gummi- und harzfreie
Faser erzielt.

Das Endresultat der verschiedenen Gewinnungsmethoden ist der
Reinflachs oder die Rohleinenfaser. Die in der Hechel zurück-
bleibenden kürzeren Fasern heißen das Gewirre, Werg oder Heede,
und enthalten gewöhnlich noch, deutlich sichtbar, Bestandteile des be-
nachbarten Holzkörpers, welche der Reinflachs keinenfalls zeigen darf. Das
Werg dient nur zu Tauen oder zu Sackleinwand u. dergl. groben Ge-
spinnsten. -- Die Ausbeute beträgt aus 100 Teilen getrocknetem Flachs
(nach Heinzerling)

51,25 gebrochenen Flachs,
20,50 geschwungenen Flachs,
0,50 Schwingelheede,
9,00 dreimal gehechelten Flachs,
8,00 Hechelheede.

Eigenschaften. Die Rohleinenfaser, wie sie durch die obenstehend
beschriebenen Methoden gewonnen wird, stellt je nach der mehr oder minder

Nach einem von A. Baur bekannt gegebenen Verfahren wird der
friſche Flachs zwiſchen Walzen gequetſcht und in Waſſer gelegt ſo lange,
als dieſes noch gelb gefärbt wird. Nach leichtem Abpreſſen des Waſſers
wird er 1 bis 2 Tage lang in eine 3prozentige Salzſäure gelegt, worauf ſich
die Baſtfaſern leicht vom Stengel ablöſen laſſen ſollen. Die Rohleinenfaſer
wird mit 2prozentiger Sodalöſung gewaſchen, dann in Waſſer geſpült; die
geringen Mengen noch anhaftender Holzſubſtanz ſollen durch eine Chlor-
paſſage und nochmaliges Spülen völlig beſeitigt werden. Ein derart bereiteter
Flachs kann ſofort nach dem Trocknen gehechelt werden. — In Frankreich
hat ein Ingenieur Paſſy ein neues Röſtverfahren erfunden, in dem er den
Flachs bei 150° C. überhitztem Waſſer bezw. den Dämpfen ausſetzt und hat
dadurch in kurzer Zeit denſelben Effekt erhalten, wie durch den länger dauern-
den Röſtprozeß. Die Verſuche ſind in großem Maßſtabe im Etabliſſement
des Herrn Agache zu Pérenchies ausgeführt worden und ſollen vielver-
ſprechend ausgefallen ſein.

Hoſemann & Fiegel haben ſich ein Verfahren zur Iſolierung der
Flachsfaſer patentieren laſſen. Dasſelbe beruht auf einem ſogenannten künſt-
lichen Verdauungsprozeß, der dadurch erzielt wird, daß die getrockneten
Stengel oder der vom Holz befreite Baſt der Pflanzen, welche Geſpinnſt-
faſern enthalten, wie z. B. Hanf, Flachs u. ſ. w. oder das hieraus herge-
ſtellte Geſpinnſt, für die Dauer von 24 Stunden einem Bade ausgeſetzt
werden, welches aus ſchwach angeſäuertem, pepſin- und pankreatinhaltigem
Waſſer beſteht. Durch dieſes Bad ſind alle Gummi- und Harzſtoffe aufge-
löſt und werden dann durch Abwäſſern und Spülen vollends entfernt. Bei
der Bereitung der Pepſin- und Pankreatinflüſſigkeit zu dieſem Bad iſt das
Verhältnis der verwendeten Materialien ungefähr 1 bis 1½ kg tieriſche
Magen auf 50 kg ſchwach angeſäuertes Waſſer. Sonſt wird hierbei in der
bekannten Weiſe verfahren, daß der tieriſche Magen in zerkleinertem Zuſtand
einige Tage in dem ſchwach angeſäuerten Waſſer liegen bleibt. Dadurch,
daß die Geſpinnſtfaſern enthaltenden Pflanzenteile dieſem künſtlichen Ver-
dauungsprozeß, der die Ausſonderung von Gummi und Harz bewirkt, aus-
geſetzt werden, wird das ſonſt übliche Röſtverfahren oder Kochen mit Al-
kalien nicht nur unnötig, ſondern auch eine abſolut gummi- und harzfreie
Faſer erzielt.

Das Endreſultat der verſchiedenen Gewinnungsmethoden iſt der
Reinflachs oder die Rohleinenfaſer. Die in der Hechel zurück-
bleibenden kürzeren Faſern heißen das Gewirre, Werg oder Heede,
und enthalten gewöhnlich noch, deutlich ſichtbar, Beſtandteile des be-
nachbarten Holzkörpers, welche der Reinflachs keinenfalls zeigen darf. Das
Werg dient nur zu Tauen oder zu Sackleinwand u. dergl. groben Ge-
ſpinnſten. — Die Ausbeute beträgt aus 100 Teilen getrocknetem Flachs
(nach Heinzerling)

51,25 gebrochenen Flachs,
20,50 geſchwungenen Flachs,
0,50 Schwingelheede,
9,00 dreimal gehechelten Flachs,
8,00 Hechelheede.

Eigenſchaften. Die Rohleinenfaſer, wie ſie durch die obenſtehend
beſchriebenen Methoden gewonnen wird, ſtellt je nach der mehr oder minder

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[64/0090] Nach einem von A. Baur bekannt gegebenen Verfahren wird der friſche Flachs zwiſchen Walzen gequetſcht und in Waſſer gelegt ſo lange, als dieſes noch gelb gefärbt wird. Nach leichtem Abpreſſen des Waſſers wird er 1 bis 2 Tage lang in eine 3prozentige Salzſäure gelegt, worauf ſich die Baſtfaſern leicht vom Stengel ablöſen laſſen ſollen. Die Rohleinenfaſer wird mit 2prozentiger Sodalöſung gewaſchen, dann in Waſſer geſpült; die geringen Mengen noch anhaftender Holzſubſtanz ſollen durch eine Chlor- paſſage und nochmaliges Spülen völlig beſeitigt werden. Ein derart bereiteter Flachs kann ſofort nach dem Trocknen gehechelt werden. — In Frankreich hat ein Ingenieur Paſſy ein neues Röſtverfahren erfunden, in dem er den Flachs bei 150° C. überhitztem Waſſer bezw. den Dämpfen ausſetzt und hat dadurch in kurzer Zeit denſelben Effekt erhalten, wie durch den länger dauern- den Röſtprozeß. Die Verſuche ſind in großem Maßſtabe im Etabliſſement des Herrn Agache zu Pérenchies ausgeführt worden und ſollen vielver- ſprechend ausgefallen ſein. Hoſemann & Fiegel haben ſich ein Verfahren zur Iſolierung der Flachsfaſer patentieren laſſen. Dasſelbe beruht auf einem ſogenannten künſt- lichen Verdauungsprozeß, der dadurch erzielt wird, daß die getrockneten Stengel oder der vom Holz befreite Baſt der Pflanzen, welche Geſpinnſt- faſern enthalten, wie z. B. Hanf, Flachs u. ſ. w. oder das hieraus herge- ſtellte Geſpinnſt, für die Dauer von 24 Stunden einem Bade ausgeſetzt werden, welches aus ſchwach angeſäuertem, pepſin- und pankreatinhaltigem Waſſer beſteht. Durch dieſes Bad ſind alle Gummi- und Harzſtoffe aufge- löſt und werden dann durch Abwäſſern und Spülen vollends entfernt. Bei der Bereitung der Pepſin- und Pankreatinflüſſigkeit zu dieſem Bad iſt das Verhältnis der verwendeten Materialien ungefähr 1 bis 1½ kg tieriſche Magen auf 50 kg ſchwach angeſäuertes Waſſer. Sonſt wird hierbei in der bekannten Weiſe verfahren, daß der tieriſche Magen in zerkleinertem Zuſtand einige Tage in dem ſchwach angeſäuerten Waſſer liegen bleibt. Dadurch, daß die Geſpinnſtfaſern enthaltenden Pflanzenteile dieſem künſtlichen Ver- dauungsprozeß, der die Ausſonderung von Gummi und Harz bewirkt, aus- geſetzt werden, wird das ſonſt übliche Röſtverfahren oder Kochen mit Al- kalien nicht nur unnötig, ſondern auch eine abſolut gummi- und harzfreie Faſer erzielt. Das Endreſultat der verſchiedenen Gewinnungsmethoden iſt der Reinflachs oder die Rohleinenfaſer. Die in der Hechel zurück- bleibenden kürzeren Faſern heißen das Gewirre, Werg oder Heede, und enthalten gewöhnlich noch, deutlich ſichtbar, Beſtandteile des be- nachbarten Holzkörpers, welche der Reinflachs keinenfalls zeigen darf. Das Werg dient nur zu Tauen oder zu Sackleinwand u. dergl. groben Ge- ſpinnſten. — Die Ausbeute beträgt aus 100 Teilen getrocknetem Flachs (nach Heinzerling) 51,25 gebrochenen Flachs, 20,50 geſchwungenen Flachs, 0,50 Schwingelheede, 9,00 dreimal gehechelten Flachs, 8,00 Hechelheede. Eigenſchaften. Die Rohleinenfaſer, wie ſie durch die obenſtehend beſchriebenen Methoden gewonnen wird, ſtellt je nach der mehr oder minder

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/90>, abgerufen am 23.11.2024.