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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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fernt, die Rinde abgetrennt, die erweichte Bastschicht abgezogen und in der
Sonne getrocknet. Ob dieser primitiven Gewinnung noch eine ähnliche me-
chanische Behandlung, wie Brechen, Schwingen, Hecheln, Kämmen u. dergl.
erfolgt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die so gewonnene
Roh-Jute wird dann in Ballen verpackt und versendet. Um die Jute spinn-
fähig zu machen, wurde sie bisher mit Thran, Oel und Petroleum einge-
fettet und einem 2 bis 3tägigen Fermentationsprozeß ausgesetzt. Hildwein
und Wieser fetten die Jute mit Türkischrotöl oder einer ammoniakalischen
Lösung von Fettstoffen ein, und setzen sie dann 1 bis 2 Stunden bei gewöhn-
licher Temperatur einem Drucke von 5 bis 6 Atm. aus, wodurch bedeutend
an Arbeitszeit gespart wird. (D. R. P. 40723 vom 18. Januar 1887.)

Eigenschaften. In dieser Form stellt die Jute eine stark verholzte,
oft bis zu 3,5 m lange, 0,01 bis 0,03 mm dicke, bräunlichgelbe, graugelbe
bis silbergraue, ziemlich harte, spröde Faser vor, welche nach längerem Ge-

[Abbildung] Fig. 12.

Jute.

brauch auffasert und an den Bruchstellen morsch wird.
Sie besitzt weder die Festigkeit noch die Geschmeidigkeit
des Flachses oder Hanfes, und stellt daher ein minder-
wertiges Produkt vor. Ob die Jutefaser an sich wirk-
lich minderwertig ist, oder ob die geringe Dauerhaftig-
keit erst eine Folge verkehrter Behandlung bei der Ge-
winnung ist, soll hier nicht weiter erörtert werden. --
Unter dem Mikroskop erscheint sie als eine glatte
cylindrische Faser, die als einziges charakteristisches
Merkmal ein unregelmäßiges Lumen zeigt, welches
sich bald erweitert, bald verengt (Figur 12), ja sogar
gänzlich verschwinden kann, so daß dasselbe an dieser
Stelle durchbrochen erscheint. Dementsprechend wechselt
die Dicke der Wandung und erscheint bald dünner,
bald dicker, welchen Umstand Hanausek für die Ursache
der geringen Festigkeit und des Auffaserns der Faser hält.
Der Querschnitt zeigt, daß stets mehrere Fasern neben-
einander liegen, und gibt ein Gruppenbild, in welchem
die verschieden großen Lumina und die verschieden dicken Zell-
wandungen deutlich sichtbar sind. Für die Jute cha-
rakteristisch ist, daß sie unregelmäßige Fünf-
oder Sechsecke bildet, welche durch gerade Linien und
scharf ausgeprägte Winkel begrenzt werden.

Chemische Zusammensetzung. Hinsichtlich ihrer chemischen Natur
scheint die Jute eine Ausnahmestellung einzunehmen. Abgesehen davon, daß
die Jute eine stark verholzte Faser ist, legt ihr merkwürdiges Verhalten gegen
gewisse Reagentien die Vermutung nahe, daß die ursprüngliche Cellulose in
eine veränderte Form übergegangen sei. Croß & Bevan, welche sich durch
die theoretische wie praktische Erforschung der Jute ein Verdienst erworben
haben, haben für die metamorphosierte Cellulose den Namen Bastose vor-
geschlagen. So interessant nun auch die Originalarbeiten von Croß &
Bevan
sind, so haben dieselben mich doch nicht vollkommen zu überzeugen
vermocht, vielmehr erscheinen mir dieselben als ein Argument mehr für meine
schon oben angedeutete Annahme, daß die metamorphosierte Cellulose erst
eine Folge der unrationellen Behandlung der Pflanze bei der Gewinnung

fernt, die Rinde abgetrennt, die erweichte Baſtſchicht abgezogen und in der
Sonne getrocknet. Ob dieſer primitiven Gewinnung noch eine ähnliche me-
chaniſche Behandlung, wie Brechen, Schwingen, Hecheln, Kämmen u. dergl.
erfolgt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die ſo gewonnene
Roh-Jute wird dann in Ballen verpackt und verſendet. Um die Jute ſpinn-
fähig zu machen, wurde ſie bisher mit Thran, Oel und Petroleum einge-
fettet und einem 2 bis 3tägigen Fermentationsprozeß ausgeſetzt. Hildwein
und Wieſer fetten die Jute mit Türkiſchrotöl oder einer ammoniakaliſchen
Löſung von Fettſtoffen ein, und ſetzen ſie dann 1 bis 2 Stunden bei gewöhn-
licher Temperatur einem Drucke von 5 bis 6 Atm. aus, wodurch bedeutend
an Arbeitszeit geſpart wird. (D. R. P. 40723 vom 18. Januar 1887.)

Eigenſchaften. In dieſer Form ſtellt die Jute eine ſtark verholzte,
oft bis zu 3,5 m lange, 0,01 bis 0,03 mm dicke, bräunlichgelbe, graugelbe
bis ſilbergraue, ziemlich harte, ſpröde Faſer vor, welche nach längerem Ge-

[Abbildung] Fig. 12.

Jute.

brauch auffaſert und an den Bruchſtellen morſch wird.
Sie beſitzt weder die Feſtigkeit noch die Geſchmeidigkeit
des Flachſes oder Hanfes, und ſtellt daher ein minder-
wertiges Produkt vor. Ob die Jutefaſer an ſich wirk-
lich minderwertig iſt, oder ob die geringe Dauerhaftig-
keit erſt eine Folge verkehrter Behandlung bei der Ge-
winnung iſt, ſoll hier nicht weiter erörtert werden. —
Unter dem Mikroſkop erſcheint ſie als eine glatte
cylindriſche Faſer, die als einziges charakteriſtiſches
Merkmal ein unregelmäßiges Lumen zeigt, welches
ſich bald erweitert, bald verengt (Figur 12), ja ſogar
gänzlich verſchwinden kann, ſo daß dasſelbe an dieſer
Stelle durchbrochen erſcheint. Dementſprechend wechſelt
die Dicke der Wandung und erſcheint bald dünner,
bald dicker, welchen Umſtand Hanauſek für die Urſache
der geringen Feſtigkeit und des Auffaſerns der Faſer hält.
Der Querſchnitt zeigt, daß ſtets mehrere Faſern neben-
einander liegen, und gibt ein Gruppenbild, in welchem
die verſchieden großen Lumina und die verſchieden dicken Zell-
wandungen deutlich ſichtbar ſind. Für die Jute cha-
rakteriſtiſch iſt, daß ſie unregelmäßige Fünf-
oder Sechsecke bildet, welche durch gerade Linien und
ſcharf ausgeprägte Winkel begrenzt werden.

Chemiſche Zuſammenſetzung. Hinſichtlich ihrer chemiſchen Natur
ſcheint die Jute eine Ausnahmeſtellung einzunehmen. Abgeſehen davon, daß
die Jute eine ſtark verholzte Faſer iſt, legt ihr merkwürdiges Verhalten gegen
gewiſſe Reagentien die Vermutung nahe, daß die urſprüngliche Celluloſe in
eine veränderte Form übergegangen ſei. Croß & Bevan, welche ſich durch
die theoretiſche wie praktiſche Erforſchung der Jute ein Verdienſt erworben
haben, haben für die metamorphoſierte Celluloſe den Namen Baſtoſe vor-
geſchlagen. So intereſſant nun auch die Originalarbeiten von Croß &
Bevan
ſind, ſo haben dieſelben mich doch nicht vollkommen zu überzeugen
vermocht, vielmehr erſcheinen mir dieſelben als ein Argument mehr für meine
ſchon oben angedeutete Annahme, daß die metamorphoſierte Celluloſe erſt
eine Folge der unrationellen Behandlung der Pflanze bei der Gewinnung

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[70/0096] fernt, die Rinde abgetrennt, die erweichte Baſtſchicht abgezogen und in der Sonne getrocknet. Ob dieſer primitiven Gewinnung noch eine ähnliche me- chaniſche Behandlung, wie Brechen, Schwingen, Hecheln, Kämmen u. dergl. erfolgt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die ſo gewonnene Roh-Jute wird dann in Ballen verpackt und verſendet. Um die Jute ſpinn- fähig zu machen, wurde ſie bisher mit Thran, Oel und Petroleum einge- fettet und einem 2 bis 3tägigen Fermentationsprozeß ausgeſetzt. Hildwein und Wieſer fetten die Jute mit Türkiſchrotöl oder einer ammoniakaliſchen Löſung von Fettſtoffen ein, und ſetzen ſie dann 1 bis 2 Stunden bei gewöhn- licher Temperatur einem Drucke von 5 bis 6 Atm. aus, wodurch bedeutend an Arbeitszeit geſpart wird. (D. R. P. 40723 vom 18. Januar 1887.) Eigenſchaften. In dieſer Form ſtellt die Jute eine ſtark verholzte, oft bis zu 3,5 m lange, 0,01 bis 0,03 mm dicke, bräunlichgelbe, graugelbe bis ſilbergraue, ziemlich harte, ſpröde Faſer vor, welche nach längerem Ge- [Abbildung Fig. 12. Jute.] brauch auffaſert und an den Bruchſtellen morſch wird. Sie beſitzt weder die Feſtigkeit noch die Geſchmeidigkeit des Flachſes oder Hanfes, und ſtellt daher ein minder- wertiges Produkt vor. Ob die Jutefaſer an ſich wirk- lich minderwertig iſt, oder ob die geringe Dauerhaftig- keit erſt eine Folge verkehrter Behandlung bei der Ge- winnung iſt, ſoll hier nicht weiter erörtert werden. — Unter dem Mikroſkop erſcheint ſie als eine glatte cylindriſche Faſer, die als einziges charakteriſtiſches Merkmal ein unregelmäßiges Lumen zeigt, welches ſich bald erweitert, bald verengt (Figur 12), ja ſogar gänzlich verſchwinden kann, ſo daß dasſelbe an dieſer Stelle durchbrochen erſcheint. Dementſprechend wechſelt die Dicke der Wandung und erſcheint bald dünner, bald dicker, welchen Umſtand Hanauſek für die Urſache der geringen Feſtigkeit und des Auffaſerns der Faſer hält. Der Querſchnitt zeigt, daß ſtets mehrere Faſern neben- einander liegen, und gibt ein Gruppenbild, in welchem die verſchieden großen Lumina und die verſchieden dicken Zell- wandungen deutlich ſichtbar ſind. Für die Jute cha- rakteriſtiſch iſt, daß ſie unregelmäßige Fünf- oder Sechsecke bildet, welche durch gerade Linien und ſcharf ausgeprägte Winkel begrenzt werden. Chemiſche Zuſammenſetzung. Hinſichtlich ihrer chemiſchen Natur ſcheint die Jute eine Ausnahmeſtellung einzunehmen. Abgeſehen davon, daß die Jute eine ſtark verholzte Faſer iſt, legt ihr merkwürdiges Verhalten gegen gewiſſe Reagentien die Vermutung nahe, daß die urſprüngliche Celluloſe in eine veränderte Form übergegangen ſei. Croß & Bevan, welche ſich durch die theoretiſche wie praktiſche Erforſchung der Jute ein Verdienſt erworben haben, haben für die metamorphoſierte Celluloſe den Namen Baſtoſe vor- geſchlagen. So intereſſant nun auch die Originalarbeiten von Croß & Bevan ſind, ſo haben dieſelben mich doch nicht vollkommen zu überzeugen vermocht, vielmehr erſcheinen mir dieſelben als ein Argument mehr für meine ſchon oben angedeutete Annahme, daß die metamorphoſierte Celluloſe erſt eine Folge der unrationellen Behandlung der Pflanze bei der Gewinnung

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/96>, abgerufen am 23.11.2024.