Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Vorrede. andern. Interesse im figürlichen Verstande, ist dieTheilnehmung der Seele an den Handlungen oder Eindrücken eines andern. So vielerley Arten der Beschäftigungen der Seele es giebt, wann Gegenstän- de auf uns selbst wirken: eben so viele Arten der Theilnehmung oder des Interesses giebt es auch, wann diese Gegenstände auf andre wirken. So wie die Vorstellungen unsers Verstandes, unsre Gemüths- bewegungen und unsre Schicksale uns unmittelbar einnehmen: so können die Gedanken, die Empfin- dungen, die Begebenheiten eines andern uns durch die Theilnehmung beschäftigen, das heißt, uns in- teressiren. Wir nehmen aber an den Gedanken ei- nes andern alsdann am ersten Theil, wenn sie so klar, so einleuchtend, und von so begreiflichem Nut- zen sind, es sey zum menschlichen Leben oder zur Auflösung von Schwierigkeiten, daß wir sie leicht zu unsern eignen Gedanken machen können, und Lust haben, uns darauf einzulassen. Wir nehmen an den Gemüthsbewegungen eines andern Theil, wenn wir die Wahrheit und die Billigkeit der- selben, in ihren Ausbrüchen oder in ihrer Schil- A 3
Vorrede. andern. Intereſſe im figuͤrlichen Verſtande, iſt dieTheilnehmung der Seele an den Handlungen oder Eindruͤcken eines andern. So vielerley Arten der Beſchaͤftigungen der Seele es giebt, wann Gegenſtaͤn- de auf uns ſelbſt wirken: eben ſo viele Arten der Theilnehmung oder des Intereſſes giebt es auch, wann dieſe Gegenſtaͤnde auf andre wirken. So wie die Vorſtellungen unſers Verſtandes, unſre Gemuͤths- bewegungen und unſre Schickſale uns unmittelbar einnehmen: ſo koͤnnen die Gedanken, die Empfin- dungen, die Begebenheiten eines andern uns durch die Theilnehmung beſchaͤftigen, das heißt, uns in- tereſſiren. Wir nehmen aber an den Gedanken ei- nes andern alsdann am erſten Theil, wenn ſie ſo klar, ſo einleuchtend, und von ſo begreiflichem Nut- zen ſind, es ſey zum menſchlichen Leben oder zur Aufloͤſung von Schwierigkeiten, daß wir ſie leicht zu unſern eignen Gedanken machen koͤnnen, und Luſt haben, uns darauf einzulaſſen. Wir nehmen an den Gemuͤthsbewegungen eines andern Theil, wenn wir die Wahrheit und die Billigkeit der- ſelben, in ihren Ausbruͤchen oder in ihrer Schil- A 3
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/> andern. Intereſſe im figuͤrlichen Verſtande, iſt die<lb/> Theilnehmung der Seele an den Handlungen oder<lb/> Eindruͤcken eines andern. So vielerley Arten der<lb/> Beſchaͤftigungen der Seele es giebt, wann Gegenſtaͤn-<lb/> de auf uns ſelbſt wirken: eben ſo viele Arten der<lb/> Theilnehmung oder des Intereſſes giebt es auch,<lb/> wann dieſe Gegenſtaͤnde auf andre wirken. So wie<lb/> die Vorſtellungen unſers Verſtandes, unſre Gemuͤths-<lb/> bewegungen und unſre Schickſale uns unmittelbar<lb/> einnehmen: ſo koͤnnen die Gedanken, die Empfin-<lb/> dungen, die Begebenheiten eines andern uns durch<lb/> die Theilnehmung beſchaͤftigen, das heißt, uns in-<lb/> tereſſiren. Wir nehmen aber an den Gedanken ei-<lb/> nes andern alsdann am erſten Theil, wenn ſie ſo<lb/> klar, ſo einleuchtend, und von ſo begreiflichem Nut-<lb/> zen ſind, es ſey zum menſchlichen Leben oder zur<lb/> Aufloͤſung von Schwierigkeiten, daß wir ſie leicht<lb/> zu unſern eignen Gedanken machen koͤnnen, und<lb/> Luſt haben, uns darauf einzulaſſen. Wir nehmen<lb/> an den Gemuͤthsbewegungen eines andern Theil,<lb/> wenn wir die Wahrheit und die Billigkeit der-<lb/> ſelben, in ihren Ausbruͤchen oder in ihrer Schil-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [5/0011]
Vorrede.
andern. Intereſſe im figuͤrlichen Verſtande, iſt die
Theilnehmung der Seele an den Handlungen oder
Eindruͤcken eines andern. So vielerley Arten der
Beſchaͤftigungen der Seele es giebt, wann Gegenſtaͤn-
de auf uns ſelbſt wirken: eben ſo viele Arten der
Theilnehmung oder des Intereſſes giebt es auch,
wann dieſe Gegenſtaͤnde auf andre wirken. So wie
die Vorſtellungen unſers Verſtandes, unſre Gemuͤths-
bewegungen und unſre Schickſale uns unmittelbar
einnehmen: ſo koͤnnen die Gedanken, die Empfin-
dungen, die Begebenheiten eines andern uns durch
die Theilnehmung beſchaͤftigen, das heißt, uns in-
tereſſiren. Wir nehmen aber an den Gedanken ei-
nes andern alsdann am erſten Theil, wenn ſie ſo
klar, ſo einleuchtend, und von ſo begreiflichem Nut-
zen ſind, es ſey zum menſchlichen Leben oder zur
Aufloͤſung von Schwierigkeiten, daß wir ſie leicht
zu unſern eignen Gedanken machen koͤnnen, und
Luſt haben, uns darauf einzulaſſen. Wir nehmen
an den Gemuͤthsbewegungen eines andern Theil,
wenn wir die Wahrheit und die Billigkeit der-
ſelben, in ihren Ausbruͤchen oder in ihrer Schil-
A 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |