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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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der Fähigkeiten.

Die dritte Klasse, welche die ausübenden Ge-
lehrten in sich begreift, erfodert in der That oft
weit weniger Gelehrsamkeit, als Klugheit und
Witz. Die Merkmale von diesen Fähigkeiten sind
also auch die Bestimmung für die Praxis. Man
wird diese Sache ziemlich richtig einsehen, wenn
man sich nur an das Beyspiel der praktischen Arz-
neykunst erinnert. Man weis, wie oft große
Kuren von Leuten sind verrichtet worden, deren
Wissenschaft sehr mittelmäßig war. Man kann
daraus wenigstens ohne weitere Untersuchungen
die Nothwendigkeit lernen, auf diese Merkmale
Achtung zu geben. Es ist nichts gewöhnlicher,
als Leute von wirklichem Verdienst verachtet zu
sehen, bloß weil sie sich nicht in den Plätzen befin-
den, wo sie von ihren Gaben Gebrauch machen
können. Leute von großer Gelehrsamkeit, die auf
einer Akademie die Stütze ihrer Wissenschaft wer-
den könnten, leben oft ohne Nutzen und ohne
Ansehen, weil sie durchaus obrigkeitliche Aemter
bekleiden, oder überhaupt Geschäften vorstehen
wollen.

der Faͤhigkeiten.

Die dritte Klaſſe, welche die ausuͤbenden Ge-
lehrten in ſich begreift, erfodert in der That oft
weit weniger Gelehrſamkeit, als Klugheit und
Witz. Die Merkmale von dieſen Faͤhigkeiten ſind
alſo auch die Beſtimmung fuͤr die Praxis. Man
wird dieſe Sache ziemlich richtig einſehen, wenn
man ſich nur an das Beyſpiel der praktiſchen Arz-
neykunſt erinnert. Man weis, wie oft große
Kuren von Leuten ſind verrichtet worden, deren
Wiſſenſchaft ſehr mittelmaͤßig war. Man kann
daraus wenigſtens ohne weitere Unterſuchungen
die Nothwendigkeit lernen, auf dieſe Merkmale
Achtung zu geben. Es iſt nichts gewoͤhnlicher,
als Leute von wirklichem Verdienſt verachtet zu
ſehen, bloß weil ſie ſich nicht in den Plaͤtzen befin-
den, wo ſie von ihren Gaben Gebrauch machen
koͤnnen. Leute von großer Gelehrſamkeit, die auf
einer Akademie die Stuͤtze ihrer Wiſſenſchaft wer-
den koͤnnten, leben oft ohne Nutzen und ohne
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[111/0117] der Faͤhigkeiten. Die dritte Klaſſe, welche die ausuͤbenden Ge- lehrten in ſich begreift, erfodert in der That oft weit weniger Gelehrſamkeit, als Klugheit und Witz. Die Merkmale von dieſen Faͤhigkeiten ſind alſo auch die Beſtimmung fuͤr die Praxis. Man wird dieſe Sache ziemlich richtig einſehen, wenn man ſich nur an das Beyſpiel der praktiſchen Arz- neykunſt erinnert. Man weis, wie oft große Kuren von Leuten ſind verrichtet worden, deren Wiſſenſchaft ſehr mittelmaͤßig war. Man kann daraus wenigſtens ohne weitere Unterſuchungen die Nothwendigkeit lernen, auf dieſe Merkmale Achtung zu geben. Es iſt nichts gewoͤhnlicher, als Leute von wirklichem Verdienſt verachtet zu ſehen, bloß weil ſie ſich nicht in den Plaͤtzen befin- den, wo ſie von ihren Gaben Gebrauch machen koͤnnen. Leute von großer Gelehrſamkeit, die auf einer Akademie die Stuͤtze ihrer Wiſſenſchaft wer- den koͤnnten, leben oft ohne Nutzen und ohne Anſehen, weil ſie durchaus obrigkeitliche Aemter bekleiden, oder uͤberhaupt Geſchaͤften vorſtehen wollen.

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/117>, abgerufen am 28.04.2024.