strakte Ideen vor den sinnlichen und Erfahrungs- ideen vorhergehen, je mehr der Beobachtungsgeist dem System nachfolgt, und dasselbe nur zu bestä- tigen sucht, desto mehr Gleichheit unter den Be- griffen mehrerer, die izt bloß den gemeinschaftli- chen Theil ihrer Fähigkeiten und nach einerley Vorschrift geübt, und den eigenthümlichen ver- nachläßigt haben; desto weniger Originelles also.
Und so finden wirs auch in der That, wenn wir die Werke der Alten und Neuern ansehen. Muß es nicht einen etwas denkenden Menschen wundern, wenn er hört, daß alle die vornehm- sten Gattungen der Dichtkunst, die, welche noch bis auf den heutigen Tag den ganzen Umfang menschlicher Werke in dieser Art zu umfassen schei- nen, gerade zu der Zeit sind erfunden und festge- sezt worden, da man am wenigsten über die Na- tur dieser Gattungen, und über die Verschieden- heiten, deren dieselben fähig wären, nachdenken konnte? Ist es nicht augenscheinlich, daß diese verschiedene Dichtungsarten nur so viel verschie-
Verſchiedenheiten in den Werken
ſtrakte Ideen vor den ſinnlichen und Erfahrungs- ideen vorhergehen, je mehr der Beobachtungsgeiſt dem Syſtem nachfolgt, und daſſelbe nur zu beſtaͤ- tigen ſucht, deſto mehr Gleichheit unter den Be- griffen mehrerer, die izt bloß den gemeinſchaftli- chen Theil ihrer Faͤhigkeiten und nach einerley Vorſchrift geuͤbt, und den eigenthuͤmlichen ver- nachlaͤßigt haben; deſto weniger Originelles alſo.
Und ſo finden wirs auch in der That, wenn wir die Werke der Alten und Neuern anſehen. Muß es nicht einen etwas denkenden Menſchen wundern, wenn er hoͤrt, daß alle die vornehm- ſten Gattungen der Dichtkunſt, die, welche noch bis auf den heutigen Tag den ganzen Umfang menſchlicher Werke in dieſer Art zu umfaſſen ſchei- nen, gerade zu der Zeit ſind erfunden und feſtge- ſezt worden, da man am wenigſten uͤber die Na- tur dieſer Gattungen, und uͤber die Verſchieden- heiten, deren dieſelben faͤhig waͤren, nachdenken konnte? Iſt es nicht augenſcheinlich, daß dieſe verſchiedene Dichtungsarten nur ſo viel verſchie-
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Verſchiedenheiten in den Werken
ſtrakte Ideen vor den ſinnlichen und Erfahrungs-
ideen vorhergehen, je mehr der Beobachtungsgeiſt
dem Syſtem nachfolgt, und daſſelbe nur zu beſtaͤ-
tigen ſucht, deſto mehr Gleichheit unter den Be-
griffen mehrerer, die izt bloß den gemeinſchaftli-
chen Theil ihrer Faͤhigkeiten und nach einerley
Vorſchrift geuͤbt, und den eigenthuͤmlichen ver-
nachlaͤßigt haben; deſto weniger Originelles
alſo.
Und ſo finden wirs auch in der That, wenn
wir die Werke der Alten und Neuern anſehen.
Muß es nicht einen etwas denkenden Menſchen
wundern, wenn er hoͤrt, daß alle die vornehm-
ſten Gattungen der Dichtkunſt, die, welche noch
bis auf den heutigen Tag den ganzen Umfang
menſchlicher Werke in dieſer Art zu umfaſſen ſchei-
nen, gerade zu der Zeit ſind erfunden und feſtge-
ſezt worden, da man am wenigſten uͤber die Na-
tur dieſer Gattungen, und uͤber die Verſchieden-
heiten, deren dieſelben faͤhig waͤren, nachdenken
konnte? Iſt es nicht augenſcheinlich, daß dieſe
verſchiedene Dichtungsarten nur ſo viel verſchie-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/164>, abgerufen am 21.11.2024.
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