Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Verschiedenheiten in den Werken wäre es nur noch reine einfältige Unwissenheit,ein Mangel aller Kultur gewesen: so hätte sie we- nigstens die Freyheit des Menschen in den Opera- tionen seiner Sinne und seines Verstandes wie- der herstellen können. Die Gesellschaft und die Wissenschaften hätten alsdann ihre Reise wieder von vorne angefangen, und nach einer Reise ähn- licher Revolutionen wären unsere Homere oder Solons doch auch erschienen. Aber so waren es Jahrhunderte einer verkehrten ungestalten Gelehr- samkeit. Die Anhänglichkeit für das Alterthum dauerte fort, aber man kannte und verstund die- ses Alterthum nicht mehr. Als man sich nun aus dieser Dunkelheit hervorarbeitete, so hatte man die alten Muster noch immer im Gesichte. Die Erhabenheit derselben über alles, was in den spä- tern Jahrhunderten oder von andern Nationen war hervorgebracht worden, war augenscheinlich. Die Hochachtung für sie mußte ohne Gränzen seyn. Die Schwierigkeit, die es kostete, sie zu finden und zu ergänzen, und die Arbeit, die man sich machte sie zu erklären, waren sehr geschickt, Verſchiedenheiten in den Werken waͤre es nur noch reine einfaͤltige Unwiſſenheit,ein Mangel aller Kultur geweſen: ſo haͤtte ſie we- nigſtens die Freyheit des Menſchen in den Opera- tionen ſeiner Sinne und ſeines Verſtandes wie- der herſtellen koͤnnen. Die Geſellſchaft und die Wiſſenſchaften haͤtten alsdann ihre Reiſe wieder von vorne angefangen, und nach einer Reiſe aͤhn- licher Revolutionen waͤren unſere Homere oder Solons doch auch erſchienen. Aber ſo waren es Jahrhunderte einer verkehrten ungeſtalten Gelehr- ſamkeit. Die Anhaͤnglichkeit fuͤr das Alterthum dauerte fort, aber man kannte und verſtund die- ſes Alterthum nicht mehr. Als man ſich nun aus dieſer Dunkelheit hervorarbeitete, ſo hatte man die alten Muſter noch immer im Geſichte. Die Erhabenheit derſelben uͤber alles, was in den ſpaͤ- tern Jahrhunderten oder von andern Nationen war hervorgebracht worden, war augenſcheinlich. Die Hochachtung fuͤr ſie mußte ohne Graͤnzen ſeyn. Die Schwierigkeit, die es koſtete, ſie zu finden und zu ergaͤnzen, und die Arbeit, die man ſich machte ſie zu erklaͤren, waren ſehr geſchickt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0172" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verſchiedenheiten in den Werken</hi></fw><lb/> waͤre es nur noch reine einfaͤltige Unwiſſenheit,<lb/> ein Mangel aller Kultur geweſen: ſo haͤtte ſie we-<lb/> nigſtens die Freyheit des Menſchen in den Opera-<lb/> tionen ſeiner Sinne und ſeines Verſtandes wie-<lb/> der herſtellen koͤnnen. Die Geſellſchaft und die<lb/> Wiſſenſchaften haͤtten alsdann ihre Reiſe wieder<lb/> von vorne angefangen, und nach einer Reiſe aͤhn-<lb/> licher Revolutionen waͤren unſere Homere oder<lb/> Solons doch auch erſchienen. Aber ſo waren es<lb/> Jahrhunderte einer verkehrten ungeſtalten Gelehr-<lb/> ſamkeit. Die Anhaͤnglichkeit fuͤr das Alterthum<lb/> dauerte fort, aber man kannte und verſtund die-<lb/> ſes Alterthum nicht mehr. Als man ſich nun aus<lb/> dieſer Dunkelheit hervorarbeitete, ſo hatte man<lb/> die alten Muſter noch immer im Geſichte. Die<lb/> Erhabenheit derſelben uͤber alles, was in den ſpaͤ-<lb/> tern Jahrhunderten oder von andern Nationen<lb/> war hervorgebracht worden, war augenſcheinlich.<lb/> Die Hochachtung fuͤr ſie mußte ohne Graͤnzen<lb/> ſeyn. Die Schwierigkeit, die es koſtete, ſie zu<lb/> finden und zu ergaͤnzen, und die Arbeit, die man<lb/> ſich machte ſie zu erklaͤren, waren ſehr geſchickt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0172]
Verſchiedenheiten in den Werken
waͤre es nur noch reine einfaͤltige Unwiſſenheit,
ein Mangel aller Kultur geweſen: ſo haͤtte ſie we-
nigſtens die Freyheit des Menſchen in den Opera-
tionen ſeiner Sinne und ſeines Verſtandes wie-
der herſtellen koͤnnen. Die Geſellſchaft und die
Wiſſenſchaften haͤtten alsdann ihre Reiſe wieder
von vorne angefangen, und nach einer Reiſe aͤhn-
licher Revolutionen waͤren unſere Homere oder
Solons doch auch erſchienen. Aber ſo waren es
Jahrhunderte einer verkehrten ungeſtalten Gelehr-
ſamkeit. Die Anhaͤnglichkeit fuͤr das Alterthum
dauerte fort, aber man kannte und verſtund die-
ſes Alterthum nicht mehr. Als man ſich nun aus
dieſer Dunkelheit hervorarbeitete, ſo hatte man
die alten Muſter noch immer im Geſichte. Die
Erhabenheit derſelben uͤber alles, was in den ſpaͤ-
tern Jahrhunderten oder von andern Nationen
war hervorgebracht worden, war augenſcheinlich.
Die Hochachtung fuͤr ſie mußte ohne Graͤnzen
ſeyn. Die Schwierigkeit, die es koſtete, ſie zu
finden und zu ergaͤnzen, und die Arbeit, die man
ſich machte ſie zu erklaͤren, waren ſehr geſchickt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |