nem Instinkte geleitet, dieselben durch keine frey- willigen Entwürfe und Absichten in ihrer Rich- tung verändert.
Die Neuen können in den meisten Fällen nicht mehr Originale seyn, -- nicht nur weil schon so viel vor ihnen ist gesagt, schon die ersten sicht- barsten Phänomene der Natur ihnen sind wegge- nommen worden, sondern vornehmlich, weil sie sich eher mit den Beschreibungen als mit den be- schriebenen Gegenständen bekannt machen, und eher die Begriffe von den Dingen als ihre Bilder bekommen. -- Die Natur hat den Augen jedes menschlichen Geistes eine eigene Struktur gegeben, damit die Natur sich anders in ihnen abbilden soll. Aber wir verschließen sie, und lassen uns dafür erzählen, was andere vor uns gesehen haben. -- Wo wir also noch original seyn können, das ist in den feinern Beobachtungen innerer Eigenschaf- ten und Einrichtungen des menschlichen Geistes, der Denkungsart, der Sitten. -- Die Gegen- stände der Nachahmung sind weit eingeschränkter. Ein Theil ist unbekannt, ein anderer verächtlich
Verſchiedenheiten in den Werken
nem Inſtinkte geleitet, dieſelben durch keine frey- willigen Entwuͤrfe und Abſichten in ihrer Rich- tung veraͤndert.
Die Neuen koͤnnen in den meiſten Faͤllen nicht mehr Originale ſeyn, — nicht nur weil ſchon ſo viel vor ihnen iſt geſagt, ſchon die erſten ſicht- barſten Phaͤnomene der Natur ihnen ſind wegge- nommen worden, ſondern vornehmlich, weil ſie ſich eher mit den Beſchreibungen als mit den be- ſchriebenen Gegenſtaͤnden bekannt machen, und eher die Begriffe von den Dingen als ihre Bilder bekommen. — Die Natur hat den Augen jedes menſchlichen Geiſtes eine eigene Struktur gegeben, damit die Natur ſich anders in ihnen abbilden ſoll. Aber wir verſchließen ſie, und laſſen uns dafuͤr erzaͤhlen, was andere vor uns geſehen haben. — Wo wir alſo noch original ſeyn koͤnnen, das iſt in den feinern Beobachtungen innerer Eigenſchaf- ten und Einrichtungen des menſchlichen Geiſtes, der Denkungsart, der Sitten. — Die Gegen- ſtaͤnde der Nachahmung ſind weit eingeſchraͤnkter. Ein Theil iſt unbekannt, ein anderer veraͤchtlich
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Verſchiedenheiten in den Werken
nem Inſtinkte geleitet, dieſelben durch keine frey-
willigen Entwuͤrfe und Abſichten in ihrer Rich-
tung veraͤndert.
Die Neuen koͤnnen in den meiſten Faͤllen nicht
mehr Originale ſeyn, — nicht nur weil ſchon
ſo viel vor ihnen iſt geſagt, ſchon die erſten ſicht-
barſten Phaͤnomene der Natur ihnen ſind wegge-
nommen worden, ſondern vornehmlich, weil ſie
ſich eher mit den Beſchreibungen als mit den be-
ſchriebenen Gegenſtaͤnden bekannt machen, und
eher die Begriffe von den Dingen als ihre Bilder
bekommen. — Die Natur hat den Augen jedes
menſchlichen Geiſtes eine eigene Struktur gegeben,
damit die Natur ſich anders in ihnen abbilden ſoll.
Aber wir verſchließen ſie, und laſſen uns dafuͤr
erzaͤhlen, was andere vor uns geſehen haben. —
Wo wir alſo noch original ſeyn koͤnnen, das iſt
in den feinern Beobachtungen innerer Eigenſchaf-
ten und Einrichtungen des menſchlichen Geiſtes,
der Denkungsart, der Sitten. — Die Gegen-
ſtaͤnde der Nachahmung ſind weit eingeſchraͤnkter.
Ein Theil iſt unbekannt, ein anderer veraͤchtlich
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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