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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Anmerkungen über Gellerts Moral,

Und in der That hat bey den wirklich großen
Geistern diese erste Erziehung weit weniger Ein-
fluß, als bey den übrigen. Eben weil sie eine ei-
genthümliche Form haben, so haftet die fremde
schlechtere nicht, die man ihnen aufdrücken will,
oder sie wird zu einer gewissen Zeit wieder abge-
worfen.

Fast alle Menschen einer höhern Klasse erin-
nern sich eines gewissen Zeitpunkts in ihrem Leben,
in welchem sich ihre Denkungsart, ihr Charakter,
ihre Schreibart ausnehmend geändert habe.
Gellert wußte einen solchen Zeitpunkt. Vielleicht
würde also zu der Absicht, die wir haben, eine
vollständigere Geschichte seiner ersten Studien un-
brauchbar seyn.

So viel können wir aus der Vergleichung
dessen, was er geworden ist, mit den Umständen,
in denen er sich zuerst befunden hat, errathen,
daß die Vorsehung alles darauf angelegt habe,
einen wirklich großen emporstrebenden Geist auf
gewisse Weise niederzuhalten, um ihn gemeinnützi-
ger zu machen. Man stelle sich einen fähigen

Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,

Und in der That hat bey den wirklich großen
Geiſtern dieſe erſte Erziehung weit weniger Ein-
fluß, als bey den uͤbrigen. Eben weil ſie eine ei-
genthuͤmliche Form haben, ſo haftet die fremde
ſchlechtere nicht, die man ihnen aufdruͤcken will,
oder ſie wird zu einer gewiſſen Zeit wieder abge-
worfen.

Faſt alle Menſchen einer hoͤhern Klaſſe erin-
nern ſich eines gewiſſen Zeitpunkts in ihrem Leben,
in welchem ſich ihre Denkungsart, ihr Charakter,
ihre Schreibart ausnehmend geaͤndert habe.
Gellert wußte einen ſolchen Zeitpunkt. Vielleicht
wuͤrde alſo zu der Abſicht, die wir haben, eine
vollſtaͤndigere Geſchichte ſeiner erſten Studien un-
brauchbar ſeyn.

So viel koͤnnen wir aus der Vergleichung
deſſen, was er geworden iſt, mit den Umſtaͤnden,
in denen er ſich zuerſt befunden hat, errathen,
daß die Vorſehung alles darauf angelegt habe,
einen wirklich großen emporſtrebenden Geiſt auf
gewiſſe Weiſe niederzuhalten, um ihn gemeinnuͤtzi-
ger zu machen. Man ſtelle ſich einen faͤhigen

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[218/0224] Anmerkungen uͤber Gellerts Moral, Und in der That hat bey den wirklich großen Geiſtern dieſe erſte Erziehung weit weniger Ein- fluß, als bey den uͤbrigen. Eben weil ſie eine ei- genthuͤmliche Form haben, ſo haftet die fremde ſchlechtere nicht, die man ihnen aufdruͤcken will, oder ſie wird zu einer gewiſſen Zeit wieder abge- worfen. Faſt alle Menſchen einer hoͤhern Klaſſe erin- nern ſich eines gewiſſen Zeitpunkts in ihrem Leben, in welchem ſich ihre Denkungsart, ihr Charakter, ihre Schreibart ausnehmend geaͤndert habe. Gellert wußte einen ſolchen Zeitpunkt. Vielleicht wuͤrde alſo zu der Abſicht, die wir haben, eine vollſtaͤndigere Geſchichte ſeiner erſten Studien un- brauchbar ſeyn. So viel koͤnnen wir aus der Vergleichung deſſen, was er geworden iſt, mit den Umſtaͤnden, in denen er ſich zuerſt befunden hat, errathen, daß die Vorſehung alles darauf angelegt habe, einen wirklich großen emporſtrebenden Geiſt auf gewiſſe Weiſe niederzuhalten, um ihn gemeinnuͤtzi- ger zu machen. Man ſtelle ſich einen faͤhigen

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/224>, abgerufen am 24.11.2024.