Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Anmerkungen über Gellerts Moral,
den muß, sich aus dem Niedrigen und dem Ge-
meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch diese
Verbindung seiner eignen Vortrefflichkeit mit den
Mängeln seiner Lehrer und seiner Zeit, diejenige
Leichtigkeit, Verständlichkeit, Simplicität hervor-
gebracht, die Gellerts Werke fast von allen nach-
solgenden unterscheiden.

Das einzige Hülfsmittel, von welchem wir
deutlich sehen, daß die Vorsehung es gebraucht
hat, die Anlagen, die in seinem Geiste waren,
auszuführen, sind die Freunde, die sie ihm in
Leipzig zuführte, und mit denen er zugleich Mann
und Schriftsteller wurde. Es ist merkwürdig, daß
fast unter allen Nationen sich die guten Köpfe in
Einem Zeitpunkte zusammengefunden haben. Gel-
lert wußte, was er diesen Freunden schuldig war.
Er erinnerte sich mit Dankbarkeit und Vergnügen
an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt
worden, an die Schüchternheit, mit welcher er
ihnen seine Sachen vorgelegt, und an den kleinen
Stolz, mit welchem ihr sparsames Lob ihn erfüllt
hatte.

Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
den muß, ſich aus dem Niedrigen und dem Ge-
meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch dieſe
Verbindung ſeiner eignen Vortrefflichkeit mit den
Maͤngeln ſeiner Lehrer und ſeiner Zeit, diejenige
Leichtigkeit, Verſtaͤndlichkeit, Simplicitaͤt hervor-
gebracht, die Gellerts Werke faſt von allen nach-
ſolgenden unterſcheiden.

Das einzige Huͤlfsmittel, von welchem wir
deutlich ſehen, daß die Vorſehung es gebraucht
hat, die Anlagen, die in ſeinem Geiſte waren,
auszufuͤhren, ſind die Freunde, die ſie ihm in
Leipzig zufuͤhrte, und mit denen er zugleich Mann
und Schriftſteller wurde. Es iſt merkwuͤrdig, daß
faſt unter allen Nationen ſich die guten Koͤpfe in
Einem Zeitpunkte zuſammengefunden haben. Gel-
lert wußte, was er dieſen Freunden ſchuldig war.
Er erinnerte ſich mit Dankbarkeit und Vergnuͤgen
an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt
worden, an die Schuͤchternheit, mit welcher er
ihnen ſeine Sachen vorgelegt, und an den kleinen
Stolz, mit welchem ihr ſparſames Lob ihn erfuͤllt
hatte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="222"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anmerkungen u&#x0364;ber Gellerts Moral,</hi></fw><lb/>
den muß, &#x017F;ich aus dem Niedrigen und dem Ge-<lb/>
meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch die&#x017F;e<lb/>
Verbindung &#x017F;einer eignen Vortrefflichkeit mit den<lb/>
Ma&#x0364;ngeln &#x017F;einer Lehrer und &#x017F;einer Zeit, diejenige<lb/>
Leichtigkeit, Ver&#x017F;ta&#x0364;ndlichkeit, Simplicita&#x0364;t hervor-<lb/>
gebracht, die Gellerts Werke fa&#x017F;t von allen nach-<lb/>
&#x017F;olgenden unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
        <p>Das einzige Hu&#x0364;lfsmittel, von welchem wir<lb/>
deutlich &#x017F;ehen, daß die Vor&#x017F;ehung es gebraucht<lb/>
hat, die Anlagen, die in &#x017F;einem Gei&#x017F;te waren,<lb/>
auszufu&#x0364;hren, &#x017F;ind die Freunde, die &#x017F;ie ihm in<lb/>
Leipzig zufu&#x0364;hrte, und mit denen er zugleich Mann<lb/>
und Schrift&#x017F;teller wurde. Es i&#x017F;t merkwu&#x0364;rdig, daß<lb/>
fa&#x017F;t unter allen Nationen &#x017F;ich die guten Ko&#x0364;pfe in<lb/>
Einem Zeitpunkte zu&#x017F;ammengefunden haben. Gel-<lb/>
lert wußte, was er die&#x017F;en Freunden &#x017F;chuldig war.<lb/>
Er erinnerte &#x017F;ich mit Dankbarkeit und Vergnu&#x0364;gen<lb/>
an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt<lb/>
worden, an die Schu&#x0364;chternheit, mit welcher er<lb/>
ihnen &#x017F;eine Sachen vorgelegt, und an den kleinen<lb/>
Stolz, mit welchem ihr &#x017F;par&#x017F;ames Lob ihn erfu&#x0364;llt<lb/>
hatte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0228] Anmerkungen uͤber Gellerts Moral, den muß, ſich aus dem Niedrigen und dem Ge- meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch dieſe Verbindung ſeiner eignen Vortrefflichkeit mit den Maͤngeln ſeiner Lehrer und ſeiner Zeit, diejenige Leichtigkeit, Verſtaͤndlichkeit, Simplicitaͤt hervor- gebracht, die Gellerts Werke faſt von allen nach- ſolgenden unterſcheiden. Das einzige Huͤlfsmittel, von welchem wir deutlich ſehen, daß die Vorſehung es gebraucht hat, die Anlagen, die in ſeinem Geiſte waren, auszufuͤhren, ſind die Freunde, die ſie ihm in Leipzig zufuͤhrte, und mit denen er zugleich Mann und Schriftſteller wurde. Es iſt merkwuͤrdig, daß faſt unter allen Nationen ſich die guten Koͤpfe in Einem Zeitpunkte zuſammengefunden haben. Gel- lert wußte, was er dieſen Freunden ſchuldig war. Er erinnerte ſich mit Dankbarkeit und Vergnuͤgen an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt worden, an die Schuͤchternheit, mit welcher er ihnen ſeine Sachen vorgelegt, und an den kleinen Stolz, mit welchem ihr ſparſames Lob ihn erfuͤllt hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/228
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/228>, abgerufen am 21.11.2024.