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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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dessen Schriften und Charakter.
Fällen, als Tiefsinn zu allgemeinen Theorien be-
sitzen; er mußte weniger Feuer in seiner Einbil-
dungskraft, als Richtigkeit haben; er mußte in
den Sachen mehr das Offenbare und Gemein-
nützige ins Licht zu setzen, als das Versteckte und
weniger Brauchbare zu finden wissen; sein Witz
mußte nicht sowohl durch die Neuheit und das
Außerordentliche seiner Verknüpfungen, als durch
ihre in die Augen fallende Wahrheit gefallen.

Weit mehr Stoff zu seinen Erkenntnissen
hatte Gellerten die eigene Beschäfftigung seines
Verstandes an den Dingen und Begebenheiten
selbst verschafft, als das Lesen und der Unterricht;
weit mehr Begriffe scheint er von der innern Em-
pfindlichkeit seines Herzens, als von der Schärfe
seiner äußern Sinne bekommen zu haben. Er
hatte für keine der Künste, deren Schönheiten
durch die letztern beurtheilt werden, einen ent-
schiedenen und sichern Geschmack. Aber das mo-
ralisch Gute und Böse in sich und in andern zu
erkennen, dazu hatte er ein feines Unterscheidungs-
vermögen und ein sicheres Gefühl. Er war ein

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deſſen Schriften und Charakter.
Faͤllen, als Tiefſinn zu allgemeinen Theorien be-
ſitzen; er mußte weniger Feuer in ſeiner Einbil-
dungskraft, als Richtigkeit haben; er mußte in
den Sachen mehr das Offenbare und Gemein-
nuͤtzige ins Licht zu ſetzen, als das Verſteckte und
weniger Brauchbare zu finden wiſſen; ſein Witz
mußte nicht ſowohl durch die Neuheit und das
Außerordentliche ſeiner Verknuͤpfungen, als durch
ihre in die Augen fallende Wahrheit gefallen.

Weit mehr Stoff zu ſeinen Erkenntniſſen
hatte Gellerten die eigene Beſchaͤfftigung ſeines
Verſtandes an den Dingen und Begebenheiten
ſelbſt verſchafft, als das Leſen und der Unterricht;
weit mehr Begriffe ſcheint er von der innern Em-
pfindlichkeit ſeines Herzens, als von der Schaͤrfe
ſeiner aͤußern Sinne bekommen zu haben. Er
hatte fuͤr keine der Kuͤnſte, deren Schoͤnheiten
durch die letztern beurtheilt werden, einen ent-
ſchiedenen und ſichern Geſchmack. Aber das mo-
raliſch Gute und Boͤſe in ſich und in andern zu
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[225/0231] deſſen Schriften und Charakter. Faͤllen, als Tiefſinn zu allgemeinen Theorien be- ſitzen; er mußte weniger Feuer in ſeiner Einbil- dungskraft, als Richtigkeit haben; er mußte in den Sachen mehr das Offenbare und Gemein- nuͤtzige ins Licht zu ſetzen, als das Verſteckte und weniger Brauchbare zu finden wiſſen; ſein Witz mußte nicht ſowohl durch die Neuheit und das Außerordentliche ſeiner Verknuͤpfungen, als durch ihre in die Augen fallende Wahrheit gefallen. Weit mehr Stoff zu ſeinen Erkenntniſſen hatte Gellerten die eigene Beſchaͤfftigung ſeines Verſtandes an den Dingen und Begebenheiten ſelbſt verſchafft, als das Leſen und der Unterricht; weit mehr Begriffe ſcheint er von der innern Em- pfindlichkeit ſeines Herzens, als von der Schaͤrfe ſeiner aͤußern Sinne bekommen zu haben. Er hatte fuͤr keine der Kuͤnſte, deren Schoͤnheiten durch die letztern beurtheilt werden, einen ent- ſchiedenen und ſichern Geſchmack. Aber das mo- raliſch Gute und Boͤſe in ſich und in andern zu erkennen, dazu hatte er ein feines Unterſcheidungs- vermoͤgen und ein ſicheres Gefuͤhl. Er war ein P

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/231>, abgerufen am 21.11.2024.