Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige Gedanken
süße Gefühl des Gegenwärtigen gemäßigt werden;
und mein Herz wird für die leztern starken Ein-
drücke, die er für dasselbe bestimmt, nur desto mehr
geöfnet seyn.

Wir kehren von dieser kleinen Ausschweifung
wieder zurück. -- Wir müssen also erst erklären,
wie gewisse Ideen eine nähere Beziehung auf die
Umstände des Menschen bekommen, und dann,
auf wie vielerley Art solche Beziehungen formirt
werden können.

Man erfährt dieß schon in dem Vortrage der
abstrakten Wissenschaften. Wenn jemand einen
Lehrer oder Schriftsteller über Materien hört oder
liest, über welche er selbst noch niemals nachzu-
denken veranlaßt worden: so muß es bloß die
Deutlichkeit und Evidenz der Sachen, die ihm
vorgetragen werden, und seine eigne Lust zu der
Wissenschaft seyn, die ihn für das, was er hört,
einnehmen, und eine gewisse Theilnehmung an de-
nen Untersuchungen, welche angestellt werden, be-
wirken kann. Und auch alsdann ist es doch bey-
nahe gewiß, daß er vieles vorbeylassen wird, was
ihm gleichgültig scheint, ob es gleich unmittelbar

Einige Gedanken
ſuͤße Gefuͤhl des Gegenwaͤrtigen gemaͤßigt werden;
und mein Herz wird fuͤr die leztern ſtarken Ein-
druͤcke, die er fuͤr daſſelbe beſtimmt, nur deſto mehr
geoͤfnet ſeyn.

Wir kehren von dieſer kleinen Ausſchweifung
wieder zuruͤck. — Wir muͤſſen alſo erſt erklaͤren,
wie gewiſſe Ideen eine naͤhere Beziehung auf die
Umſtaͤnde des Menſchen bekommen, und dann,
auf wie vielerley Art ſolche Beziehungen formirt
werden koͤnnen.

Man erfaͤhrt dieß ſchon in dem Vortrage der
abſtrakten Wiſſenſchaften. Wenn jemand einen
Lehrer oder Schriftſteller uͤber Materien hoͤrt oder
lieſt, uͤber welche er ſelbſt noch niemals nachzu-
denken veranlaßt worden: ſo muß es bloß die
Deutlichkeit und Evidenz der Sachen, die ihm
vorgetragen werden, und ſeine eigne Luſt zu der
Wiſſenſchaft ſeyn, die ihn fuͤr das, was er hoͤrt,
einnehmen, und eine gewiſſe Theilnehmung an de-
nen Unterſuchungen, welche angeſtellt werden, be-
wirken kann. Und auch alsdann iſt es doch bey-
nahe gewiß, daß er vieles vorbeylaſſen wird, was
ihm gleichguͤltig ſcheint, ob es gleich unmittelbar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/>
&#x017F;u&#x0364;ße Gefu&#x0364;hl des Gegenwa&#x0364;rtigen gema&#x0364;ßigt werden;<lb/>
und mein Herz wird fu&#x0364;r die leztern &#x017F;tarken Ein-<lb/>
dru&#x0364;cke, die er fu&#x0364;r da&#x017F;&#x017F;elbe be&#x017F;timmt, nur de&#x017F;to mehr<lb/>
geo&#x0364;fnet &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Wir kehren von die&#x017F;er kleinen Aus&#x017F;chweifung<lb/>
wieder zuru&#x0364;ck. &#x2014; Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en al&#x017F;o er&#x017F;t erkla&#x0364;ren,<lb/>
wie gewi&#x017F;&#x017F;e Ideen eine na&#x0364;here Beziehung auf die<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde des Men&#x017F;chen bekommen, und dann,<lb/>
auf wie vielerley Art &#x017F;olche Beziehungen formirt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Man erfa&#x0364;hrt dieß &#x017F;chon in dem Vortrage der<lb/>
ab&#x017F;trakten Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. Wenn jemand einen<lb/>
Lehrer oder Schrift&#x017F;teller u&#x0364;ber Materien ho&#x0364;rt oder<lb/>
lie&#x017F;t, u&#x0364;ber welche er &#x017F;elb&#x017F;t noch niemals nachzu-<lb/>
denken veranlaßt worden: &#x017F;o muß es bloß die<lb/>
Deutlichkeit und Evidenz der Sachen, die ihm<lb/>
vorgetragen werden, und &#x017F;eine eigne Lu&#x017F;t zu der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;eyn, die ihn fu&#x0364;r das, was er ho&#x0364;rt,<lb/>
einnehmen, und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Theilnehmung an de-<lb/>
nen Unter&#x017F;uchungen, welche ange&#x017F;tellt werden, be-<lb/>
wirken kann. Und auch alsdann i&#x017F;t es doch bey-<lb/>
nahe gewiß, daß er vieles vorbeyla&#x017F;&#x017F;en wird, was<lb/>
ihm gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;cheint, ob es gleich unmittelbar<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0272] Einige Gedanken ſuͤße Gefuͤhl des Gegenwaͤrtigen gemaͤßigt werden; und mein Herz wird fuͤr die leztern ſtarken Ein- druͤcke, die er fuͤr daſſelbe beſtimmt, nur deſto mehr geoͤfnet ſeyn. Wir kehren von dieſer kleinen Ausſchweifung wieder zuruͤck. — Wir muͤſſen alſo erſt erklaͤren, wie gewiſſe Ideen eine naͤhere Beziehung auf die Umſtaͤnde des Menſchen bekommen, und dann, auf wie vielerley Art ſolche Beziehungen formirt werden koͤnnen. Man erfaͤhrt dieß ſchon in dem Vortrage der abſtrakten Wiſſenſchaften. Wenn jemand einen Lehrer oder Schriftſteller uͤber Materien hoͤrt oder lieſt, uͤber welche er ſelbſt noch niemals nachzu- denken veranlaßt worden: ſo muß es bloß die Deutlichkeit und Evidenz der Sachen, die ihm vorgetragen werden, und ſeine eigne Luſt zu der Wiſſenſchaft ſeyn, die ihn fuͤr das, was er hoͤrt, einnehmen, und eine gewiſſe Theilnehmung an de- nen Unterſuchungen, welche angeſtellt werden, be- wirken kann. Und auch alsdann iſt es doch bey- nahe gewiß, daß er vieles vorbeylaſſen wird, was ihm gleichguͤltig ſcheint, ob es gleich unmittelbar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/272
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/272>, abgerufen am 24.11.2024.