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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
von dem, was in demselben vorgeht. -- Ueber-
dieß, die Nachrichten, die uns alte oder entfernte
Menschen bekannt machen sollen, wie weit können
diese wohl reichen? Die Griechen und Römer sind
gewiß die beiden Nationen, die wir aus dem Al-
terthume am besten kennen. Und doch, wie weit
ist der Begriff, den wir von der Verfassung und
der Lebensart der Einwohner zu Rom und zu
Athen haben, von einem sinnlichen Anschauen
unterschieden? Wie viele Lücken sind nicht in den
vollständigsten Nachrichten, wie viel Umstände,
die kaum unsre Vernunft mit einander vereinigen
kann, und aus denen noch weniger unsre Einbil-
dungskraft ein Ganzes zu machen weiß? Es sind
immer nur einige wenige Bestandtheile aus der
unendlichen Zusammensetzung der damaligen Na-
tur, nur einige zerrißne Glieder aus der Kette ih-
rer Veränderungen. Wir zwingen diese Theile
zusammen, wir hängen diese Glieder, so gut wir
können, an einander; aber wir fühlen doch, daß
wir nicht die wahre Gestalt, nicht den ganzen
Körper der Natur wieder herausbringen. -- Wie

Einige Gedanken
von dem, was in demſelben vorgeht. — Ueber-
dieß, die Nachrichten, die uns alte oder entfernte
Menſchen bekannt machen ſollen, wie weit koͤnnen
dieſe wohl reichen? Die Griechen und Roͤmer ſind
gewiß die beiden Nationen, die wir aus dem Al-
terthume am beſten kennen. Und doch, wie weit
iſt der Begriff, den wir von der Verfaſſung und
der Lebensart der Einwohner zu Rom und zu
Athen haben, von einem ſinnlichen Anſchauen
unterſchieden? Wie viele Luͤcken ſind nicht in den
vollſtaͤndigſten Nachrichten, wie viel Umſtaͤnde,
die kaum unſre Vernunft mit einander vereinigen
kann, und aus denen noch weniger unſre Einbil-
dungskraft ein Ganzes zu machen weiß? Es ſind
immer nur einige wenige Beſtandtheile aus der
unendlichen Zuſammenſetzung der damaligen Na-
tur, nur einige zerrißne Glieder aus der Kette ih-
rer Veraͤnderungen. Wir zwingen dieſe Theile
zuſammen, wir haͤngen dieſe Glieder, ſo gut wir
koͤnnen, an einander; aber wir fuͤhlen doch, daß
wir nicht die wahre Geſtalt, nicht den ganzen
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[286/0292] Einige Gedanken von dem, was in demſelben vorgeht. — Ueber- dieß, die Nachrichten, die uns alte oder entfernte Menſchen bekannt machen ſollen, wie weit koͤnnen dieſe wohl reichen? Die Griechen und Roͤmer ſind gewiß die beiden Nationen, die wir aus dem Al- terthume am beſten kennen. Und doch, wie weit iſt der Begriff, den wir von der Verfaſſung und der Lebensart der Einwohner zu Rom und zu Athen haben, von einem ſinnlichen Anſchauen unterſchieden? Wie viele Luͤcken ſind nicht in den vollſtaͤndigſten Nachrichten, wie viel Umſtaͤnde, die kaum unſre Vernunft mit einander vereinigen kann, und aus denen noch weniger unſre Einbil- dungskraft ein Ganzes zu machen weiß? Es ſind immer nur einige wenige Beſtandtheile aus der unendlichen Zuſammenſetzung der damaligen Na- tur, nur einige zerrißne Glieder aus der Kette ih- rer Veraͤnderungen. Wir zwingen dieſe Theile zuſammen, wir haͤngen dieſe Glieder, ſo gut wir koͤnnen, an einander; aber wir fuͤhlen doch, daß wir nicht die wahre Geſtalt, nicht den ganzen Koͤrper der Natur wieder herausbringen. — Wie

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/292>, abgerufen am 23.11.2024.