Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.über das Interessirende. erträglich, und Geßner ihm stuff scheinen könne.So sehr hängt der Eindruck der Sachen von dem Eindrucke der Schreibart ab, in der sie gesagt werden. In ihr liegen die Fehler, die uns am ersten und am meisten beleidigen, und von ihr kommen die Schönheiten, die uns allenthalben durchs ganze Werk reizen. Ein vernachläßigter Ausdruck zieht über das beste Werk einen Flor, der die Schönheiten desselben einem gemeinen Auge ganz unsichtbar, und auch einem scharfen und ge- übten unkenntlich macht. Dürfen wir uns nun wohl noch wundern, warum der große Haufe un- srer Nation sich so wenig für unsre guten Köpfe und Schriften interessirt, da unter diesen guten Köpfen so viele sind, die ihre Gedanken nur halb auszudrücken wissen; da die Kunst zu schreiben, die bey den Franzosen und Engländern auch man- cher mittelmäßiger und schlechter Schriftsteller be- sizt, bey uns nicht einmal allen unsern guten Schriftstellern eigen ist; da die meisten unsrer Leute von Genie entweder diesseits der Vollkom- menheit in Absicht der Schreibart stehen bleiben, U 4
uͤber das Intereſſirende. ertraͤglich, und Geßner ihm ſtuff ſcheinen koͤnne.So ſehr haͤngt der Eindruck der Sachen von dem Eindrucke der Schreibart ab, in der ſie geſagt werden. In ihr liegen die Fehler, die uns am erſten und am meiſten beleidigen, und von ihr kommen die Schoͤnheiten, die uns allenthalben durchs ganze Werk reizen. Ein vernachlaͤßigter Ausdruck zieht uͤber das beſte Werk einen Flor, der die Schoͤnheiten deſſelben einem gemeinen Auge ganz unſichtbar, und auch einem ſcharfen und ge- uͤbten unkenntlich macht. Duͤrfen wir uns nun wohl noch wundern, warum der große Haufe un- ſrer Nation ſich ſo wenig fuͤr unſre guten Koͤpfe und Schriften intereſſirt, da unter dieſen guten Koͤpfen ſo viele ſind, die ihre Gedanken nur halb auszudruͤcken wiſſen; da die Kunſt zu ſchreiben, die bey den Franzoſen und Englaͤndern auch man- cher mittelmaͤßiger und ſchlechter Schriftſteller be- ſizt, bey uns nicht einmal allen unſern guten Schriftſtellern eigen iſt; da die meiſten unſrer Leute von Genie entweder dieſſeits der Vollkom- menheit in Abſicht der Schreibart ſtehen bleiben, U 4
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uͤber das Intereſſirende.
ertraͤglich, und Geßner ihm ſtuff ſcheinen koͤnne.
So ſehr haͤngt der Eindruck der Sachen von dem
Eindrucke der Schreibart ab, in der ſie geſagt
werden. In ihr liegen die Fehler, die uns am
erſten und am meiſten beleidigen, und von ihr
kommen die Schoͤnheiten, die uns allenthalben
durchs ganze Werk reizen. Ein vernachlaͤßigter
Ausdruck zieht uͤber das beſte Werk einen Flor, der
die Schoͤnheiten deſſelben einem gemeinen Auge
ganz unſichtbar, und auch einem ſcharfen und ge-
uͤbten unkenntlich macht. Duͤrfen wir uns nun
wohl noch wundern, warum der große Haufe un-
ſrer Nation ſich ſo wenig fuͤr unſre guten Koͤpfe
und Schriften intereſſirt, da unter dieſen guten
Koͤpfen ſo viele ſind, die ihre Gedanken nur halb
auszudruͤcken wiſſen; da die Kunſt zu ſchreiben,
die bey den Franzoſen und Englaͤndern auch man-
cher mittelmaͤßiger und ſchlechter Schriftſteller be-
ſizt, bey uns nicht einmal allen unſern guten
Schriftſtellern eigen iſt; da die meiſten unſrer
Leute von Genie entweder dieſſeits der Vollkom-
menheit in Abſicht der Schreibart ſtehen bleiben,
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