Wenn man die alten und neuen Trauerspie- le in seinen Gedanken durchläuft, so wird man, glauben wir, zwo Leidenschaften am öftersten in ihnen vorkommen sehen: Rachsucht und Liebe. Rache, oder die Ahndung einer empfangnen Be- leidigung, ist oft der Stoff des heroischen Trauer- spiels, und ist den Dichtern am meisten eigen, welche nach Erhabenheit streben; Liebe ist gemei- niglich der Stoff des wehmüthigen Trauer- spiels, und ist die Lieblingsmaterie der Dich- ter, welche mehr Empfindlichkeit des Herzens haben.
Diese Einförmigkeit wird uns weniger be- fremden, wenn wir bedenken, daß es nur zwo Leidenschaften zu schildern geben kann, solche, die aus der Freude und dem Wohlgefallen, und sol- che, welche aus dem Mißfallen entstehen. Rührt nun diese Freude oder dieser Verdruß von den menschlichen Handlungen her, sind es die gesell- schaftlichen Verhältnisse, durch welche diese Lei- denschaften erregt werden, so werden sie fast al- lemal in Liebe oder in Zorn ausschlagen.
uͤber das Intereſſirende.
Wenn man die alten und neuen Trauerſpie- le in ſeinen Gedanken durchlaͤuft, ſo wird man, glauben wir, zwo Leidenſchaften am oͤfterſten in ihnen vorkommen ſehen: Rachſucht und Liebe. Rache, oder die Ahndung einer empfangnen Be- leidigung, iſt oft der Stoff des heroiſchen Trauer- ſpiels, und iſt den Dichtern am meiſten eigen, welche nach Erhabenheit ſtreben; Liebe iſt gemei- niglich der Stoff des wehmuͤthigen Trauer- ſpiels, und iſt die Lieblingsmaterie der Dich- ter, welche mehr Empfindlichkeit des Herzens haben.
Dieſe Einfoͤrmigkeit wird uns weniger be- fremden, wenn wir bedenken, daß es nur zwo Leidenſchaften zu ſchildern geben kann, ſolche, die aus der Freude und dem Wohlgefallen, und ſol- che, welche aus dem Mißfallen entſtehen. Ruͤhrt nun dieſe Freude oder dieſer Verdruß von den menſchlichen Handlungen her, ſind es die geſell- ſchaftlichen Verhaͤltniſſe, durch welche dieſe Lei- denſchaften erregt werden, ſo werden ſie faſt al- lemal in Liebe oder in Zorn ausſchlagen.
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uͤber das Intereſſirende.
Wenn man die alten und neuen Trauerſpie-
le in ſeinen Gedanken durchlaͤuft, ſo wird man,
glauben wir, zwo Leidenſchaften am oͤfterſten in
ihnen vorkommen ſehen: Rachſucht und Liebe.
Rache, oder die Ahndung einer empfangnen Be-
leidigung, iſt oft der Stoff des heroiſchen Trauer-
ſpiels, und iſt den Dichtern am meiſten eigen,
welche nach Erhabenheit ſtreben; Liebe iſt gemei-
niglich der Stoff des wehmuͤthigen Trauer-
ſpiels, und iſt die Lieblingsmaterie der Dich-
ter, welche mehr Empfindlichkeit des Herzens
haben.
Dieſe Einfoͤrmigkeit wird uns weniger be-
fremden, wenn wir bedenken, daß es nur zwo
Leidenſchaften zu ſchildern geben kann, ſolche, die
aus der Freude und dem Wohlgefallen, und ſol-
che, welche aus dem Mißfallen entſtehen. Ruͤhrt
nun dieſe Freude oder dieſer Verdruß von den
menſchlichen Handlungen her, ſind es die geſell-
ſchaftlichen Verhaͤltniſſe, durch welche dieſe Lei-
denſchaften erregt werden, ſo werden ſie faſt al-
lemal in Liebe oder in Zorn ausſchlagen.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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