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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
sichtbare Triebfeder der Handlung, oder als
das sichtbare Original des Gemäldes. Was
aber bloß in den Sitten unsrer Zeit liegt, daß
beyde Geschlechter auch vor der Ehe freyer mit
einander umgehen können; daß der Jüngling
und die Braut auf gleiche Weise ihre Neigung
gestehen dürfen; daß es einen so häufigen Kampf
der Leidenschaft der jungen Personen mit dem
Interesse der Alten und ihrer Familien giebt;
daß dieser Streit von beyden Seiten durch ge-
genseitig gemachte Entwürfe geführt wird, wor-
aus eigentlich die Intrigue entsteht: dieß hat
auch unserm Theater und unsern Romanen eine
besondre Art von Liebeshändeln gegeben, von
denen die Alten wenig wußten.

Eine Leidenschaft giebt es, in welcher sich
diese beiden, Liebe und Zorn, mit einander ver-
einigen; keine ist auch deswegen öfter geschildert
worden, in keiner haben die Dichter ein größer
Feld gefunden, ihre Einsicht in die Führung der
Leidenschaften zu zeigen. Diese Leidenschaft ist
die Eifersucht. Die Medea, der Othello und

Einige Gedanken
ſichtbare Triebfeder der Handlung, oder als
das ſichtbare Original des Gemaͤldes. Was
aber bloß in den Sitten unſrer Zeit liegt, daß
beyde Geſchlechter auch vor der Ehe freyer mit
einander umgehen koͤnnen; daß der Juͤngling
und die Braut auf gleiche Weiſe ihre Neigung
geſtehen duͤrfen; daß es einen ſo haͤufigen Kampf
der Leidenſchaft der jungen Perſonen mit dem
Intereſſe der Alten und ihrer Familien giebt;
daß dieſer Streit von beyden Seiten durch ge-
genſeitig gemachte Entwuͤrfe gefuͤhrt wird, wor-
aus eigentlich die Intrigue entſteht: dieß hat
auch unſerm Theater und unſern Romanen eine
beſondre Art von Liebeshaͤndeln gegeben, von
denen die Alten wenig wußten.

Eine Leidenſchaft giebt es, in welcher ſich
dieſe beiden, Liebe und Zorn, mit einander ver-
einigen; keine iſt auch deswegen oͤfter geſchildert
worden, in keiner haben die Dichter ein groͤßer
Feld gefunden, ihre Einſicht in die Fuͤhrung der
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[338/0344] Einige Gedanken ſichtbare Triebfeder der Handlung, oder als das ſichtbare Original des Gemaͤldes. Was aber bloß in den Sitten unſrer Zeit liegt, daß beyde Geſchlechter auch vor der Ehe freyer mit einander umgehen koͤnnen; daß der Juͤngling und die Braut auf gleiche Weiſe ihre Neigung geſtehen duͤrfen; daß es einen ſo haͤufigen Kampf der Leidenſchaft der jungen Perſonen mit dem Intereſſe der Alten und ihrer Familien giebt; daß dieſer Streit von beyden Seiten durch ge- genſeitig gemachte Entwuͤrfe gefuͤhrt wird, wor- aus eigentlich die Intrigue entſteht: dieß hat auch unſerm Theater und unſern Romanen eine beſondre Art von Liebeshaͤndeln gegeben, von denen die Alten wenig wußten. Eine Leidenſchaft giebt es, in welcher ſich dieſe beiden, Liebe und Zorn, mit einander ver- einigen; keine iſt auch deswegen oͤfter geſchildert worden, in keiner haben die Dichter ein groͤßer Feld gefunden, ihre Einſicht in die Fuͤhrung der Leidenſchaften zu zeigen. Dieſe Leidenſchaft iſt die Eiferſucht. Die Medea, der Othello und

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/344>, abgerufen am 21.11.2024.