Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken das nahe Bild der Glückseligkeit, welches dasGemälde des Unglücks noch schwärzer machte; die Begierden entbrannten zu eben der Zeit hefti- ger, da sie ihren Gegenstand unwiederbringlich verloren sahen: hier giebt die Gewalt, mit wel- cher der Mensch seinem Unglück entgegengearbei- tet hat, und die gegen ihn selbst gekehrt wird, auch dem darauf folgenden Schmerz eine größre Heftigkeit. Ein lange zuvorgesehenes Unglück, zu dessen Abwendung man nichts gethan hat und nichts hat thun können, kann sehr schmerz- lich seyn, aber zu gewaltsamen Entschlüssen wird es selten bringen; das Gemüth bleibt in seiner Lage, obgleich diese Lage traurig ist. Aber wann der Mensch schon vorher, und mit einiger Hoff- nung, nach einem Ziele gerungen, wann er Vor- kehrungen gegen das Unglück gemacht, Helfer herbeygerufen, alle seine Einsichten und seine Kräfte aufgeboten hat: dann ist schon ohnedieß die Seele in einer lebhaften Bewegung; und wann also mitten in diesem Sturme ein unglück- licher Streich seine Bemühungen vernichtet, dann Einige Gedanken das nahe Bild der Gluͤckſeligkeit, welches dasGemaͤlde des Ungluͤcks noch ſchwaͤrzer machte; die Begierden entbrannten zu eben der Zeit hefti- ger, da ſie ihren Gegenſtand unwiederbringlich verloren ſahen: hier giebt die Gewalt, mit wel- cher der Menſch ſeinem Ungluͤck entgegengearbei- tet hat, und die gegen ihn ſelbſt gekehrt wird, auch dem darauf folgenden Schmerz eine groͤßre Heftigkeit. Ein lange zuvorgeſehenes Ungluͤck, zu deſſen Abwendung man nichts gethan hat und nichts hat thun koͤnnen, kann ſehr ſchmerz- lich ſeyn, aber zu gewaltſamen Entſchluͤſſen wird es ſelten bringen; das Gemuͤth bleibt in ſeiner Lage, obgleich dieſe Lage traurig iſt. Aber wann der Menſch ſchon vorher, und mit einiger Hoff- nung, nach einem Ziele gerungen, wann er Vor- kehrungen gegen das Ungluͤck gemacht, Helfer herbeygerufen, alle ſeine Einſichten und ſeine Kraͤfte aufgeboten hat: dann iſt ſchon ohnedieß die Seele in einer lebhaften Bewegung; und wann alſo mitten in dieſem Sturme ein ungluͤck- licher Streich ſeine Bemuͤhungen vernichtet, dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0358" n="352"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> das nahe Bild der Gluͤckſeligkeit, welches das<lb/> Gemaͤlde des Ungluͤcks noch ſchwaͤrzer machte;<lb/> die Begierden entbrannten zu eben der Zeit hefti-<lb/> ger, da ſie ihren Gegenſtand unwiederbringlich<lb/> verloren ſahen: <hi rendition="#fr">hier</hi> giebt die Gewalt, mit wel-<lb/> cher der Menſch ſeinem Ungluͤck entgegengearbei-<lb/> tet hat, und die gegen ihn ſelbſt gekehrt wird,<lb/> auch dem darauf folgenden Schmerz eine groͤßre<lb/> Heftigkeit. Ein lange zuvorgeſehenes Ungluͤck,<lb/> zu deſſen Abwendung man nichts gethan hat<lb/> und nichts hat thun koͤnnen, kann ſehr ſchmerz-<lb/> lich ſeyn, aber zu gewaltſamen Entſchluͤſſen wird<lb/> es ſelten bringen; das Gemuͤth bleibt in ſeiner<lb/> Lage, obgleich dieſe Lage traurig iſt. Aber wann<lb/> der Menſch ſchon vorher, und mit einiger Hoff-<lb/> nung, nach einem Ziele gerungen, wann er Vor-<lb/> kehrungen gegen das Ungluͤck gemacht, Helfer<lb/> herbeygerufen, alle ſeine Einſichten und ſeine<lb/> Kraͤfte aufgeboten hat: dann iſt ſchon ohnedieß<lb/> die Seele in einer lebhaften Bewegung; und<lb/> wann alſo mitten in dieſem Sturme ein ungluͤck-<lb/> licher Streich ſeine Bemuͤhungen vernichtet, dann<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [352/0358]
Einige Gedanken
das nahe Bild der Gluͤckſeligkeit, welches das
Gemaͤlde des Ungluͤcks noch ſchwaͤrzer machte;
die Begierden entbrannten zu eben der Zeit hefti-
ger, da ſie ihren Gegenſtand unwiederbringlich
verloren ſahen: hier giebt die Gewalt, mit wel-
cher der Menſch ſeinem Ungluͤck entgegengearbei-
tet hat, und die gegen ihn ſelbſt gekehrt wird,
auch dem darauf folgenden Schmerz eine groͤßre
Heftigkeit. Ein lange zuvorgeſehenes Ungluͤck,
zu deſſen Abwendung man nichts gethan hat
und nichts hat thun koͤnnen, kann ſehr ſchmerz-
lich ſeyn, aber zu gewaltſamen Entſchluͤſſen wird
es ſelten bringen; das Gemuͤth bleibt in ſeiner
Lage, obgleich dieſe Lage traurig iſt. Aber wann
der Menſch ſchon vorher, und mit einiger Hoff-
nung, nach einem Ziele gerungen, wann er Vor-
kehrungen gegen das Ungluͤck gemacht, Helfer
herbeygerufen, alle ſeine Einſichten und ſeine
Kraͤfte aufgeboten hat: dann iſt ſchon ohnedieß
die Seele in einer lebhaften Bewegung; und
wann alſo mitten in dieſem Sturme ein ungluͤck-
licher Streich ſeine Bemuͤhungen vernichtet, dann
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