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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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über das Interessirende.
kehrt sich eben die Kraft der Seele, welche schon
in Thätigkeit war, gegen sich selbst; er wird un-
willig und aufgebracht über sein Schicksal.

Man sieht leicht, daß auch Fabeln von die-
ser Art künstlich seyn müssen. Und ohne das
System eines blinden Schicksals, welches in der
alten Tragödie so sehr herrscht, wird es kaum
möglich seyn, viele derselben zu Stande zu brin-
gen. In der That mischt sich dieses Schicksal
in die meisten ihrer Stücke. Oedip wird durch
einen Orakelspruch zum Vatermörder, Phädra
wird von der Venus in ihren Stiefsohn verliebt
gemacht, und Orest bringt seine Mutter auf den
Befehl des Apollo um, der ihn doch dafür durch
die Furien strafen läßt.

Dieses System ist das System der meisten
noch rohen unerleuchteten Völker. Und darum
sind auch nur in den ältesten Epochen die Ge-
schichten häufig, wo ein Mensch alles thut, ei-
nem geweissagtem Schicksale zu entgehen, und
gerade dadurch sich in dieses Schicksal verwickelt.
Für uns, die wir diese Ideen nicht annehmen,

Z

uͤber das Intereſſirende.
kehrt ſich eben die Kraft der Seele, welche ſchon
in Thaͤtigkeit war, gegen ſich ſelbſt; er wird un-
willig und aufgebracht uͤber ſein Schickſal.

Man ſieht leicht, daß auch Fabeln von die-
ſer Art kuͤnſtlich ſeyn muͤſſen. Und ohne das
Syſtem eines blinden Schickſals, welches in der
alten Tragoͤdie ſo ſehr herrſcht, wird es kaum
moͤglich ſeyn, viele derſelben zu Stande zu brin-
gen. In der That miſcht ſich dieſes Schickſal
in die meiſten ihrer Stuͤcke. Oedip wird durch
einen Orakelſpruch zum Vatermoͤrder, Phaͤdra
wird von der Venus in ihren Stiefſohn verliebt
gemacht, und Oreſt bringt ſeine Mutter auf den
Befehl des Apollo um, der ihn doch dafuͤr durch
die Furien ſtrafen laͤßt.

Dieſes Syſtem iſt das Syſtem der meiſten
noch rohen unerleuchteten Voͤlker. Und darum
ſind auch nur in den aͤlteſten Epochen die Ge-
ſchichten haͤufig, wo ein Menſch alles thut, ei-
nem geweiſſagtem Schickſale zu entgehen, und
gerade dadurch ſich in dieſes Schickſal verwickelt.
Fuͤr uns, die wir dieſe Ideen nicht annehmen,

Z
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[353/0359] uͤber das Intereſſirende. kehrt ſich eben die Kraft der Seele, welche ſchon in Thaͤtigkeit war, gegen ſich ſelbſt; er wird un- willig und aufgebracht uͤber ſein Schickſal. Man ſieht leicht, daß auch Fabeln von die- ſer Art kuͤnſtlich ſeyn muͤſſen. Und ohne das Syſtem eines blinden Schickſals, welches in der alten Tragoͤdie ſo ſehr herrſcht, wird es kaum moͤglich ſeyn, viele derſelben zu Stande zu brin- gen. In der That miſcht ſich dieſes Schickſal in die meiſten ihrer Stuͤcke. Oedip wird durch einen Orakelſpruch zum Vatermoͤrder, Phaͤdra wird von der Venus in ihren Stiefſohn verliebt gemacht, und Oreſt bringt ſeine Mutter auf den Befehl des Apollo um, der ihn doch dafuͤr durch die Furien ſtrafen laͤßt. Dieſes Syſtem iſt das Syſtem der meiſten noch rohen unerleuchteten Voͤlker. Und darum ſind auch nur in den aͤlteſten Epochen die Ge- ſchichten haͤufig, wo ein Menſch alles thut, ei- nem geweiſſagtem Schickſale zu entgehen, und gerade dadurch ſich in dieſes Schickſal verwickelt. Fuͤr uns, die wir dieſe Ideen nicht annehmen, Z

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/359>, abgerufen am 21.11.2024.