Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

über das Interessirende.
jezt liebt; der Mensch, welcher gezwungen wird,
von sich selbst ein nachtheiliges Urtheil zu fällen;
der Beschäftigungen, an denen er sonst Vergnü-
gungen fand, weil er sie billigte, aufgeben muß,
weil er sie jezt mißbilligt und verwirft: dieser
Mensch ist auf eine moralische Weise unglücklich.
Man sieht leicht, daß hier nicht von einer beson-
dern Art der Unglücksfälle, sondern von einer
besondern Art der Eindrücke die Rede sey, wel-
che jeder Unglücksfall machen kann. Alle merk-
liche Veränderungen des Glücks werden zugleich
unsre Gesinnungen gegen gewisse Personen, oder
dieser ihre gegen uns ändern; bey allen Vorfäl-
len wird unser moralischer Zustand mit berührt
werden. Es kömmt nur darauf an, daß der
Dichter diesen Gesichtspunkt fasse, daß er ihn
für den wichtigsten halte, daß er selbst in seiner
Person mehr von Freundschaft und Ruhe des
Geistes, als von Reichthum und Wohlstand ge-
rührt werde.

2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh-
mung der andern Personen an dem Schicksale

uͤber das Intereſſirende.
jezt liebt; der Menſch, welcher gezwungen wird,
von ſich ſelbſt ein nachtheiliges Urtheil zu faͤllen;
der Beſchaͤftigungen, an denen er ſonſt Vergnuͤ-
gungen fand, weil er ſie billigte, aufgeben muß,
weil er ſie jezt mißbilligt und verwirft: dieſer
Menſch iſt auf eine moraliſche Weiſe ungluͤcklich.
Man ſieht leicht, daß hier nicht von einer beſon-
dern Art der Ungluͤcksfaͤlle, ſondern von einer
beſondern Art der Eindruͤcke die Rede ſey, wel-
che jeder Ungluͤcksfall machen kann. Alle merk-
liche Veraͤnderungen des Gluͤcks werden zugleich
unſre Geſinnungen gegen gewiſſe Perſonen, oder
dieſer ihre gegen uns aͤndern; bey allen Vorfaͤl-
len wird unſer moraliſcher Zuſtand mit beruͤhrt
werden. Es koͤmmt nur darauf an, daß der
Dichter dieſen Geſichtspunkt faſſe, daß er ihn
fuͤr den wichtigſten halte, daß er ſelbſt in ſeiner
Perſon mehr von Freundſchaft und Ruhe des
Geiſtes, als von Reichthum und Wohlſtand ge-
ruͤhrt werde.

2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh-
mung der andern Perſonen an dem Schickſale

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0369" n="363"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber das Intere&#x017F;&#x017F;irende.</hi></fw><lb/>
jezt liebt; der Men&#x017F;ch, welcher gezwungen wird,<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ein nachtheiliges Urtheil zu fa&#x0364;llen;<lb/>
der Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen, an denen er &#x017F;on&#x017F;t Vergnu&#x0364;-<lb/>
gungen fand, weil er &#x017F;ie billigte, aufgeben muß,<lb/>
weil er &#x017F;ie jezt mißbilligt und verwirft: die&#x017F;er<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t auf eine morali&#x017F;che Wei&#x017F;e unglu&#x0364;cklich.<lb/>
Man &#x017F;ieht leicht, daß hier nicht von einer be&#x017F;on-<lb/>
dern Art der Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle, &#x017F;ondern von einer<lb/>
be&#x017F;ondern Art der Eindru&#x0364;cke die Rede &#x017F;ey, wel-<lb/>
che jeder Unglu&#x0364;cksfall machen kann. Alle merk-<lb/>
liche Vera&#x0364;nderungen des Glu&#x0364;cks werden zugleich<lb/>
un&#x017F;re Ge&#x017F;innungen gegen gewi&#x017F;&#x017F;e Per&#x017F;onen, oder<lb/>
die&#x017F;er ihre gegen uns a&#x0364;ndern; bey allen Vorfa&#x0364;l-<lb/>
len wird un&#x017F;er morali&#x017F;cher Zu&#x017F;tand mit beru&#x0364;hrt<lb/>
werden. Es ko&#x0364;mmt nur darauf an, daß der<lb/>
Dichter die&#x017F;en Ge&#x017F;ichtspunkt fa&#x017F;&#x017F;e, daß er ihn<lb/>
fu&#x0364;r den wichtig&#x017F;ten halte, daß er &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einer<lb/>
Per&#x017F;on mehr von Freund&#x017F;chaft und Ruhe des<lb/>
Gei&#x017F;tes, als von Reichthum und Wohl&#x017F;tand ge-<lb/>
ru&#x0364;hrt werde.</p><lb/>
        <p>2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh-<lb/>
mung der andern Per&#x017F;onen an dem Schick&#x017F;ale<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0369] uͤber das Intereſſirende. jezt liebt; der Menſch, welcher gezwungen wird, von ſich ſelbſt ein nachtheiliges Urtheil zu faͤllen; der Beſchaͤftigungen, an denen er ſonſt Vergnuͤ- gungen fand, weil er ſie billigte, aufgeben muß, weil er ſie jezt mißbilligt und verwirft: dieſer Menſch iſt auf eine moraliſche Weiſe ungluͤcklich. Man ſieht leicht, daß hier nicht von einer beſon- dern Art der Ungluͤcksfaͤlle, ſondern von einer beſondern Art der Eindruͤcke die Rede ſey, wel- che jeder Ungluͤcksfall machen kann. Alle merk- liche Veraͤnderungen des Gluͤcks werden zugleich unſre Geſinnungen gegen gewiſſe Perſonen, oder dieſer ihre gegen uns aͤndern; bey allen Vorfaͤl- len wird unſer moraliſcher Zuſtand mit beruͤhrt werden. Es koͤmmt nur darauf an, daß der Dichter dieſen Geſichtspunkt faſſe, daß er ihn fuͤr den wichtigſten halte, daß er ſelbſt in ſeiner Perſon mehr von Freundſchaft und Ruhe des Geiſtes, als von Reichthum und Wohlſtand ge- ruͤhrt werde. 2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh- mung der andern Perſonen an dem Schickſale

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/369
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/369>, abgerufen am 17.05.2024.