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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
der Hauptperson, als dieser ihr Unglück selbst.
Mit nichts können wir besser sympathisiren, als
mit der Sympathie selbst; keine Leidenschaft
pflanzt sich leichter fort, als die man selbst durch
Mittheilung bekommen hatte. Einen Menschen
ermordet zu sehen, ist ein mehr gräßlicher als
rührender Anblick: aber eine trostlose Wittwe
über die Leiche hingebückt, verwaiste Kinder um
dieselbe herumstehen zu sehen, das ist rührend.
Einen Mann können wir vielleicht ruhig ins Ge-
fängniß schleppen sehen; aber wir werden be-
wegt, wenn seine Familie hinter ihm her folgt,
und den Kerkermeister um Mitleiden und Gelin-
digkeit anfleht. So ist es in der wirklichen
Welt; so finden wir es auch auf der Bühne.
Nicht der Fall des Helden, sondern die vielfa-
chen Bewegungen, die dieser Fall bey den Um-
stehenden erregt, das ist es, woran wir Theil
nehmen. So rührt auch der Maler oft mehr
durch Affekten, die er auf den Gesichtern der
Umstehenden ausdrückt, als durch die Haupt-
handlung selbst.

Einige Gedanken
der Hauptperſon, als dieſer ihr Ungluͤck ſelbſt.
Mit nichts koͤnnen wir beſſer ſympathiſiren, als
mit der Sympathie ſelbſt; keine Leidenſchaft
pflanzt ſich leichter fort, als die man ſelbſt durch
Mittheilung bekommen hatte. Einen Menſchen
ermordet zu ſehen, iſt ein mehr graͤßlicher als
ruͤhrender Anblick: aber eine troſtloſe Wittwe
uͤber die Leiche hingebuͤckt, verwaiſte Kinder um
dieſelbe herumſtehen zu ſehen, das iſt ruͤhrend.
Einen Mann koͤnnen wir vielleicht ruhig ins Ge-
faͤngniß ſchleppen ſehen; aber wir werden be-
wegt, wenn ſeine Familie hinter ihm her folgt,
und den Kerkermeiſter um Mitleiden und Gelin-
digkeit anfleht. So iſt es in der wirklichen
Welt; ſo finden wir es auch auf der Buͤhne.
Nicht der Fall des Helden, ſondern die vielfa-
chen Bewegungen, die dieſer Fall bey den Um-
ſtehenden erregt, das iſt es, woran wir Theil
nehmen. So ruͤhrt auch der Maler oft mehr
durch Affekten, die er auf den Geſichtern der
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handlung ſelbſt.

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[364/0370] Einige Gedanken der Hauptperſon, als dieſer ihr Ungluͤck ſelbſt. Mit nichts koͤnnen wir beſſer ſympathiſiren, als mit der Sympathie ſelbſt; keine Leidenſchaft pflanzt ſich leichter fort, als die man ſelbſt durch Mittheilung bekommen hatte. Einen Menſchen ermordet zu ſehen, iſt ein mehr graͤßlicher als ruͤhrender Anblick: aber eine troſtloſe Wittwe uͤber die Leiche hingebuͤckt, verwaiſte Kinder um dieſelbe herumſtehen zu ſehen, das iſt ruͤhrend. Einen Mann koͤnnen wir vielleicht ruhig ins Ge- faͤngniß ſchleppen ſehen; aber wir werden be- wegt, wenn ſeine Familie hinter ihm her folgt, und den Kerkermeiſter um Mitleiden und Gelin- digkeit anfleht. So iſt es in der wirklichen Welt; ſo finden wir es auch auf der Buͤhne. Nicht der Fall des Helden, ſondern die vielfa- chen Bewegungen, die dieſer Fall bey den Um- ſtehenden erregt, das iſt es, woran wir Theil nehmen. So ruͤhrt auch der Maler oft mehr durch Affekten, die er auf den Geſichtern der Umſtehenden ausdruͤckt, als durch die Haupt- handlung ſelbſt.

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/370>, abgerufen am 21.11.2024.