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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Ueber die Prüfung
uns unsre wesentlichen Vollkommenheiten auf-
klären.

Diese Fähigkeit hat noch das Eigne, daß sich
bey ihr vorzüglich die Bestimmung der Seele und
die Art von Gegenständen zeiget, für die sie ge-
macht ist. Die Empfindungen, die die stärksten
waren, lassen auch die stärksten Eindrücke zurück,
und die Verbindungen werden also auch am leich-
testen und besten. Durch diesen Weg zeigt zu-
weilen die Natur von selbst die Absicht mit ihrem
Geschöpfe. Der künftige Bildhauer macht Men-
schen aus Leim, der junge Tonkünstler singt rich-
tigere und künstlichere Melodien.

Diese Werke der jugendlichen Einbildungs-
kraft sind leicht zu erkennen, wo sie wirklich kör-
perliche Theile zu einem Ganzen verbindet. Man
darf nur darauf Achtung geben, in welcher Gat-
tung das Kind die größte Erfindsamkeit, den rich-
tigsten Geschmack und die beste Anordnung hat.
Aber die Einbildungskraft, die bloße Bilder zu-
sammensetzet, zeigt sich später und läßt sich leich-
ter verkennen, und auf dieser beruht doch eigent-

Ueber die Pruͤfung
uns unſre weſentlichen Vollkommenheiten auf-
klaͤren.

Dieſe Faͤhigkeit hat noch das Eigne, daß ſich
bey ihr vorzuͤglich die Beſtimmung der Seele und
die Art von Gegenſtaͤnden zeiget, fuͤr die ſie ge-
macht iſt. Die Empfindungen, die die ſtaͤrkſten
waren, laſſen auch die ſtaͤrkſten Eindruͤcke zuruͤck,
und die Verbindungen werden alſo auch am leich-
teſten und beſten. Durch dieſen Weg zeigt zu-
weilen die Natur von ſelbſt die Abſicht mit ihrem
Geſchoͤpfe. Der kuͤnftige Bildhauer macht Men-
ſchen aus Leim, der junge Tonkuͤnſtler ſingt rich-
tigere und kuͤnſtlichere Melodien.

Dieſe Werke der jugendlichen Einbildungs-
kraft ſind leicht zu erkennen, wo ſie wirklich koͤr-
perliche Theile zu einem Ganzen verbindet. Man
darf nur darauf Achtung geben, in welcher Gat-
tung das Kind die groͤßte Erfindſamkeit, den rich-
tigſten Geſchmack und die beſte Anordnung hat.
Aber die Einbildungskraft, die bloße Bilder zu-
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ter verkennen, und auf dieſer beruht doch eigent-

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[34/0040] Ueber die Pruͤfung uns unſre weſentlichen Vollkommenheiten auf- klaͤren. Dieſe Faͤhigkeit hat noch das Eigne, daß ſich bey ihr vorzuͤglich die Beſtimmung der Seele und die Art von Gegenſtaͤnden zeiget, fuͤr die ſie ge- macht iſt. Die Empfindungen, die die ſtaͤrkſten waren, laſſen auch die ſtaͤrkſten Eindruͤcke zuruͤck, und die Verbindungen werden alſo auch am leich- teſten und beſten. Durch dieſen Weg zeigt zu- weilen die Natur von ſelbſt die Abſicht mit ihrem Geſchoͤpfe. Der kuͤnftige Bildhauer macht Men- ſchen aus Leim, der junge Tonkuͤnſtler ſingt rich- tigere und kuͤnſtlichere Melodien. Dieſe Werke der jugendlichen Einbildungs- kraft ſind leicht zu erkennen, wo ſie wirklich koͤr- perliche Theile zu einem Ganzen verbindet. Man darf nur darauf Achtung geben, in welcher Gat- tung das Kind die groͤßte Erfindſamkeit, den rich- tigſten Geſchmack und die beſte Anordnung hat. Aber die Einbildungskraft, die bloße Bilder zu- ſammenſetzet, zeigt ſich ſpaͤter und laͤßt ſich leich- ter verkennen, und auf dieſer beruht doch eigent-

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/40>, abgerufen am 21.11.2024.