Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Interessirende.

Sobald Dido der Versuchung untergelegen, so-
bald ist auch ihre Schamhaftigkeit überwunden.
Durch den Genuß wird die Liebe auch des an-
dern Geschlechts dreister, besonders bey einer
Person, die Macht und Ansehn besizt. Dido
gesteht die ihrige öffentlich; und sucht durch die
Hofnung und das Vorgeben der Ehe, ihre straf-
bare Schwachheit vor sich und vor ihrem Volke
zu beschönigen.

Es ist zweifelhaft, aus welcher Ursache Vir-
gil hier den Jarbas auftreten läßt; einen ehedem
von Dido verschmähten Afrikanischen Fürsten,
der, da er jezt erfährt, daß sie sich einem Fremd-
linge Preiß giebt, von Eifersucht entbrannt, den
Jupiter, dessen Gottesdienst er in seinem Lande
eingeführt hatte, um Rache anfleht.

Geschieht es bloß, um die Haupthandlung,
durch das Bild der Fama (V. 174--197) und
der Eifersucht zu unterbrechen?

Oder geschieht es, um dem Leser, der zu
partheyisch für Dido eingenommen ist, und eben
deßwegen den Held des Dichters weniger liebt,

C c 5
uͤber das Intereſſirende.

Sobald Dido der Verſuchung untergelegen, ſo-
bald iſt auch ihre Schamhaftigkeit uͤberwunden.
Durch den Genuß wird die Liebe auch des an-
dern Geſchlechts dreiſter, beſonders bey einer
Perſon, die Macht und Anſehn beſizt. Dido
geſteht die ihrige oͤffentlich; und ſucht durch die
Hofnung und das Vorgeben der Ehe, ihre ſtraf-
bare Schwachheit vor ſich und vor ihrem Volke
zu beſchoͤnigen.

Es iſt zweifelhaft, aus welcher Urſache Vir-
gil hier den Jarbas auftreten laͤßt; einen ehedem
von Dido verſchmaͤhten Afrikaniſchen Fuͤrſten,
der, da er jezt erfaͤhrt, daß ſie ſich einem Fremd-
linge Preiß giebt, von Eiferſucht entbrannt, den
Jupiter, deſſen Gottesdienſt er in ſeinem Lande
eingefuͤhrt hatte, um Rache anfleht.

Geſchieht es bloß, um die Haupthandlung,
durch das Bild der Fama (V. 174—197) und
der Eiferſucht zu unterbrechen?

Oder geſchieht es, um dem Leſer, der zu
partheyiſch fuͤr Dido eingenommen iſt, und eben
deßwegen den Held des Dichters weniger liebt,

C c 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0415" n="409"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">u&#x0364;ber das Intere&#x017F;&#x017F;irende.</hi> </fw><lb/>
          <p>Sobald Dido der Ver&#x017F;uchung untergelegen, &#x017F;o-<lb/>
bald i&#x017F;t auch ihre Schamhaftigkeit u&#x0364;berwunden.<lb/>
Durch den Genuß wird die Liebe auch des an-<lb/>
dern Ge&#x017F;chlechts drei&#x017F;ter, be&#x017F;onders bey einer<lb/>
Per&#x017F;on, die Macht und An&#x017F;ehn be&#x017F;izt. Dido<lb/>
ge&#x017F;teht die ihrige o&#x0364;ffentlich; und &#x017F;ucht durch die<lb/>
Hofnung und das Vorgeben der Ehe, ihre &#x017F;traf-<lb/>
bare Schwachheit vor &#x017F;ich und vor ihrem Volke<lb/>
zu be&#x017F;cho&#x0364;nigen.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t zweifelhaft, aus welcher Ur&#x017F;ache Vir-<lb/>
gil hier den Jarbas <choice><sic>anftreten</sic><corr>auftreten</corr></choice> la&#x0364;ßt; einen ehedem<lb/>
von Dido ver&#x017F;chma&#x0364;hten Afrikani&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
der, da er jezt erfa&#x0364;hrt, daß &#x017F;ie &#x017F;ich einem Fremd-<lb/>
linge Preiß giebt, von Eifer&#x017F;ucht entbrannt, den<lb/>
Jupiter, de&#x017F;&#x017F;en Gottesdien&#x017F;t er in &#x017F;einem Lande<lb/>
eingefu&#x0364;hrt hatte, um Rache anfleht.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;chieht es bloß, um die Haupthandlung,<lb/>
durch das Bild der Fama (V. 174&#x2014;197) und<lb/>
der Eifer&#x017F;ucht zu unterbrechen?</p><lb/>
          <p>Oder ge&#x017F;chieht es, um dem Le&#x017F;er, der zu<lb/>
partheyi&#x017F;ch fu&#x0364;r Dido eingenommen i&#x017F;t, und eben<lb/>
deßwegen den Held des Dichters weniger liebt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 5</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[409/0415] uͤber das Intereſſirende. Sobald Dido der Verſuchung untergelegen, ſo- bald iſt auch ihre Schamhaftigkeit uͤberwunden. Durch den Genuß wird die Liebe auch des an- dern Geſchlechts dreiſter, beſonders bey einer Perſon, die Macht und Anſehn beſizt. Dido geſteht die ihrige oͤffentlich; und ſucht durch die Hofnung und das Vorgeben der Ehe, ihre ſtraf- bare Schwachheit vor ſich und vor ihrem Volke zu beſchoͤnigen. Es iſt zweifelhaft, aus welcher Urſache Vir- gil hier den Jarbas auftreten laͤßt; einen ehedem von Dido verſchmaͤhten Afrikaniſchen Fuͤrſten, der, da er jezt erfaͤhrt, daß ſie ſich einem Fremd- linge Preiß giebt, von Eiferſucht entbrannt, den Jupiter, deſſen Gottesdienſt er in ſeinem Lande eingefuͤhrt hatte, um Rache anfleht. Geſchieht es bloß, um die Haupthandlung, durch das Bild der Fama (V. 174—197) und der Eiferſucht zu unterbrechen? Oder geſchieht es, um dem Leſer, der zu partheyiſch fuͤr Dido eingenommen iſt, und eben deßwegen den Held des Dichters weniger liebt, C c 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/415
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/415>, abgerufen am 21.11.2024.