Nation hatten sie wenig Einfluß; auch nahmen sie eben so wenig von der besondern Denkungs- art derselben und der eigenthümlichen Wendung ihres Geistes an. Denn sie schrieben nicht al- lein, sondern sie faßten auch ihre Ideen in einer fremden Sprache.
Was damals Luther für die deutsche Spra- che gethan hat, darf ich Ihnen, meine Herren, nicht sagen. Es ist wahr, seine Sorgfalt, sei- ne Richtigkeit im Ausdrucke, seine Genauigkeit in der Wortfügung haben unsre Grammatik und unser Wörterbuch in einer größern Reinigkeit er- halten, vielleicht auch vollständiger gemacht, als es ohne ihn würde geschehen seyn: aber bey alle dem haben doch seine Werke unsre Litteratur nicht angefangen; sie haben es uns nicht leichter ge- macht, Werke der Gelehrsamkeit oder Schriften zum Vergnügen in unserer Sprache zu liefern. Wer diese hervorbringen wollte, hatte noch alles zu thun; er mußte noch selbst die Ausdrücke, die Wendungen, die Zierrathen aus dem zer- streuten Reichthume der Sprache zusammenlesen;
Ueber den Einfluß einiger
Nation hatten ſie wenig Einfluß; auch nahmen ſie eben ſo wenig von der beſondern Denkungs- art derſelben und der eigenthuͤmlichen Wendung ihres Geiſtes an. Denn ſie ſchrieben nicht al- lein, ſondern ſie faßten auch ihre Ideen in einer fremden Sprache.
Was damals Luther fuͤr die deutſche Spra- che gethan hat, darf ich Ihnen, meine Herren, nicht ſagen. Es iſt wahr, ſeine Sorgfalt, ſei- ne Richtigkeit im Ausdrucke, ſeine Genauigkeit in der Wortfuͤgung haben unſre Grammatik und unſer Woͤrterbuch in einer groͤßern Reinigkeit er- halten, vielleicht auch vollſtaͤndiger gemacht, als es ohne ihn wuͤrde geſchehen ſeyn: aber bey alle dem haben doch ſeine Werke unſre Litteratur nicht angefangen; ſie haben es uns nicht leichter ge- macht, Werke der Gelehrſamkeit oder Schriften zum Vergnuͤgen in unſerer Sprache zu liefern. Wer dieſe hervorbringen wollte, hatte noch alles zu thun; er mußte noch ſelbſt die Ausdruͤcke, die Wendungen, die Zierrathen aus dem zer- ſtreuten Reichthume der Sprache zuſammenleſen;
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Ueber den Einfluß einiger
Nation hatten ſie wenig Einfluß; auch nahmen
ſie eben ſo wenig von der beſondern Denkungs-
art derſelben und der eigenthuͤmlichen Wendung
ihres Geiſtes an. Denn ſie ſchrieben nicht al-
lein, ſondern ſie faßten auch ihre Ideen in einer
fremden Sprache.
Was damals Luther fuͤr die deutſche Spra-
che gethan hat, darf ich Ihnen, meine Herren,
nicht ſagen. Es iſt wahr, ſeine Sorgfalt, ſei-
ne Richtigkeit im Ausdrucke, ſeine Genauigkeit
in der Wortfuͤgung haben unſre Grammatik und
unſer Woͤrterbuch in einer groͤßern Reinigkeit er-
halten, vielleicht auch vollſtaͤndiger gemacht, als
es ohne ihn wuͤrde geſchehen ſeyn: aber bey alle
dem haben doch ſeine Werke unſre Litteratur nicht
angefangen; ſie haben es uns nicht leichter ge-
macht, Werke der Gelehrſamkeit oder Schriften
zum Vergnuͤgen in unſerer Sprache zu liefern.
Wer dieſe hervorbringen wollte, hatte noch alles
zu thun; er mußte noch ſelbſt die Ausdruͤcke,
die Wendungen, die Zierrathen aus dem zer-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/450>, abgerufen am 22.11.2024.
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