Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber den Einfluß einiger
wir vorzüglich untersuchen, die Schwierigkeiten,
die wir auflösen, und die Streitigkeiten, die sich
immer von neuem bey uns entspinnen, weit mehr
Einfluß, als wir uns vorstellen mögen.

Aber nun unsre eigene Sprache. Die Un-
terscheidung dessen, was in ihr schön, edel, an-
ständig seyn sollte, die Beeiferung, sich über al-
lerhand Arten von Gegenständen in ihr auszu-
drücken, und gut auszudrücken; diese hat sich
erst angefangen, als sich das jetzige Jahrhundert
anfing. Und woher haben wir da unsre Regeln
und unsre Muster genommen? -- Die alten
Sprachen sind von der unsrigen zu entfernt, als
daß sie viel zu ihrer Ausbildung beytragen könn-
ten: überdieß sind die, welche deutsch schreiben,
und gut zu schreiben sich Mühe geben, gerade
nicht die größten Kenner der alten Sprachen.
Es war also ganz natürlich, daß die schon ver-
feinerte Sprache unsrer Nachbarn, die wir alle
eher gelernet hatten, ehe wir in der unsrigen
arbeiteten, und deren eingebildete oder wahre
Vortreflichkeit uns zuerst gereizt hatte, auf eine

Ueber den Einfluß einiger
wir vorzuͤglich unterſuchen, die Schwierigkeiten,
die wir aufloͤſen, und die Streitigkeiten, die ſich
immer von neuem bey uns entſpinnen, weit mehr
Einfluß, als wir uns vorſtellen moͤgen.

Aber nun unſre eigene Sprache. Die Un-
terſcheidung deſſen, was in ihr ſchoͤn, edel, an-
ſtaͤndig ſeyn ſollte, die Beeiferung, ſich uͤber al-
lerhand Arten von Gegenſtaͤnden in ihr auszu-
druͤcken, und gut auszudruͤcken; dieſe hat ſich
erſt angefangen, als ſich das jetzige Jahrhundert
anfing. Und woher haben wir da unſre Regeln
und unſre Muſter genommen? — Die alten
Sprachen ſind von der unſrigen zu entfernt, als
daß ſie viel zu ihrer Ausbildung beytragen koͤnn-
ten: uͤberdieß ſind die, welche deutſch ſchreiben,
und gut zu ſchreiben ſich Muͤhe geben, gerade
nicht die groͤßten Kenner der alten Sprachen.
Es war alſo ganz natuͤrlich, daß die ſchon ver-
feinerte Sprache unſrer Nachbarn, die wir alle
eher gelernet hatten, ehe wir in der unſrigen
arbeiteten, und deren eingebildete oder wahre
Vortreflichkeit uns zuerſt gereizt hatte, auf eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0456" n="450"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber den Einfluß einiger</hi></fw><lb/>
wir vorzu&#x0364;glich unter&#x017F;uchen, die Schwierigkeiten,<lb/>
die wir auflo&#x0364;&#x017F;en, und die Streitigkeiten, die &#x017F;ich<lb/>
immer von neuem bey uns ent&#x017F;pinnen, weit mehr<lb/>
Einfluß, als wir uns vor&#x017F;tellen mo&#x0364;gen.</p><lb/>
          <p>Aber nun un&#x017F;re eigene Sprache. Die Un-<lb/>
ter&#x017F;cheidung de&#x017F;&#x017F;en, was in ihr &#x017F;cho&#x0364;n, edel, an-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;eyn &#x017F;ollte, die Beeiferung, &#x017F;ich u&#x0364;ber al-<lb/>
lerhand Arten von Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden in ihr auszu-<lb/>
dru&#x0364;cken, und gut auszudru&#x0364;cken; die&#x017F;e hat &#x017F;ich<lb/>
er&#x017F;t angefangen, als &#x017F;ich das jetzige Jahrhundert<lb/>
anfing. Und woher haben wir da un&#x017F;re Regeln<lb/>
und un&#x017F;re Mu&#x017F;ter genommen? &#x2014; Die alten<lb/>
Sprachen &#x017F;ind von der un&#x017F;rigen zu entfernt, als<lb/>
daß &#x017F;ie viel zu ihrer Ausbildung beytragen ko&#x0364;nn-<lb/>
ten: u&#x0364;berdieß &#x017F;ind die, welche deut&#x017F;ch &#x017F;chreiben,<lb/>
und gut zu &#x017F;chreiben &#x017F;ich Mu&#x0364;he geben, gerade<lb/>
nicht die gro&#x0364;ßten Kenner der alten Sprachen.<lb/>
Es war al&#x017F;o ganz natu&#x0364;rlich, daß die &#x017F;chon ver-<lb/>
feinerte Sprache un&#x017F;rer Nachbarn, die wir alle<lb/>
eher gelernet hatten, ehe wir in der un&#x017F;rigen<lb/>
arbeiteten, und deren eingebildete oder wahre<lb/>
Vortreflichkeit uns zuer&#x017F;t gereizt hatte, auf eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0456] Ueber den Einfluß einiger wir vorzuͤglich unterſuchen, die Schwierigkeiten, die wir aufloͤſen, und die Streitigkeiten, die ſich immer von neuem bey uns entſpinnen, weit mehr Einfluß, als wir uns vorſtellen moͤgen. Aber nun unſre eigene Sprache. Die Un- terſcheidung deſſen, was in ihr ſchoͤn, edel, an- ſtaͤndig ſeyn ſollte, die Beeiferung, ſich uͤber al- lerhand Arten von Gegenſtaͤnden in ihr auszu- druͤcken, und gut auszudruͤcken; dieſe hat ſich erſt angefangen, als ſich das jetzige Jahrhundert anfing. Und woher haben wir da unſre Regeln und unſre Muſter genommen? — Die alten Sprachen ſind von der unſrigen zu entfernt, als daß ſie viel zu ihrer Ausbildung beytragen koͤnn- ten: uͤberdieß ſind die, welche deutſch ſchreiben, und gut zu ſchreiben ſich Muͤhe geben, gerade nicht die groͤßten Kenner der alten Sprachen. Es war alſo ganz natuͤrlich, daß die ſchon ver- feinerte Sprache unſrer Nachbarn, die wir alle eher gelernet hatten, ehe wir in der unſrigen arbeiteten, und deren eingebildete oder wahre Vortreflichkeit uns zuerſt gereizt hatte, auf eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/456
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/456>, abgerufen am 23.11.2024.