jenen steckt, wenn ich so reden darf, mehr latei- nischer Geist, in dieser hingegen mehr französi- scher und englischer. Beide zusammen machen eine Mischung, die, wenn man sie recht aus ein- ander scheiden könnte, den Zustand unsrer Köpfe und unsrer Schriften am besten erklären würde.
Wissenschaften und Philosophie fiengen nicht erst da bey uns an, wo wir anfiengen, deutsche Schriftsteller zu haben. Wir hatten schon einen großen Vorrath von Gelehrsamkeit, und zur Philosophie hatten wir viele und uns eigene An- lage. -- Den Stoff dazu hatten wir, wie alle europäische Nationen, von den Alten, theils unmittelbar durch ihre eigene Werke, theils mit- telbar durch die unreinen Kanäle der neuern scholastischen Theologie und Philosophie bekom- men. Sokrates, Aristoteles und Cicero, sammt dem guten Thomas Magister, haben vielleicht auf die Art und Weise, wie wir die Wissenschaften lehren, auf die Abtheilung und Hauptörter unserer Systeme, auf die Fragen, die
F f
Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
jenen ſteckt, wenn ich ſo reden darf, mehr latei- niſcher Geiſt, in dieſer hingegen mehr franzoͤſi- ſcher und engliſcher. Beide zuſammen machen eine Miſchung, die, wenn man ſie recht aus ein- ander ſcheiden koͤnnte, den Zuſtand unſrer Koͤpfe und unſrer Schriften am beſten erklaͤren wuͤrde.
Wiſſenſchaften und Philoſophie fiengen nicht erſt da bey uns an, wo wir anfiengen, deutſche Schriftſteller zu haben. Wir hatten ſchon einen großen Vorrath von Gelehrſamkeit, und zur Philoſophie hatten wir viele und uns eigene An- lage. — Den Stoff dazu hatten wir, wie alle europaͤiſche Nationen, von den Alten, theils unmittelbar durch ihre eigene Werke, theils mit- telbar durch die unreinen Kanaͤle der neuern ſcholaſtiſchen Theologie und Philoſophie bekom- men. Sokrates, Ariſtoteles und Cicero, ſammt dem guten Thomas Magiſter, haben vielleicht auf die Art und Weiſe, wie wir die Wiſſenſchaften lehren, auf die Abtheilung und Hauptoͤrter unſerer Syſteme, auf die Fragen, die
F f
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0455"n="449"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.</hi></fw><lb/>
jenen ſteckt, wenn ich ſo reden darf, mehr latei-<lb/>
niſcher Geiſt, in dieſer hingegen mehr franzoͤſi-<lb/>ſcher und engliſcher. Beide zuſammen machen<lb/>
eine Miſchung, die, wenn man ſie recht aus ein-<lb/>
ander ſcheiden koͤnnte, den Zuſtand unſrer<lb/>
Koͤpfe und unſrer Schriften am beſten erklaͤren<lb/>
wuͤrde.</p><lb/><p>Wiſſenſchaften und Philoſophie fiengen nicht<lb/>
erſt da bey uns an, wo wir anfiengen, deutſche<lb/>
Schriftſteller zu haben. Wir hatten ſchon einen<lb/>
großen Vorrath von Gelehrſamkeit, und zur<lb/>
Philoſophie hatten wir viele und uns eigene An-<lb/>
lage. — Den Stoff dazu hatten wir, wie alle<lb/>
europaͤiſche Nationen, von den Alten, theils<lb/>
unmittelbar durch ihre eigene Werke, theils mit-<lb/>
telbar durch die unreinen Kanaͤle der neuern<lb/>ſcholaſtiſchen Theologie und Philoſophie bekom-<lb/>
men. <hirendition="#fr">Sokrates, Ariſtoteles</hi> und <hirendition="#fr">Cicero,</hi><lb/>ſammt dem guten <hirendition="#fr">Thomas Magiſter,</hi> haben<lb/>
vielleicht auf die Art und Weiſe, wie wir die<lb/>
Wiſſenſchaften lehren, auf die Abtheilung und<lb/>
Hauptoͤrter unſerer Syſteme, auf die Fragen, die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[449/0455]
Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
jenen ſteckt, wenn ich ſo reden darf, mehr latei-
niſcher Geiſt, in dieſer hingegen mehr franzoͤſi-
ſcher und engliſcher. Beide zuſammen machen
eine Miſchung, die, wenn man ſie recht aus ein-
ander ſcheiden koͤnnte, den Zuſtand unſrer
Koͤpfe und unſrer Schriften am beſten erklaͤren
wuͤrde.
Wiſſenſchaften und Philoſophie fiengen nicht
erſt da bey uns an, wo wir anfiengen, deutſche
Schriftſteller zu haben. Wir hatten ſchon einen
großen Vorrath von Gelehrſamkeit, und zur
Philoſophie hatten wir viele und uns eigene An-
lage. — Den Stoff dazu hatten wir, wie alle
europaͤiſche Nationen, von den Alten, theils
unmittelbar durch ihre eigene Werke, theils mit-
telbar durch die unreinen Kanaͤle der neuern
ſcholaſtiſchen Theologie und Philoſophie bekom-
men. Sokrates, Ariſtoteles und Cicero,
ſammt dem guten Thomas Magiſter, haben
vielleicht auf die Art und Weiſe, wie wir die
Wiſſenſchaften lehren, auf die Abtheilung und
Hauptoͤrter unſerer Syſteme, auf die Fragen, die
F f
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/455>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.