Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Umstände auf die Bildung etc. genwart und den Anblick. Zur Kultur der schö-nen Wissenschaften ist es in gewisser Absicht nützlich, daß die Schriftsteller beysammen woh- nen, sich ihre Gedanken und Entwürfe mündlich mittheilen, einer des andern Rath hören, einer den andern entflammen und aufmuntern; aber so nothwendig ist es bey weitem nicht, als bey den Künsten. Es giebt hier schon Wege, wo- durch sich Kenntnisse und Geschmack auch in entfernte Gegenden verbreiten können. Ja, vielleicht besäßen wir einige unsrer schönsten Werke nicht, die sich durch den originellen Cha- rakter der einfältigsten und liebenswürdigsten Natur empfehlen, wenn unsere Schriftsteller nur dem üppigen Publikum einer allgemeinen Haupt- stadt hätten gefallen wollen, und der gekünstelte Ton der vornehmen Welt einmal Mode gewor- den wäre. -- Wer am meisten Recht hat, über den Mangel einer Hauptstadt zu klagen, das ist der theatralische Dichter. Denn dieser vermißt damit ein gebildetes, bestimmtes, überall bekann- tes Publikum, dessen Sitten er kopiren und das G g 2
Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc. genwart und den Anblick. Zur Kultur der ſchoͤ-nen Wiſſenſchaften iſt es in gewiſſer Abſicht nuͤtzlich, daß die Schriftſteller beyſammen woh- nen, ſich ihre Gedanken und Entwuͤrfe muͤndlich mittheilen, einer des andern Rath hoͤren, einer den andern entflammen und aufmuntern; aber ſo nothwendig iſt es bey weitem nicht, als bey den Kuͤnſten. Es giebt hier ſchon Wege, wo- durch ſich Kenntniſſe und Geſchmack auch in entfernte Gegenden verbreiten koͤnnen. Ja, vielleicht beſaͤßen wir einige unſrer ſchoͤnſten Werke nicht, die ſich durch den originellen Cha- rakter der einfaͤltigſten und liebenswuͤrdigſten Natur empfehlen, wenn unſere Schriftſteller nur dem uͤppigen Publikum einer allgemeinen Haupt- ſtadt haͤtten gefallen wollen, und der gekuͤnſtelte Ton der vornehmen Welt einmal Mode gewor- den waͤre. — Wer am meiſten Recht hat, uͤber den Mangel einer Hauptſtadt zu klagen, das iſt der theatraliſche Dichter. Denn dieſer vermißt damit ein gebildetes, beſtimmtes, uͤberall bekann- tes Publikum, deſſen Sitten er kopiren und das G g 2
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Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
genwart und den Anblick. Zur Kultur der ſchoͤ-
nen Wiſſenſchaften iſt es in gewiſſer Abſicht
nuͤtzlich, daß die Schriftſteller beyſammen woh-
nen, ſich ihre Gedanken und Entwuͤrfe muͤndlich
mittheilen, einer des andern Rath hoͤren, einer
den andern entflammen und aufmuntern; aber
ſo nothwendig iſt es bey weitem nicht, als bey
den Kuͤnſten. Es giebt hier ſchon Wege, wo-
durch ſich Kenntniſſe und Geſchmack auch in
entfernte Gegenden verbreiten koͤnnen. Ja,
vielleicht beſaͤßen wir einige unſrer ſchoͤnſten
Werke nicht, die ſich durch den originellen Cha-
rakter der einfaͤltigſten und liebenswuͤrdigſten
Natur empfehlen, wenn unſere Schriftſteller nur
dem uͤppigen Publikum einer allgemeinen Haupt-
ſtadt haͤtten gefallen wollen, und der gekuͤnſtelte
Ton der vornehmen Welt einmal Mode gewor-
den waͤre. — Wer am meiſten Recht hat, uͤber
den Mangel einer Hauptſtadt zu klagen, das iſt
der theatraliſche Dichter. Denn dieſer vermißt
damit ein gebildetes, beſtimmtes, uͤberall bekann-
tes Publikum, deſſen Sitten er kopiren und das
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