Wenn die Klugheit nicht diese Neigung des Philo- sophen alles zu erklären einschränkt, so wird er der Gesellschaft beschwerlich und selbst in den Wis- senschaften unnütz.
Man kann zuweilen die Fähigkeiten der Seele durch ihre Fehltritte erkennen; oder vielmehr, ge- wisse Fähigkeiten sind einer unrechten Anwendung so sehr unterworfen, daß man bey aller Ueberzeu- gung, daß man sie besitzt, doch noch mit einer großen Behutsamkeit von der andern urtheilen muß. Z. E. weil diesen Köpfen der schleichende Gang von einer Erfahrung zur andern, um daraus endlich durch vielfältige Beobachtungen und im- mer neue Vergleichungen die abstracten Begriffe zu sammlen, oft zu langsam ist: so ist ihre Me- thode, aus einem einzelnen Falle, oder aus weni- gen, den allgemeinen Begriff herauszuziehn, und nun ohne Anstand aus diesem Begriffe die übrigen Fälle zu erklären.
Dieses ist es, was die Systemmacher hervor- gebracht hat, die aus einzelnen Beobachtungen gleich Gesetze der Natur machen, und durch eine
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der Faͤhigkeiten.
Wenn die Klugheit nicht dieſe Neigung des Philo- ſophen alles zu erklaͤren einſchraͤnkt, ſo wird er der Geſellſchaft beſchwerlich und ſelbſt in den Wiſ- ſenſchaften unnuͤtz.
Man kann zuweilen die Faͤhigkeiten der Seele durch ihre Fehltritte erkennen; oder vielmehr, ge- wiſſe Faͤhigkeiten ſind einer unrechten Anwendung ſo ſehr unterworfen, daß man bey aller Ueberzeu- gung, daß man ſie beſitzt, doch noch mit einer großen Behutſamkeit von der andern urtheilen muß. Z. E. weil dieſen Koͤpfen der ſchleichende Gang von einer Erfahrung zur andern, um daraus endlich durch vielfaͤltige Beobachtungen und im- mer neue Vergleichungen die abſtracten Begriffe zu ſammlen, oft zu langſam iſt: ſo iſt ihre Me- thode, aus einem einzelnen Falle, oder aus weni- gen, den allgemeinen Begriff herauszuziehn, und nun ohne Anſtand aus dieſem Begriffe die uͤbrigen Faͤlle zu erklaͤren.
Dieſes iſt es, was die Syſtemmacher hervor- gebracht hat, die aus einzelnen Beobachtungen gleich Geſetze der Natur machen, und durch eine
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der Faͤhigkeiten.
Wenn die Klugheit nicht dieſe Neigung des Philo-
ſophen alles zu erklaͤren einſchraͤnkt, ſo wird er
der Geſellſchaft beſchwerlich und ſelbſt in den Wiſ-
ſenſchaften unnuͤtz.
Man kann zuweilen die Faͤhigkeiten der Seele
durch ihre Fehltritte erkennen; oder vielmehr, ge-
wiſſe Faͤhigkeiten ſind einer unrechten Anwendung
ſo ſehr unterworfen, daß man bey aller Ueberzeu-
gung, daß man ſie beſitzt, doch noch mit einer
großen Behutſamkeit von der andern urtheilen
muß. Z. E. weil dieſen Koͤpfen der ſchleichende
Gang von einer Erfahrung zur andern, um daraus
endlich durch vielfaͤltige Beobachtungen und im-
mer neue Vergleichungen die abſtracten Begriffe
zu ſammlen, oft zu langſam iſt: ſo iſt ihre Me-
thode, aus einem einzelnen Falle, oder aus weni-
gen, den allgemeinen Begriff herauszuziehn, und
nun ohne Anſtand aus dieſem Begriffe die uͤbrigen
Faͤlle zu erklaͤren.
Dieſes iſt es, was die Syſtemmacher hervor-
gebracht hat, die aus einzelnen Beobachtungen
gleich Geſetze der Natur machen, und durch eine
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/75>, abgerufen am 04.12.2024.
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