Diese Köpfe unterscheiden sich gemeiniglich im Umgange noch durch ein ander Merkmal. Sie sind beständig damit beschäftigt, von allen Bege- benheiten die Ursachen anzugeben, dahingegen die andern sich mit der bloßen Wirklichkeit der That- sache und mit der Kenntniß der Umstände beru- higen. Die ersten haben nicht so bald einen Vor- fall aus der physischen oder sittlichen Welt ge- hört, so fangen sie schon an ihn zu erklären; die andern suchen an statt der Erklärung lieber meh- rere Nachrichten, oder wenn ihnen die, welche sie haben, hinreichen, so suchen sie lieber wieder eine neue Begebenheit, als die Ursache der alten auf. Die ersten wissen mit einer bloßen Thatsache nichts anzufangen, wenn sie sie nicht gleich auf ihre Möglichkeit zurückführen, sie mit ihren Grund- sätzen in Verbindung bringen, und daraus entwe- der ihre alten Begriffe bestätigen, oder neue abzie- hen können. Die andern verlangen nichts als ein getreues und vollständiges Bild von der Sache; das Anschauen desselben lehret sie alsdann auf künftige Fälle eben das, was jenen seine Schlüsse.
Ueber die Pruͤfung
Dieſe Koͤpfe unterſcheiden ſich gemeiniglich im Umgange noch durch ein ander Merkmal. Sie ſind beſtaͤndig damit beſchaͤftigt, von allen Bege- benheiten die Urſachen anzugeben, dahingegen die andern ſich mit der bloßen Wirklichkeit der That- ſache und mit der Kenntniß der Umſtaͤnde beru- higen. Die erſten haben nicht ſo bald einen Vor- fall aus der phyſiſchen oder ſittlichen Welt ge- hoͤrt, ſo fangen ſie ſchon an ihn zu erklaͤren; die andern ſuchen an ſtatt der Erklaͤrung lieber meh- rere Nachrichten, oder wenn ihnen die, welche ſie haben, hinreichen, ſo ſuchen ſie lieber wieder eine neue Begebenheit, als die Urſache der alten auf. Die erſten wiſſen mit einer bloßen Thatſache nichts anzufangen, wenn ſie ſie nicht gleich auf ihre Moͤglichkeit zuruͤckfuͤhren, ſie mit ihren Grund- ſaͤtzen in Verbindung bringen, und daraus entwe- der ihre alten Begriffe beſtaͤtigen, oder neue abzie- hen koͤnnen. Die andern verlangen nichts als ein getreues und vollſtaͤndiges Bild von der Sache; das Anſchauen deſſelben lehret ſie alsdann auf kuͤnftige Faͤlle eben das, was jenen ſeine Schluͤſſe.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0074"n="68"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Ueber die Pruͤfung</hi></fw><lb/><p>Dieſe Koͤpfe unterſcheiden ſich gemeiniglich<lb/>
im Umgange noch durch ein ander Merkmal. Sie<lb/>ſind beſtaͤndig damit beſchaͤftigt, von allen Bege-<lb/>
benheiten die Urſachen anzugeben, dahingegen die<lb/>
andern ſich mit der bloßen Wirklichkeit der That-<lb/>ſache und mit der Kenntniß der Umſtaͤnde beru-<lb/>
higen. Die erſten haben nicht ſo bald einen Vor-<lb/>
fall aus der phyſiſchen oder ſittlichen Welt ge-<lb/>
hoͤrt, ſo fangen ſie ſchon an ihn zu erklaͤren; die<lb/>
andern ſuchen an ſtatt der Erklaͤrung lieber meh-<lb/>
rere Nachrichten, oder wenn ihnen die, welche ſie<lb/>
haben, hinreichen, ſo ſuchen ſie lieber wieder eine<lb/>
neue Begebenheit, als die Urſache der alten auf.<lb/>
Die erſten wiſſen mit einer bloßen Thatſache nichts<lb/>
anzufangen, wenn ſie ſie nicht gleich auf ihre<lb/>
Moͤglichkeit zuruͤckfuͤhren, ſie mit ihren Grund-<lb/>ſaͤtzen in Verbindung bringen, und daraus entwe-<lb/>
der ihre alten Begriffe beſtaͤtigen, oder neue abzie-<lb/>
hen koͤnnen. Die andern verlangen nichts als<lb/>
ein getreues und vollſtaͤndiges Bild von der Sache;<lb/>
das Anſchauen deſſelben lehret ſie alsdann auf<lb/>
kuͤnftige Faͤlle eben das, was jenen ſeine Schluͤſſe.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[68/0074]
Ueber die Pruͤfung
Dieſe Koͤpfe unterſcheiden ſich gemeiniglich
im Umgange noch durch ein ander Merkmal. Sie
ſind beſtaͤndig damit beſchaͤftigt, von allen Bege-
benheiten die Urſachen anzugeben, dahingegen die
andern ſich mit der bloßen Wirklichkeit der That-
ſache und mit der Kenntniß der Umſtaͤnde beru-
higen. Die erſten haben nicht ſo bald einen Vor-
fall aus der phyſiſchen oder ſittlichen Welt ge-
hoͤrt, ſo fangen ſie ſchon an ihn zu erklaͤren; die
andern ſuchen an ſtatt der Erklaͤrung lieber meh-
rere Nachrichten, oder wenn ihnen die, welche ſie
haben, hinreichen, ſo ſuchen ſie lieber wieder eine
neue Begebenheit, als die Urſache der alten auf.
Die erſten wiſſen mit einer bloßen Thatſache nichts
anzufangen, wenn ſie ſie nicht gleich auf ihre
Moͤglichkeit zuruͤckfuͤhren, ſie mit ihren Grund-
ſaͤtzen in Verbindung bringen, und daraus entwe-
der ihre alten Begriffe beſtaͤtigen, oder neue abzie-
hen koͤnnen. Die andern verlangen nichts als
ein getreues und vollſtaͤndiges Bild von der Sache;
das Anſchauen deſſelben lehret ſie alsdann auf
kuͤnftige Faͤlle eben das, was jenen ſeine Schluͤſſe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/74>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.