Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


der Anomalien, deren man drey, die wahre, mittlere und eccentrische Anomalie, unterscheidet.

Es sey Tafel I. Figur 17. die Ellipse AMP die Bahn eines Planeten, AP ihre große Axe, der Brennpunkt S der Ort der Sonne, A die Sonnenferne, P die Sonnennähe des Planeten; so heißt der Winkel ASM, um welchen sich der Planet von der Sonnenferne A an fortbeweget hat, die wahre Anomalie, und M der wahre Ort desselben.

Durchliefe der Planet seine ganze Bahn mit einer gleichförmigen Winkelgeschwindigkeit, d. h. so, daß er in gleichen Zeitenimmer gleiche Winkel um die Sonne S zurücklegte, so würde er in der Zeit, in welcher er nur bis M gegangen ist, vielleicht schon bis m vorgerückt seyn. Er würde den Winkel ASm zurückgelegt haben. Dieser Winkel heißt seine mittlere Anomalie, und der ihm zukommende Ort m, des Planeten mittlerer Ort.

Wenn des Planeten Umlaufszeit um die Sonne bekannt ist, so läßt sich für jede seit seinem Durchgange durch die Sonnenferne verstrichene Zeit diese mittlere Anomalie durch die bloße Regel de Tri finden. Es verhält sich nemlich die ganze Umlaufszeit zu der gegebnen Zeit, wie 360° zu ASM. Wäre z. B. die Umlaufszeit 360 Tage, so würde 30 Tage nach der Sonnenferne die mittlere Anomalie 30°, 60 Tage darnach 60° u. s. w. seyn. Da auch nach Keplers Regel der elliptische Flächenraum ASM, welchen der Radius Vector SM bey der wahren Bewegung des Planeten von A nach M durchlaufen hat, der gegebnen Zeit proportional ist, also so stellt die Fläche ASM die mittlere Anomalie dar, wenn die ganze Fläche der Ellipse 360 Graden gleich gesetzt wird.

Da nun die mittlere Anomalie und die Fläche ASM für jede von der Sonnenferne an gerechnete Zeit so leicht zu finden sind, so kömmt es nur noch darauf an, aus dieser mittlern Anomalie und den gegebnen Abmessungen der


der Anomalien, deren man drey, die wahre, mittlere und eccentriſche Anomalie, unterſcheidet.

Es ſey Tafel I. Figur 17. die Ellipſe AMP die Bahn eines Planeten, AP ihre große Axe, der Brennpunkt S der Ort der Sonne, A die Sonnenferne, P die Sonnennaͤhe des Planeten; ſo heißt der Winkel ASM, um welchen ſich der Planet von der Sonnenferne A an fortbeweget hat, die wahre Anomalie, und M der wahre Ort deſſelben.

Durchliefe der Planet ſeine ganze Bahn mit einer gleichfoͤrmigen Winkelgeſchwindigkeit, d. h. ſo, daß er in gleichen Zeitenimmer gleiche Winkel um die Sonne S zuruͤcklegte, ſo wuͤrde er in der Zeit, in welcher er nur bis M gegangen iſt, vielleicht ſchon bis m vorgeruͤckt ſeyn. Er wuͤrde den Winkel ASm zuruͤckgelegt haben. Dieſer Winkel heißt ſeine mittlere Anomalie, und der ihm zukommende Ort m, des Planeten mittlerer Ort.

Wenn des Planeten Umlaufszeit um die Sonne bekannt iſt, ſo laͤßt ſich fuͤr jede ſeit ſeinem Durchgange durch die Sonnenferne verſtrichene Zeit dieſe mittlere Anomalie durch die bloße Regel de Tri finden. Es verhaͤlt ſich nemlich die ganze Umlaufszeit zu der gegebnen Zeit, wie 360° zu ASM. Waͤre z. B. die Umlaufszeit 360 Tage, ſo wuͤrde 30 Tage nach der Sonnenferne die mittlere Anomalie 30°, 60 Tage darnach 60° u. ſ. w. ſeyn. Da auch nach Keplers Regel der elliptiſche Flaͤchenraum ASM, welchen der Radius Vector SM bey der wahren Bewegung des Planeten von A nach M durchlaufen hat, der gegebnen Zeit proportional iſt, alſo ſo ſtellt die Flaͤche ASM die mittlere Anomalie dar, wenn die ganze Flaͤche der Ellipſe 360 Graden gleich geſetzt wird.

Da nun die mittlere Anomalie und die Flaͤche ASM fuͤr jede von der Sonnenferne an gerechnete Zeit ſo leicht zu finden ſind, ſo koͤmmt es nur noch darauf an, aus dieſer mittlern Anomalie und den gegebnen Abmeſſungen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" xml:id="P.1.104" n="104"/><lb/>
der Anomalien, deren man drey, die <hi rendition="#b">wahre,</hi> mittlere und <hi rendition="#b">eccentri&#x017F;che Anomalie,</hi> unter&#x017F;cheidet.</p>
          <p>Es &#x017F;ey Tafel <hi rendition="#aq">I.</hi> Figur 17. die Ellip&#x017F;e <hi rendition="#aq">AMP</hi> die Bahn eines Planeten, <hi rendition="#aq">AP</hi> ihre große Axe, der Brennpunkt <hi rendition="#aq">S</hi> der Ort der Sonne, <hi rendition="#aq">A</hi> die Sonnenferne, <hi rendition="#aq">P</hi> die Sonnenna&#x0364;he des Planeten; &#x017F;o heißt der Winkel <hi rendition="#aq">ASM,</hi> um welchen &#x017F;ich der Planet von der Sonnenferne <hi rendition="#aq">A</hi> an fortbeweget hat, die <hi rendition="#b">wahre Anomalie,</hi> und <hi rendition="#aq">M</hi> der <hi rendition="#b">wahre Ort</hi> de&#x017F;&#x017F;elben.</p>
          <p>Durchliefe der Planet &#x017F;eine ganze Bahn mit einer gleichfo&#x0364;rmigen Winkelge&#x017F;chwindigkeit, d. h. &#x017F;o, daß er in gleichen Zeitenimmer gleiche Winkel um die Sonne <hi rendition="#aq">S</hi> zuru&#x0364;cklegte, &#x017F;o wu&#x0364;rde er in der Zeit, in welcher er nur bis <hi rendition="#aq">M</hi> gegangen i&#x017F;t, vielleicht &#x017F;chon bis <hi rendition="#aq">m</hi> vorgeru&#x0364;ckt &#x017F;eyn. Er wu&#x0364;rde den Winkel <hi rendition="#aq">ASm</hi> zuru&#x0364;ckgelegt haben. Die&#x017F;er Winkel heißt &#x017F;eine mittlere <hi rendition="#b">Anomalie,</hi> und der ihm zukommende Ort <hi rendition="#aq">m,</hi> des Planeten mittlerer <hi rendition="#b">Ort.</hi></p>
          <p>Wenn des Planeten Umlaufszeit um die Sonne bekannt i&#x017F;t, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich fu&#x0364;r jede &#x017F;eit &#x017F;einem Durchgange durch die Sonnenferne ver&#x017F;trichene Zeit die&#x017F;e mittlere Anomalie durch die bloße Regel de Tri finden. Es verha&#x0364;lt &#x017F;ich nemlich die ganze Umlaufszeit zu der gegebnen Zeit, wie 360° zu <hi rendition="#aq">ASM.</hi> Wa&#x0364;re z. B. die Umlaufszeit 360 Tage, &#x017F;o wu&#x0364;rde 30 Tage nach der Sonnenferne die mittlere Anomalie 30°, 60 Tage darnach 60° u. &#x017F;. w. &#x017F;eyn. Da auch nach Keplers Regel der ellipti&#x017F;che Fla&#x0364;chenraum <hi rendition="#aq">ASM,</hi> welchen der Radius Vector <hi rendition="#aq">SM</hi> bey der wahren Bewegung des Planeten von <hi rendition="#aq">A</hi> nach <hi rendition="#aq">M</hi> durchlaufen hat, der gegebnen Zeit proportional i&#x017F;t, al&#x017F;o
&#x017F;o &#x017F;tellt die Fla&#x0364;che <hi rendition="#aq">ASM</hi> die mittlere Anomalie dar, wenn die ganze Fla&#x0364;che der Ellip&#x017F;e 360 Graden gleich ge&#x017F;etzt wird.</p>
          <p>Da nun die mittlere Anomalie und die Fla&#x0364;che <hi rendition="#aq">ASM</hi> fu&#x0364;r jede von der Sonnenferne an gerechnete Zeit &#x017F;o leicht zu finden &#x017F;ind, &#x017F;o ko&#x0364;mmt es nur noch darauf an, aus die&#x017F;er mittlern Anomalie und den gegebnen Abme&#x017F;&#x017F;ungen der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] der Anomalien, deren man drey, die wahre, mittlere und eccentriſche Anomalie, unterſcheidet. Es ſey Tafel I. Figur 17. die Ellipſe AMP die Bahn eines Planeten, AP ihre große Axe, der Brennpunkt S der Ort der Sonne, A die Sonnenferne, P die Sonnennaͤhe des Planeten; ſo heißt der Winkel ASM, um welchen ſich der Planet von der Sonnenferne A an fortbeweget hat, die wahre Anomalie, und M der wahre Ort deſſelben. Durchliefe der Planet ſeine ganze Bahn mit einer gleichfoͤrmigen Winkelgeſchwindigkeit, d. h. ſo, daß er in gleichen Zeitenimmer gleiche Winkel um die Sonne S zuruͤcklegte, ſo wuͤrde er in der Zeit, in welcher er nur bis M gegangen iſt, vielleicht ſchon bis m vorgeruͤckt ſeyn. Er wuͤrde den Winkel ASm zuruͤckgelegt haben. Dieſer Winkel heißt ſeine mittlere Anomalie, und der ihm zukommende Ort m, des Planeten mittlerer Ort. Wenn des Planeten Umlaufszeit um die Sonne bekannt iſt, ſo laͤßt ſich fuͤr jede ſeit ſeinem Durchgange durch die Sonnenferne verſtrichene Zeit dieſe mittlere Anomalie durch die bloße Regel de Tri finden. Es verhaͤlt ſich nemlich die ganze Umlaufszeit zu der gegebnen Zeit, wie 360° zu ASM. Waͤre z. B. die Umlaufszeit 360 Tage, ſo wuͤrde 30 Tage nach der Sonnenferne die mittlere Anomalie 30°, 60 Tage darnach 60° u. ſ. w. ſeyn. Da auch nach Keplers Regel der elliptiſche Flaͤchenraum ASM, welchen der Radius Vector SM bey der wahren Bewegung des Planeten von A nach M durchlaufen hat, der gegebnen Zeit proportional iſt, alſo ſo ſtellt die Flaͤche ASM die mittlere Anomalie dar, wenn die ganze Flaͤche der Ellipſe 360 Graden gleich geſetzt wird. Da nun die mittlere Anomalie und die Flaͤche ASM fuͤr jede von der Sonnenferne an gerechnete Zeit ſo leicht zu finden ſind, ſo koͤmmt es nur noch darauf an, aus dieſer mittlern Anomalie und den gegebnen Abmeſſungen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/118
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/118>, abgerufen am 04.12.2024.