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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Stralen am Rande des Monds lasse sich ohne Atmosphäre um ihn nicht denken.

Huygens (Cosmotheorus, Hagae Com. 1698. 4. p. 115.) wendet gegen das Daseyn der Mondatmosphäre ein, man würde den Mondrand bey Bedeckungen der Sterne nicht so scharf und glatt abgeschnitten, sondern mit einem Schimmer umgeben (evanida quadam luce, ac velut lanugine finitam) finden; auch sey im Monde kein Wasser, aus dem Dünste aufsteigen könnten, wie man denn auch keine Wolken darinn sehe. Dagegen erinnert Mairan (Tr. de l' aurore boreale, sec. edit. 1754. p. 276.), wenn man die Mondatmosphäre in Vergleichung mit dem Monde so groß setze, als der Luftkreis in Vergleichung mit der Erde ist, so gehe ein Stern durch den stralenbrechenden Theil derselben in einer Secunde hindurch, welche Zeit zu kurz sey, um die Wirkungen der Refraction zu bemerken; man habe auch manchmal Sterne noch vor dem Augenblicke ihrer Verschwindung an den Mondrand treten gesehen; auf der Erde gebe es auch Länder, wo der Himmel stets heiter sey; wenn kein Wasser im Monde sey, so sey es leicht begreiflich, daß auch keine Wolken da seyen, zumahl da der vierzehntägige Sonnenschein die Dünste sehr verdünnen müsse; der im Plato gesehene Lichtstreif sey vielleicht ein solcher verdünnter Dunst gewesen, wenigstens setze auch einfallendes Sonnenlicht in dunklen Orten Dünste voraus, die es zurückwerfen und für uns sichtbar machen könnten u. s. w.

Man sieht hieraus, daß der Streit über das Daseyn einer Mondatmosphäre noch immer unentschieden, und nur so viel gewiß sey, daß der Mond in Absicht auf Luft und Luftbegebenheiten unserer Erde so ähnlich nicht ist, als einige haben vorgeben wollen. Oft hat sich auch Vorliebe zu gewissen Hypothesen mit eingemischt, wie denn Hevel, der in seiner dem Monde besonders gewidmeten Selenographie der Mondatmosphäre mit keinem Worte gedacht hatte, erst zwanzig Jahre darnach ein Vertheidiger derselben ward, als er sie zu seiner Hypothese über die Cometen nöthig hatte, wobey er doch selbst gesteht (Cometograph.


Stralen am Rande des Monds laſſe ſich ohne Atmoſphaͤre um ihn nicht denken.

Huygens (Coſmotheorus, Hagae Com. 1698. 4. p. 115.) wendet gegen das Daſeyn der Mondatmoſphaͤre ein, man wuͤrde den Mondrand bey Bedeckungen der Sterne nicht ſo ſcharf und glatt abgeſchnitten, ſondern mit einem Schimmer umgeben (evanida quadam luce, ac velut lanugine finitam) finden; auch ſey im Monde kein Waſſer, aus dem Duͤnſte aufſteigen koͤnnten, wie man denn auch keine Wolken darinn ſehe. Dagegen erinnert Mairan (Tr. de l' aurore boreale, ſec. edit. 1754. p. 276.), wenn man die Mondatmoſphaͤre in Vergleichung mit dem Monde ſo groß ſetze, als der Luftkreis in Vergleichung mit der Erde iſt, ſo gehe ein Stern durch den ſtralenbrechenden Theil derſelben in einer Secunde hindurch, welche Zeit zu kurz ſey, um die Wirkungen der Refraction zu bemerken; man habe auch manchmal Sterne noch vor dem Augenblicke ihrer Verſchwindung an den Mondrand treten geſehen; auf der Erde gebe es auch Laͤnder, wo der Himmel ſtets heiter ſey; wenn kein Waſſer im Monde ſey, ſo ſey es leicht begreiflich, daß auch keine Wolken da ſeyen, zumahl da der vierzehntaͤgige Sonnenſchein die Duͤnſte ſehr verduͤnnen muͤſſe; der im Plato geſehene Lichtſtreif ſey vielleicht ein ſolcher verduͤnnter Dunſt geweſen, wenigſtens ſetze auch einfallendes Sonnenlicht in dunklen Orten Duͤnſte voraus, die es zuruͤckwerfen und fuͤr uns ſichtbar machen koͤnnten u. ſ. w.

Man ſieht hieraus, daß der Streit uͤber das Daſeyn einer Mondatmoſphaͤre noch immer unentſchieden, und nur ſo viel gewiß ſey, daß der Mond in Abſicht auf Luft und Luftbegebenheiten unſerer Erde ſo aͤhnlich nicht iſt, als einige haben vorgeben wollen. Oft hat ſich auch Vorliebe zu gewiſſen Hypotheſen mit eingemiſcht, wie denn Hevel, der in ſeiner dem Monde beſonders gewidmeten Selenographie der Mondatmoſphaͤre mit keinem Worte gedacht hatte, erſt zwanzig Jahre darnach ein Vertheidiger derſelben ward, als er ſie zu ſeiner Hypotheſe uͤber die Cometen noͤthig hatte, wobey er doch ſelbſt geſteht (Cometograph.

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[162/0176] Stralen am Rande des Monds laſſe ſich ohne Atmoſphaͤre um ihn nicht denken. Huygens (Coſmotheorus, Hagae Com. 1698. 4. p. 115.) wendet gegen das Daſeyn der Mondatmoſphaͤre ein, man wuͤrde den Mondrand bey Bedeckungen der Sterne nicht ſo ſcharf und glatt abgeſchnitten, ſondern mit einem Schimmer umgeben (evanida quadam luce, ac velut lanugine finitam) finden; auch ſey im Monde kein Waſſer, aus dem Duͤnſte aufſteigen koͤnnten, wie man denn auch keine Wolken darinn ſehe. Dagegen erinnert Mairan (Tr. de l' aurore boreale, ſec. edit. 1754. p. 276.), wenn man die Mondatmoſphaͤre in Vergleichung mit dem Monde ſo groß ſetze, als der Luftkreis in Vergleichung mit der Erde iſt, ſo gehe ein Stern durch den ſtralenbrechenden Theil derſelben in einer Secunde hindurch, welche Zeit zu kurz ſey, um die Wirkungen der Refraction zu bemerken; man habe auch manchmal Sterne noch vor dem Augenblicke ihrer Verſchwindung an den Mondrand treten geſehen; auf der Erde gebe es auch Laͤnder, wo der Himmel ſtets heiter ſey; wenn kein Waſſer im Monde ſey, ſo ſey es leicht begreiflich, daß auch keine Wolken da ſeyen, zumahl da der vierzehntaͤgige Sonnenſchein die Duͤnſte ſehr verduͤnnen muͤſſe; der im Plato geſehene Lichtſtreif ſey vielleicht ein ſolcher verduͤnnter Dunſt geweſen, wenigſtens ſetze auch einfallendes Sonnenlicht in dunklen Orten Duͤnſte voraus, die es zuruͤckwerfen und fuͤr uns ſichtbar machen koͤnnten u. ſ. w. Man ſieht hieraus, daß der Streit uͤber das Daſeyn einer Mondatmoſphaͤre noch immer unentſchieden, und nur ſo viel gewiß ſey, daß der Mond in Abſicht auf Luft und Luftbegebenheiten unſerer Erde ſo aͤhnlich nicht iſt, als einige haben vorgeben wollen. Oft hat ſich auch Vorliebe zu gewiſſen Hypotheſen mit eingemiſcht, wie denn Hevel, der in ſeiner dem Monde beſonders gewidmeten Selenographie der Mondatmoſphaͤre mit keinem Worte gedacht hatte, erſt zwanzig Jahre darnach ein Vertheidiger derſelben ward, als er ſie zu ſeiner Hypotheſe uͤber die Cometen noͤthig hatte, wobey er doch ſelbſt geſteht (Cometograph.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/176>, abgerufen am 04.12.2024.