Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Erklärung der Peripatetiker gänzlich zu Boden, und beförderte dadurch den Sieg über die scholastisch-aristotelische Philosophie und Naturlehre. Man darf also sagen, daß die Erfindung des Barometers mit dem Ursprunge der richtigern Philosophie sehr genau verbunden gewesen sey.

Descartes, der so eifrige Gegner der aristotelischen Weltweisheit, scheint doch schon vor Torricelli und Pascal richtige Begriffe von der Ursache der Phänomene des Saugens gehabt zu haben. In seinen Briefen (Ren. Descartes Epistolae, Amst. 1682. III. Vol. 4.) finden sich verschiedene (P. II. 91. 94. 96. P. III. 102.), worinn er die Cohäsion, das Aufsteigen des Wassers in den Pumpen, die Erhaltung des Wassers in ofnen Gefäßen bey verstopfter oberer Oefnung, das Anhängen glatter Flächen an einander, ja sogar die Erhaltung des Quecksilbers in einer ofnen Glasröhre bey verschloßnem obern Ende, dem Drucke der Luft zuschreibt, und Galilei's Meinung von den Grenzen des Abscheus vor der Leere bestreitet. Es sind aber die Data dieser Briefe ungewiß, und andere Beyspiele lehren, daß Descartes nicht der gewissenhafteste war, wenn es darauf ankam, sich fremde Erfindungen zuzueignen, s. Brechung der Lichtstralen.

Torricelli und Pascal hatten schon bemerken müssen, daß die Höhe der Quecksilbersäule in der torricellischen Röhre täglichen Veränderungen unterworfen sey; sie schlossen daraus, daß auch der Druck der Atmosphäre von Tag zu Tag veränderlich sey, und daß man diese Röhre zur Wahrnehmung und Abmessung dieser Veränderungen gebrauchen könnte. Otto von Guericke war hierauf besonders aufmerksam. Man fieng daher an, dieses Instrument als etwas sehr nützliches zu betrachten, und jedermann versahe sich mit demselben. Man gab ihm den Namen Barometer, der so viel als Maaß der Schwere bedeutet; behutsamere Naturforscher wählten den Namen Baroskop, oder Werkzeug zu Beobachtung der Schwere, weil sie glaubten, zum Maaße werde mehr erfordert, als das Instrument leiste. Dennoch verdient dieses Werkzeug den Namen eines Maaßes mehr, als andere ähnliche; es


Erklaͤrung der Peripatetiker gaͤnzlich zu Boden, und befoͤrderte dadurch den Sieg uͤber die ſcholaſtiſch-ariſtoteliſche Philoſophie und Naturlehre. Man darf alſo ſagen, daß die Erfindung des Barometers mit dem Urſprunge der richtigern Philoſophie ſehr genau verbunden geweſen ſey.

Descartes, der ſo eifrige Gegner der ariſtoteliſchen Weltweisheit, ſcheint doch ſchon vor Torricelli und Paſcal richtige Begriffe von der Urſache der Phaͤnomene des Saugens gehabt zu haben. In ſeinen Briefen (Ren. Deſcartes Epiſtolae, Amſt. 1682. III. Vol. 4.) finden ſich verſchiedene (P. II. 91. 94. 96. P. III. 102.), worinn er die Cohaͤſion, das Aufſteigen des Waſſers in den Pumpen, die Erhaltung des Waſſers in ofnen Gefaͤßen bey verſtopfter oberer Oefnung, das Anhaͤngen glatter Flaͤchen an einander, ja ſogar die Erhaltung des Queckſilbers in einer ofnen Glasroͤhre bey verſchloßnem obern Ende, dem Drucke der Luft zuſchreibt, und Galilei's Meinung von den Grenzen des Abſcheus vor der Leere beſtreitet. Es ſind aber die Data dieſer Briefe ungewiß, und andere Beyſpiele lehren, daß Descartes nicht der gewiſſenhafteſte war, wenn es darauf ankam, ſich fremde Erfindungen zuzueignen, ſ. Brechung der Lichtſtralen.

Torricelli und Paſcal hatten ſchon bemerken muͤſſen, daß die Hoͤhe der Queckſilberſaͤule in der torricelliſchen Roͤhre taͤglichen Veraͤnderungen unterworfen ſey; ſie ſchloſſen daraus, daß auch der Druck der Atmoſphaͤre von Tag zu Tag veraͤnderlich ſey, und daß man dieſe Roͤhre zur Wahrnehmung und Abmeſſung dieſer Veraͤnderungen gebrauchen koͤnnte. Otto von Guericke war hierauf beſonders aufmerkſam. Man fieng daher an, dieſes Inſtrument als etwas ſehr nuͤtzliches zu betrachten, und jedermann verſahe ſich mit demſelben. Man gab ihm den Namen Barometer, der ſo viel als Maaß der Schwere bedeutet; behutſamere Naturforſcher waͤhlten den Namen Baroſkop, oder Werkzeug zu Beobachtung der Schwere, weil ſie glaubten, zum Maaße werde mehr erfordert, als das Inſtrument leiſte. Dennoch verdient dieſes Werkzeug den Namen eines Maaßes mehr, als andere aͤhnliche; es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0254" xml:id="P.1.240" n="240"/><lb/>
Erkla&#x0364;rung der Peripatetiker ga&#x0364;nzlich zu Boden, und befo&#x0364;rderte dadurch den Sieg u&#x0364;ber die &#x017F;chola&#x017F;ti&#x017F;ch-ari&#x017F;toteli&#x017F;che Philo&#x017F;ophie und Naturlehre. Man darf al&#x017F;o &#x017F;agen, daß die Erfindung des Barometers mit dem Ur&#x017F;prunge der richtigern Philo&#x017F;ophie &#x017F;ehr genau verbunden gewe&#x017F;en &#x017F;ey.</p>
          <p><hi rendition="#b">Descartes,</hi> der &#x017F;o eifrige Gegner der ari&#x017F;toteli&#x017F;chen Weltweisheit, &#x017F;cheint doch &#x017F;chon vor Torricelli und Pa&#x017F;cal richtige Begriffe von der Ur&#x017F;ache der Pha&#x0364;nomene des Saugens gehabt zu haben. In &#x017F;einen Briefen <hi rendition="#aq">(Ren. De&#x017F;cartes Epi&#x017F;tolae, Am&#x017F;t. 1682. III. Vol. 4.)</hi> finden &#x017F;ich ver&#x017F;chiedene <hi rendition="#aq">(P. II. 91. 94. 96. P. III. 102.),</hi> worinn er die Coha&#x0364;&#x017F;ion, das Auf&#x017F;teigen des Wa&#x017F;&#x017F;ers in den Pumpen, die Erhaltung des Wa&#x017F;&#x017F;ers in ofnen Gefa&#x0364;ßen bey ver&#x017F;topfter oberer Oefnung, das Anha&#x0364;ngen glatter Fla&#x0364;chen an einander, ja &#x017F;ogar die Erhaltung des Queck&#x017F;ilbers in einer ofnen Glasro&#x0364;hre bey ver&#x017F;chloßnem obern Ende, dem Drucke der Luft zu&#x017F;chreibt, und <hi rendition="#b">Galilei's</hi> Meinung von den Grenzen des Ab&#x017F;cheus vor der Leere be&#x017F;treitet. Es &#x017F;ind aber die Data die&#x017F;er Briefe ungewiß, und andere Bey&#x017F;piele lehren, daß Descartes nicht der gewi&#x017F;&#x017F;enhafte&#x017F;te war, wenn es darauf ankam, &#x017F;ich fremde Erfindungen zuzueignen, <hi rendition="#b">&#x017F;. Brechung der Licht&#x017F;tralen.</hi></p>
          <p><hi rendition="#b">Torricelli</hi> und <hi rendition="#b">Pa&#x017F;cal</hi> hatten &#x017F;chon bemerken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß die Ho&#x0364;he der Queck&#x017F;ilber&#x017F;a&#x0364;ule in der torricelli&#x017F;chen Ro&#x0364;hre ta&#x0364;glichen Vera&#x0364;nderungen unterworfen &#x017F;ey; &#x017F;ie &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en daraus, daß auch der Druck der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re von Tag zu Tag vera&#x0364;nderlich &#x017F;ey, und daß man die&#x017F;e Ro&#x0364;hre zur Wahrnehmung und Abme&#x017F;&#x017F;ung die&#x017F;er Vera&#x0364;nderungen gebrauchen ko&#x0364;nnte. <hi rendition="#b">Otto von Guericke</hi> war hierauf be&#x017F;onders aufmerk&#x017F;am. Man fieng daher an, die&#x017F;es In&#x017F;trument als etwas &#x017F;ehr nu&#x0364;tzliches zu betrachten, und jedermann ver&#x017F;ahe &#x017F;ich mit dem&#x017F;elben. Man gab ihm den Namen <hi rendition="#b">Barometer,</hi> der &#x017F;o viel als <hi rendition="#b">Maaß der Schwere</hi> bedeutet; behut&#x017F;amere Naturfor&#x017F;cher wa&#x0364;hlten den Namen <hi rendition="#b">Baro&#x017F;kop,</hi> oder Werkzeug zu Beobachtung der Schwere, weil &#x017F;ie glaubten, zum Maaße werde mehr erfordert, als das In&#x017F;trument lei&#x017F;te. Dennoch verdient die&#x017F;es Werkzeug den Namen eines Maaßes mehr, als andere a&#x0364;hnliche; es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0254] Erklaͤrung der Peripatetiker gaͤnzlich zu Boden, und befoͤrderte dadurch den Sieg uͤber die ſcholaſtiſch-ariſtoteliſche Philoſophie und Naturlehre. Man darf alſo ſagen, daß die Erfindung des Barometers mit dem Urſprunge der richtigern Philoſophie ſehr genau verbunden geweſen ſey. Descartes, der ſo eifrige Gegner der ariſtoteliſchen Weltweisheit, ſcheint doch ſchon vor Torricelli und Paſcal richtige Begriffe von der Urſache der Phaͤnomene des Saugens gehabt zu haben. In ſeinen Briefen (Ren. Deſcartes Epiſtolae, Amſt. 1682. III. Vol. 4.) finden ſich verſchiedene (P. II. 91. 94. 96. P. III. 102.), worinn er die Cohaͤſion, das Aufſteigen des Waſſers in den Pumpen, die Erhaltung des Waſſers in ofnen Gefaͤßen bey verſtopfter oberer Oefnung, das Anhaͤngen glatter Flaͤchen an einander, ja ſogar die Erhaltung des Queckſilbers in einer ofnen Glasroͤhre bey verſchloßnem obern Ende, dem Drucke der Luft zuſchreibt, und Galilei's Meinung von den Grenzen des Abſcheus vor der Leere beſtreitet. Es ſind aber die Data dieſer Briefe ungewiß, und andere Beyſpiele lehren, daß Descartes nicht der gewiſſenhafteſte war, wenn es darauf ankam, ſich fremde Erfindungen zuzueignen, ſ. Brechung der Lichtſtralen. Torricelli und Paſcal hatten ſchon bemerken muͤſſen, daß die Hoͤhe der Queckſilberſaͤule in der torricelliſchen Roͤhre taͤglichen Veraͤnderungen unterworfen ſey; ſie ſchloſſen daraus, daß auch der Druck der Atmoſphaͤre von Tag zu Tag veraͤnderlich ſey, und daß man dieſe Roͤhre zur Wahrnehmung und Abmeſſung dieſer Veraͤnderungen gebrauchen koͤnnte. Otto von Guericke war hierauf beſonders aufmerkſam. Man fieng daher an, dieſes Inſtrument als etwas ſehr nuͤtzliches zu betrachten, und jedermann verſahe ſich mit demſelben. Man gab ihm den Namen Barometer, der ſo viel als Maaß der Schwere bedeutet; behutſamere Naturforſcher waͤhlten den Namen Baroſkop, oder Werkzeug zu Beobachtung der Schwere, weil ſie glaubten, zum Maaße werde mehr erfordert, als das Inſtrument leiſte. Dennoch verdient dieſes Werkzeug den Namen eines Maaßes mehr, als andere aͤhnliche; es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/254
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/254>, abgerufen am 22.11.2024.