Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


einer Schiefe von etwa 40°, so, daß der zu kochende Theil in dem Kohlenfeuer steht. Wenn das Kochen angeht, so trennt sich das Quecksilber, und wenn man den Ort, wo dies geschieht, einige Augenblicke in der starken Hitze läßt, so stößt die erhitzte Luft die ganze wohl 23 Zoll hohe Quecksilbersäule mit Gewalt mehrere Zolle empor, die dann beym Zurückfallen gemeiniglich das Glas zersprengt. Man dars sie also nie über 1/2 Zoll steigen lassen. Aber um dieses Aufsteigen zu hindern, darf man nicht etwa die Röhre vom Feuer entfernen; man muß sie vielmehr weiter durchs Feuer fortschieben, damit der untere Theil der aufsteigenden Säule in die stärkste Hitze komme, und nach und nach in kleinen Kügelchen, nicht aber mit einem Schlage, zurückfalle. So, wie diese Kügelchen herabfallen, schiebt man die Röhre nach, daß immer der unterste Theil der erhobnen Säule in der stärksten Hitze bleibt, so kan man auf diese Art einen großen Theil der Röhre ohne Gefahr auskochen, und dann zu den übrigen Theilen fortgehen. Am zugeschmolzenen Ende selbst ist die größte Vorsicht nöthig. Das Aufsteigen der Blasen durch einen Eisendrath zu befördern, ist nicht rathsam, weil ein solcher Drath die Röhre ritzt. Daß man übrigens nicht anders, als durch Erfahrung und Uebung, Geschicklichkeit hierinn erlangen könne, ist an sich klar.

Durch das Kochen kömmt das Quecksilber in so genaue Berührung mit dem Glase, daß beym Umkehren der Röhre die ganze Säule darinn hängen bleibt, und erst nach einigem Schütteln aus der Spitze bis zur gewöhnlichen Barometerhöhe herabfällt. Man nimmt dieses Anhängen oft auch beym Füllen ungekochter Barometer wahr. Wolf (Nützl. Vers. ll. Th. C. 3. §. 36.) erzählt die hiehergehörigen Beobachtungen des Huygens, Brounker, Boyle und Wallis. Der erste sahe das Quecksilber in einer umgekehrten Röhre 75 rheinländische Zoll hoch stehen oder vielmehr hängen bleiben. Dieses Phänomen veranlaßte mancherley Hypothesen über gröbere und feinere Luft, Druck der subtilen Materie oder des Aethers u. dgl. Es ist nichts anders, als eine Wirkung des


einer Schiefe von etwa 40°, ſo, daß der zu kochende Theil in dem Kohlenfeuer ſteht. Wenn das Kochen angeht, ſo trennt ſich das Queckſilber, und wenn man den Ort, wo dies geſchieht, einige Augenblicke in der ſtarken Hitze laͤßt, ſo ſtoͤßt die erhitzte Luft die ganze wohl 23 Zoll hohe Queckſilberſaͤule mit Gewalt mehrere Zolle empor, die dann beym Zuruͤckfallen gemeiniglich das Glas zerſprengt. Man darſ ſie alſo nie uͤber 1/2 Zoll ſteigen laſſen. Aber um dieſes Aufſteigen zu hindern, darf man nicht etwa die Roͤhre vom Feuer entfernen; man muß ſie vielmehr weiter durchs Feuer fortſchieben, damit der untere Theil der aufſteigenden Saͤule in die ſtaͤrkſte Hitze komme, und nach und nach in kleinen Kuͤgelchen, nicht aber mit einem Schlage, zuruͤckfalle. So, wie dieſe Kuͤgelchen herabfallen, ſchiebt man die Roͤhre nach, daß immer der unterſte Theil der erhobnen Saͤule in der ſtaͤrkſten Hitze bleibt, ſo kan man auf dieſe Art einen großen Theil der Roͤhre ohne Gefahr auskochen, und dann zu den uͤbrigen Theilen fortgehen. Am zugeſchmolzenen Ende ſelbſt iſt die groͤßte Vorſicht noͤthig. Das Aufſteigen der Blaſen durch einen Eiſendrath zu befoͤrdern, iſt nicht rathſam, weil ein ſolcher Drath die Roͤhre ritzt. Daß man uͤbrigens nicht anders, als durch Erfahrung und Uebung, Geſchicklichkeit hierinn erlangen koͤnne, iſt an ſich klar.

Durch das Kochen koͤmmt das Queckſilber in ſo genaue Beruͤhrung mit dem Glaſe, daß beym Umkehren der Roͤhre die ganze Saͤule darinn haͤngen bleibt, und erſt nach einigem Schuͤtteln aus der Spitze bis zur gewoͤhnlichen Barometerhoͤhe herabfaͤllt. Man nimmt dieſes Anhaͤngen oft auch beym Fuͤllen ungekochter Barometer wahr. Wolf (Nuͤtzl. Verſ. ll. Th. C. 3. §. 36.) erzaͤhlt die hiehergehoͤrigen Beobachtungen des Huygens, Brounker, Boyle und Wallis. Der erſte ſahe das Queckſilber in einer umgekehrten Roͤhre 75 rheinlaͤndiſche Zoll hoch ſtehen oder vielmehr haͤngen bleiben. Dieſes Phaͤnomen veranlaßte mancherley Hypotheſen uͤber groͤbere und feinere Luft, Druck der ſubtilen Materie oder des Aethers u. dgl. Es iſt nichts anders, als eine Wirkung des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" xml:id="P.1.256" n="256"/><lb/>
einer Schiefe von etwa 40°, &#x017F;o, daß der zu kochende Theil in dem Kohlenfeuer &#x017F;teht. Wenn das Kochen angeht, &#x017F;o trennt &#x017F;ich das Queck&#x017F;ilber, und wenn man den Ort, wo dies ge&#x017F;chieht, einige Augenblicke in der &#x017F;tarken Hitze la&#x0364;ßt, &#x017F;o &#x017F;to&#x0364;ßt die erhitzte Luft die ganze wohl 23 Zoll hohe Queck&#x017F;ilber&#x017F;a&#x0364;ule mit Gewalt mehrere Zolle empor, die dann beym Zuru&#x0364;ckfallen gemeiniglich das Glas zer&#x017F;prengt. Man dar&#x017F; &#x017F;ie al&#x017F;o nie u&#x0364;ber 1/2 Zoll &#x017F;teigen la&#x017F;&#x017F;en. Aber um die&#x017F;es Auf&#x017F;teigen zu hindern, darf man nicht etwa die Ro&#x0364;hre vom Feuer entfernen; man muß &#x017F;ie vielmehr weiter durchs Feuer fort&#x017F;chieben, damit der untere Theil der auf&#x017F;teigenden Sa&#x0364;ule in die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Hitze komme, und nach und nach in kleinen Ku&#x0364;gelchen, nicht aber mit einem Schlage, zuru&#x0364;ckfalle. So, wie die&#x017F;e Ku&#x0364;gelchen herabfallen, &#x017F;chiebt man die Ro&#x0364;hre nach, daß immer der unter&#x017F;te Theil der erhobnen Sa&#x0364;ule in der &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Hitze bleibt, &#x017F;o kan man auf die&#x017F;e Art einen großen Theil der Ro&#x0364;hre ohne Gefahr auskochen, und dann zu den u&#x0364;brigen Theilen fortgehen. Am zuge&#x017F;chmolzenen Ende &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t die gro&#x0364;ßte Vor&#x017F;icht no&#x0364;thig. Das Auf&#x017F;teigen der Bla&#x017F;en durch einen Ei&#x017F;endrath zu befo&#x0364;rdern, i&#x017F;t nicht rath&#x017F;am, weil ein &#x017F;olcher Drath die Ro&#x0364;hre ritzt. Daß man u&#x0364;brigens nicht anders, als durch Erfahrung und Uebung, Ge&#x017F;chicklichkeit hierinn erlangen ko&#x0364;nne, i&#x017F;t an &#x017F;ich klar.</p>
          <p>Durch das Kochen ko&#x0364;mmt das Queck&#x017F;ilber in &#x017F;o genaue Beru&#x0364;hrung mit dem Gla&#x017F;e, daß beym Umkehren der Ro&#x0364;hre die ganze Sa&#x0364;ule darinn ha&#x0364;ngen bleibt, und er&#x017F;t nach einigem Schu&#x0364;tteln aus der Spitze bis zur gewo&#x0364;hnlichen Barometerho&#x0364;he herabfa&#x0364;llt. Man nimmt die&#x017F;es Anha&#x0364;ngen oft auch beym Fu&#x0364;llen ungekochter Barometer wahr. <hi rendition="#b">Wolf</hi> (Nu&#x0364;tzl. Ver&#x017F;. <hi rendition="#aq">ll.</hi> Th. C. 3. §. 36.) erza&#x0364;hlt die hiehergeho&#x0364;rigen Beobachtungen des <hi rendition="#b">Huygens, Brounker, Boyle</hi> und <hi rendition="#b">Wallis.</hi> Der er&#x017F;te &#x017F;ahe das Queck&#x017F;ilber in einer umgekehrten Ro&#x0364;hre 75 rheinla&#x0364;ndi&#x017F;che Zoll hoch &#x017F;tehen oder vielmehr ha&#x0364;ngen bleiben. Die&#x017F;es Pha&#x0364;nomen veranlaßte mancherley Hypothe&#x017F;en u&#x0364;ber gro&#x0364;bere und feinere Luft, Druck der &#x017F;ubtilen Materie oder des Aethers u. dgl. Es i&#x017F;t nichts anders, als eine Wirkung des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0270] einer Schiefe von etwa 40°, ſo, daß der zu kochende Theil in dem Kohlenfeuer ſteht. Wenn das Kochen angeht, ſo trennt ſich das Queckſilber, und wenn man den Ort, wo dies geſchieht, einige Augenblicke in der ſtarken Hitze laͤßt, ſo ſtoͤßt die erhitzte Luft die ganze wohl 23 Zoll hohe Queckſilberſaͤule mit Gewalt mehrere Zolle empor, die dann beym Zuruͤckfallen gemeiniglich das Glas zerſprengt. Man darſ ſie alſo nie uͤber 1/2 Zoll ſteigen laſſen. Aber um dieſes Aufſteigen zu hindern, darf man nicht etwa die Roͤhre vom Feuer entfernen; man muß ſie vielmehr weiter durchs Feuer fortſchieben, damit der untere Theil der aufſteigenden Saͤule in die ſtaͤrkſte Hitze komme, und nach und nach in kleinen Kuͤgelchen, nicht aber mit einem Schlage, zuruͤckfalle. So, wie dieſe Kuͤgelchen herabfallen, ſchiebt man die Roͤhre nach, daß immer der unterſte Theil der erhobnen Saͤule in der ſtaͤrkſten Hitze bleibt, ſo kan man auf dieſe Art einen großen Theil der Roͤhre ohne Gefahr auskochen, und dann zu den uͤbrigen Theilen fortgehen. Am zugeſchmolzenen Ende ſelbſt iſt die groͤßte Vorſicht noͤthig. Das Aufſteigen der Blaſen durch einen Eiſendrath zu befoͤrdern, iſt nicht rathſam, weil ein ſolcher Drath die Roͤhre ritzt. Daß man uͤbrigens nicht anders, als durch Erfahrung und Uebung, Geſchicklichkeit hierinn erlangen koͤnne, iſt an ſich klar. Durch das Kochen koͤmmt das Queckſilber in ſo genaue Beruͤhrung mit dem Glaſe, daß beym Umkehren der Roͤhre die ganze Saͤule darinn haͤngen bleibt, und erſt nach einigem Schuͤtteln aus der Spitze bis zur gewoͤhnlichen Barometerhoͤhe herabfaͤllt. Man nimmt dieſes Anhaͤngen oft auch beym Fuͤllen ungekochter Barometer wahr. Wolf (Nuͤtzl. Verſ. ll. Th. C. 3. §. 36.) erzaͤhlt die hiehergehoͤrigen Beobachtungen des Huygens, Brounker, Boyle und Wallis. Der erſte ſahe das Queckſilber in einer umgekehrten Roͤhre 75 rheinlaͤndiſche Zoll hoch ſtehen oder vielmehr haͤngen bleiben. Dieſes Phaͤnomen veranlaßte mancherley Hypotheſen uͤber groͤbere und feinere Luft, Druck der ſubtilen Materie oder des Aethers u. dgl. Es iſt nichts anders, als eine Wirkung des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/270
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/270>, abgerufen am 22.11.2024.