Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Newton, der die verschiedene Brechbarkeit der Lichtstralen entdeckt, und die daraus entstehende Abweichung der Gläser mit Recht für die Hauptursache der Undeutlichkeit in den Fernröhren erkannt hatte, ließ sich bey dieser wichtigen Entdeckung dennoch zu einem Irrthume verleiten. Er glaubte nemlich, die verschiedenen bey der Brechung von einander gesonderten Farbenstralen würden von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhältnisse zerstreut; wenn also die Brechung der Stralen von der mittlern Gattung bestimmt sey, so sey dadurch auch die Brechung derer von den äußersten Gattungen, d. i. der rothen und violetten gegeben, das brechende Mittel möchte seyn, welches man wolle. Diesen Satz sahe er als eine nothwendige Folge eines seiner Versuche an. Er glaubte nemlich gefunden zu haben (Newtoni Optice lat. redd. a Sam. Clarke. Lond. 1706. 4. L. I. Part. II. Exp. 8.), daß das Licht, durch wie vielerley verschiedene brechende Mittel es auch immer gehen möchte, allezeit weiß bleibe, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel sey; hingegen allezeit in Farben zerstreut werde, wenn der ausgehende Stral eine andere Richtung nehme, als er beym Eingange gehabt habe. Weil nun aus dem Objectivglase eines Fernrohrs die von entlegnen Punkten einfallenden Stralen so ausgehen müssen, daß sie nach dem Brennraume zusammenlaufen, und also ihre Richtung beym Ausgange nie mit ihrer Richtung beym Eingange in das Glas parallel bleiben kan, so hielt er es für eine entschiedene Unmöglichkeit, durch das Objectivglas eines Fernrohrs weisses Licht und ungefärbte Bilder zu erhalten. Er zog daher seine Gedanken von Verbesserung der Objectivgläser gänzlich ab, und verwendete alle seine Bemühungen blos auf die Spiegeltelescope. Bey dem großen Ansehen, in welchem Newtons Behauptungen und Versuche standen, blieb die Frage von Vermeidung der Farbenzerstreuung bey Objectivgläsern auf achtzig Jahre lang unberührt, bis endlich Euler
Newton, der die verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen entdeckt, und die daraus entſtehende Abweichung der Glaͤſer mit Recht fuͤr die Haupturſache der Undeutlichkeit in den Fernroͤhren erkannt hatte, ließ ſich bey dieſer wichtigen Entdeckung dennoch zu einem Irrthume verleiten. Er glaubte nemlich, die verſchiedenen bey der Brechung von einander geſonderten Farbenſtralen wuͤrden von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhaͤltniſſe zerſtreut; wenn alſo die Brechung der Stralen von der mittlern Gattung beſtimmt ſey, ſo ſey dadurch auch die Brechung derer von den aͤußerſten Gattungen, d. i. der rothen und violetten gegeben, das brechende Mittel moͤchte ſeyn, welches man wolle. Dieſen Satz ſahe er als eine nothwendige Folge eines ſeiner Verſuche an. Er glaubte nemlich gefunden zu haben (Newtoni Optice lat. redd. a Sam. Clarke. Lond. 1706. 4. L. I. Part. II. Exp. 8.), daß das Licht, durch wie vielerley verſchiedene brechende Mittel es auch immer gehen moͤchte, allezeit weiß bleibe, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel ſey; hingegen allezeit in Farben zerſtreut werde, wenn der ausgehende Stral eine andere Richtung nehme, als er beym Eingange gehabt habe. Weil nun aus dem Objectivglaſe eines Fernrohrs die von entlegnen Punkten einfallenden Stralen ſo ausgehen muͤſſen, daß ſie nach dem Brennraume zuſammenlaufen, und alſo ihre Richtung beym Ausgange nie mit ihrer Richtung beym Eingange in das Glas parallel bleiben kan, ſo hielt er es fuͤr eine entſchiedene Unmoͤglichkeit, durch das Objectivglas eines Fernrohrs weiſſes Licht und ungefaͤrbte Bilder zu erhalten. Er zog daher ſeine Gedanken von Verbeſſerung der Objectivglaͤſer gaͤnzlich ab, und verwendete alle ſeine Bemuͤhungen blos auf die Spiegelteleſcope. Bey dem großen Anſehen, in welchem Newtons Behauptungen und Verſuche ſtanden, blieb die Frage von Vermeidung der Farbenzerſtreuung bey Objectivglaͤſern auf achtzig Jahre lang unberuͤhrt, bis endlich Euler <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" xml:id="P.1.34" n="34"/><lb/><hi rendition="#b">achromatiſch</hi> iſt griechiſch und bedeutet <hi rendition="#b">farbenlos, nicht faͤrbend.</hi></p> <p><hi rendition="#b">Newton,</hi> der die verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen entdeckt, und die daraus entſtehende Abweichung der Glaͤſer mit Recht fuͤr die Haupturſache der Undeutlichkeit in den Fernroͤhren erkannt hatte, ließ ſich bey dieſer wichtigen Entdeckung dennoch zu einem Irrthume verleiten. Er glaubte nemlich, die verſchiedenen bey der Brechung von einander geſonderten Farbenſtralen wuͤrden von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhaͤltniſſe zerſtreut; wenn alſo die Brechung der Stralen von der mittlern Gattung beſtimmt ſey, ſo ſey dadurch auch die Brechung derer von den aͤußerſten Gattungen, d. i. der rothen und violetten gegeben, das brechende Mittel moͤchte ſeyn, welches man wolle. Dieſen Satz ſahe er als eine nothwendige Folge eines ſeiner Verſuche an. Er glaubte nemlich gefunden zu haben <hi rendition="#aq">(Newtoni Optice lat. redd. a Sam. Clarke. Lond. 1706. 4. L. I. Part. II. Exp. 8.),</hi> daß das Licht, durch wie vielerley verſchiedene brechende Mittel es auch immer gehen moͤchte, allezeit weiß bleibe, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel ſey; hingegen allezeit in Farben zerſtreut werde, wenn der ausgehende Stral eine andere Richtung nehme, als er beym Eingange gehabt habe. Weil nun aus dem Objectivglaſe eines Fernrohrs die von entlegnen Punkten einfallenden Stralen ſo ausgehen muͤſſen, daß ſie nach dem Brennraume zuſammenlaufen, und alſo ihre Richtung beym Ausgange nie mit ihrer Richtung beym Eingange in das Glas parallel bleiben kan, ſo hielt er es fuͤr eine entſchiedene Unmoͤglichkeit, durch das Objectivglas eines Fernrohrs weiſſes Licht und ungefaͤrbte Bilder zu erhalten. Er zog daher ſeine Gedanken von Verbeſſerung der Objectivglaͤſer gaͤnzlich ab, und verwendete alle ſeine Bemuͤhungen blos auf die Spiegelteleſcope.</p> <p>Bey dem großen Anſehen, in welchem <hi rendition="#b">Newtons</hi> Behauptungen und Verſuche ſtanden, blieb die Frage von Vermeidung der Farbenzerſtreuung bey Objectivglaͤſern auf achtzig Jahre lang unberuͤhrt, bis endlich <hi rendition="#b">Euler</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0048]
achromatiſch iſt griechiſch und bedeutet farbenlos, nicht faͤrbend.
Newton, der die verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen entdeckt, und die daraus entſtehende Abweichung der Glaͤſer mit Recht fuͤr die Haupturſache der Undeutlichkeit in den Fernroͤhren erkannt hatte, ließ ſich bey dieſer wichtigen Entdeckung dennoch zu einem Irrthume verleiten. Er glaubte nemlich, die verſchiedenen bey der Brechung von einander geſonderten Farbenſtralen wuͤrden von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhaͤltniſſe zerſtreut; wenn alſo die Brechung der Stralen von der mittlern Gattung beſtimmt ſey, ſo ſey dadurch auch die Brechung derer von den aͤußerſten Gattungen, d. i. der rothen und violetten gegeben, das brechende Mittel moͤchte ſeyn, welches man wolle. Dieſen Satz ſahe er als eine nothwendige Folge eines ſeiner Verſuche an. Er glaubte nemlich gefunden zu haben (Newtoni Optice lat. redd. a Sam. Clarke. Lond. 1706. 4. L. I. Part. II. Exp. 8.), daß das Licht, durch wie vielerley verſchiedene brechende Mittel es auch immer gehen moͤchte, allezeit weiß bleibe, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel ſey; hingegen allezeit in Farben zerſtreut werde, wenn der ausgehende Stral eine andere Richtung nehme, als er beym Eingange gehabt habe. Weil nun aus dem Objectivglaſe eines Fernrohrs die von entlegnen Punkten einfallenden Stralen ſo ausgehen muͤſſen, daß ſie nach dem Brennraume zuſammenlaufen, und alſo ihre Richtung beym Ausgange nie mit ihrer Richtung beym Eingange in das Glas parallel bleiben kan, ſo hielt er es fuͤr eine entſchiedene Unmoͤglichkeit, durch das Objectivglas eines Fernrohrs weiſſes Licht und ungefaͤrbte Bilder zu erhalten. Er zog daher ſeine Gedanken von Verbeſſerung der Objectivglaͤſer gaͤnzlich ab, und verwendete alle ſeine Bemuͤhungen blos auf die Spiegelteleſcope.
Bey dem großen Anſehen, in welchem Newtons Behauptungen und Verſuche ſtanden, blieb die Frage von Vermeidung der Farbenzerſtreuung bey Objectivglaͤſern auf achtzig Jahre lang unberuͤhrt, bis endlich Euler
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