Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Nach dem Zeugnisse Plutarchs haben schon einige Weltweisen des Alterthums die Bewegungen in krummen Linien aus einer Kraft gegen den Mittelpunkt und aus der Kraft der Umdrehung oder des Schwungs selbst hergeleitet; aber ihre Begriffe hievon waren viel zu unvollständig. Galilei lehrte zuerst etwas bestimmteres; allein er schränkte sich blos auf einen besondern Fall der Centralbewegungen, nemlich auf die Bahn geworfener Erdkörper, ein, welche parabolisch ist, und durch die Schwere nach der Erde verbunden mit der vom Wurfe herrührenden Bewegung bestimmt wird. Die erste Bekanntmachung der Sätze von der Schwungkraft im Kreise hat man Huygens zu danken, der sie anfänglich (Theoremata de vi centrifuga, im Horologio oscillatorio, Paris. 1673. fol. P. V.) ohne Beweis herausgab. In der nach seinem Tode erschienenen Sammlung (Christ. Hugenii Opuscula posthuma, Lugd. Bat. 1703. 4.) finden sie sich nebst den Beweisen als eine eigne Abhandlung unter dem Titel: De vi centrifuga. Er begleitete diese Sätze mit einigen sehr scharfsinnigen Anwendungen auf besondere Arten der Schwungbewegung, berechnete auch die Schwungkraft bey Umdrehung der Erde und die daraus entstehende Verminderung der Schwere, und leitete daraus die Vermuthung einer abgeplatteten Gestalt der Erdkugel her. Newton betrachtete die Lehre von den krummlinigten Bewegungen aus einem weit allgemeinern Gesichtspunkte, und fand mit Hülfe der erhabensten Geometrie ihre Gesetze, deren Erklärung einen großen Theil seines unsterblichen Werks (Principia philos. natur. mathemat. Lond. 1687. 4.) ausmacht. Er fand zuerst, daß bey allen Centralbewegungen der Radius vector in gleichen Zeiten gleiche Flächen durchlaufen müsse, und daß umgekehrt dieses Durchlaufen gleicher Flächen, welches nach Keplern
Nach dem Zeugniſſe Plutarchs haben ſchon einige Weltweiſen des Alterthums die Bewegungen in krummen Linien aus einer Kraft gegen den Mittelpunkt und aus der Kraft der Umdrehung oder des Schwungs ſelbſt hergeleitet; aber ihre Begriffe hievon waren viel zu unvollſtaͤndig. Galilei lehrte zuerſt etwas beſtimmteres; allein er ſchraͤnkte ſich blos auf einen beſondern Fall der Centralbewegungen, nemlich auf die Bahn geworfener Erdkoͤrper, ein, welche paraboliſch iſt, und durch die Schwere nach der Erde verbunden mit der vom Wurfe herruͤhrenden Bewegung beſtimmt wird. Die erſte Bekanntmachung der Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe hat man Huygens zu danken, der ſie anfaͤnglich (Theoremata de vi centrifuga, im Horologio oſcillatorio, Pariſ. 1673. fol. P. V.) ohne Beweis herausgab. In der nach ſeinem Tode erſchienenen Sammlung (Chriſt. Hugenii Opuſcula poſthuma, Lugd. Bat. 1703. 4.) finden ſie ſich nebſt den Beweiſen als eine eigne Abhandlung unter dem Titel: De vi centrifuga. Er begleitete dieſe Saͤtze mit einigen ſehr ſcharfſinnigen Anwendungen auf beſondere Arten der Schwungbewegung, berechnete auch die Schwungkraft bey Umdrehung der Erde und die daraus entſtehende Verminderung der Schwere, und leitete daraus die Vermuthung einer abgeplatteten Geſtalt der Erdkugel her. Newton betrachtete die Lehre von den krummlinigten Bewegungen aus einem weit allgemeinern Geſichtspunkte, und fand mit Huͤlfe der erhabenſten Geometrie ihre Geſetze, deren Erklaͤrung einen großen Theil ſeines unſterblichen Werks (Principia philoſ. natur. mathemat. Lond. 1687. 4.) ausmacht. Er fand zuerſt, daß bey allen Centralbewegungen der Radius vector in gleichen Zeiten gleiche Flaͤchen durchlaufen muͤſſe, und daß umgekehrt dieſes Durchlaufen gleicher Flaͤchen, welches nach Keplern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0514" xml:id="P.1.500" n="500"/><lb/> koͤnnen wir doch keine Kenntniß von denſelben haben, weil ihre Bahnen nicht wieder in ſich zuruͤckkehren Sie koͤnnen in andere Syſteme uͤbergegangen ſeyn, ohne je wieder zu uns zu kommen.</p> <p>Nach dem Zeugniſſe <hi rendition="#b">Plutarchs</hi> haben ſchon einige Weltweiſen des Alterthums die Bewegungen in krummen Linien aus einer Kraft gegen den Mittelpunkt und aus der Kraft der Umdrehung oder des Schwungs ſelbſt hergeleitet; aber ihre Begriffe hievon waren viel zu unvollſtaͤndig. <hi rendition="#b">Galilei</hi> lehrte zuerſt etwas beſtimmteres; allein er ſchraͤnkte ſich blos auf einen beſondern Fall der Centralbewegungen, nemlich auf die Bahn geworfener Erdkoͤrper, ein, welche paraboliſch iſt, und durch die Schwere nach der Erde verbunden mit der vom Wurfe herruͤhrenden Bewegung beſtimmt wird.</p> <p>Die erſte Bekanntmachung der Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe hat man <hi rendition="#b">Huygens</hi> zu danken, der ſie anfaͤnglich (<hi rendition="#aq">Theoremata de vi centrifuga,</hi> im <hi rendition="#aq">Horologio oſcillatorio, Pariſ. 1673. fol. P. V.)</hi> ohne Beweis herausgab. In der nach ſeinem Tode erſchienenen Sammlung <hi rendition="#aq">(Chriſt. Hugenii Opuſcula poſthuma, Lugd. Bat. 1703. 4.)</hi> finden ſie ſich nebſt den Beweiſen als eine eigne Abhandlung unter dem Titel: <hi rendition="#aq">De vi centrifuga.</hi> Er begleitete dieſe Saͤtze mit einigen ſehr ſcharfſinnigen Anwendungen auf beſondere Arten der Schwungbewegung, berechnete auch die Schwungkraft bey Umdrehung der Erde und die daraus entſtehende Verminderung der Schwere, und leitete daraus die Vermuthung einer abgeplatteten Geſtalt der Erdkugel her.</p> <p><hi rendition="#b">Newton</hi> betrachtete die Lehre von den krummlinigten Bewegungen aus einem weit allgemeinern Geſichtspunkte, und fand mit Huͤlfe der erhabenſten Geometrie ihre Geſetze, deren Erklaͤrung einen großen Theil ſeines unſterblichen Werks <hi rendition="#aq">(Principia philoſ. natur. mathemat. Lond. 1687. 4.)</hi> ausmacht. Er fand zuerſt, daß bey allen Centralbewegungen der Radius vector in gleichen Zeiten gleiche Flaͤchen durchlaufen muͤſſe, und daß umgekehrt dieſes Durchlaufen gleicher Flaͤchen, welches nach <hi rendition="#b">Keplern</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [500/0514]
koͤnnen wir doch keine Kenntniß von denſelben haben, weil ihre Bahnen nicht wieder in ſich zuruͤckkehren Sie koͤnnen in andere Syſteme uͤbergegangen ſeyn, ohne je wieder zu uns zu kommen.
Nach dem Zeugniſſe Plutarchs haben ſchon einige Weltweiſen des Alterthums die Bewegungen in krummen Linien aus einer Kraft gegen den Mittelpunkt und aus der Kraft der Umdrehung oder des Schwungs ſelbſt hergeleitet; aber ihre Begriffe hievon waren viel zu unvollſtaͤndig. Galilei lehrte zuerſt etwas beſtimmteres; allein er ſchraͤnkte ſich blos auf einen beſondern Fall der Centralbewegungen, nemlich auf die Bahn geworfener Erdkoͤrper, ein, welche paraboliſch iſt, und durch die Schwere nach der Erde verbunden mit der vom Wurfe herruͤhrenden Bewegung beſtimmt wird.
Die erſte Bekanntmachung der Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe hat man Huygens zu danken, der ſie anfaͤnglich (Theoremata de vi centrifuga, im Horologio oſcillatorio, Pariſ. 1673. fol. P. V.) ohne Beweis herausgab. In der nach ſeinem Tode erſchienenen Sammlung (Chriſt. Hugenii Opuſcula poſthuma, Lugd. Bat. 1703. 4.) finden ſie ſich nebſt den Beweiſen als eine eigne Abhandlung unter dem Titel: De vi centrifuga. Er begleitete dieſe Saͤtze mit einigen ſehr ſcharfſinnigen Anwendungen auf beſondere Arten der Schwungbewegung, berechnete auch die Schwungkraft bey Umdrehung der Erde und die daraus entſtehende Verminderung der Schwere, und leitete daraus die Vermuthung einer abgeplatteten Geſtalt der Erdkugel her.
Newton betrachtete die Lehre von den krummlinigten Bewegungen aus einem weit allgemeinern Geſichtspunkte, und fand mit Huͤlfe der erhabenſten Geometrie ihre Geſetze, deren Erklaͤrung einen großen Theil ſeines unſterblichen Werks (Principia philoſ. natur. mathemat. Lond. 1687. 4.) ausmacht. Er fand zuerſt, daß bey allen Centralbewegungen der Radius vector in gleichen Zeiten gleiche Flaͤchen durchlaufen muͤſſe, und daß umgekehrt dieſes Durchlaufen gleicher Flaͤchen, welches nach Keplern
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