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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Die meisten Naturforscher sehen diese starke Cohäsion bey Vermehrung der Berührungspunkte, besonders durch dazwischen gebrachte Flüßigkeiten, als die Ursache der Bildung der Steine an. In einer Sandschicht berühren sich die Körner an wenigen Stellen, und würden so vielleicht Jahrhunderte lang unverändert Sand bleiben. Man setze aber, daß sich Wasser durch diese Schicht durchseihe. Dies führt kleinere Körner zwischen die großen und noch kleinere zwischen jene, vermehrt die Berührungspunkte, und mit Ablauf der Zeit wird die ganze Masse Stein, s. Versteinerung. Auf eine ähnliche Art bereiten wir unser Mauerwerk. Wir vermischen den Sand mit Kalch, welchen das Wasser zwischen die Sandkörner führt, und, wenn das Wasser verdünstet, eine Menge Berührungspunkte giebt: dieser versteinerte Sand hängt sich aus gleicher Ursache an die Steine und Ziegeln, und verbindet das Ganze. Wenn eine Mauer wohl zubereitet und an Erdreich gelehnt oder dick ist, daß die Feuchtigkeit eindringen und in ihre kleinen Zwischenräume noch feinere Materie führen kan, so wird sie mit der Zeit so fest, wie Fels. Vielleicht hat der Mörtel der Alten seine große Festigkeit blos der Zeit zu danken. Was hier die Kunst bewirkt, thut auch die Natur; die Breccia oder das zusammengebackne Gestein ist ein natürliches Mauerwerk.

Aus gleichen Gründen hängen polirte Glas-Metallund Marmorplatten bey genauer Berührung mit einer Wasserfläche und unter einander selbst zusammen; auch dann noch, wenn man ein Haar oder einen seidnen Faden dazwischen legt. Im Gegentheil kan man das Zusammenhängen zweener Körper, die sich genau berühren, dadurch verhindern oder schwächen, daß man einen andern dazwischen bringt, der sie von einander entfernt hält, und beyde selbst nur in wenigen Punkten berührt. Aus diesem Gesetz der Cohäsion erklären sich auch viele in den Künsten bekannte Verbindungsmittel, das Leimen, Kütten, Löthen, Zusammenschweißen u. dgl.

Musschenbroek Introductio ad cohaerentiam corporum firmorum in ej. Diss. physicis, Lugd. Bat. 1729. 4 maj. p. 425.


Die meiſten Naturforſcher ſehen dieſe ſtarke Cohaͤſion bey Vermehrung der Beruͤhrungspunkte, beſonders durch dazwiſchen gebrachte Fluͤßigkeiten, als die Urſache der Bildung der Steine an. In einer Sandſchicht beruͤhren ſich die Koͤrner an wenigen Stellen, und wuͤrden ſo vielleicht Jahrhunderte lang unveraͤndert Sand bleiben. Man ſetze aber, daß ſich Waſſer durch dieſe Schicht durchſeihe. Dies fuͤhrt kleinere Koͤrner zwiſchen die großen und noch kleinere zwiſchen jene, vermehrt die Beruͤhrungspunkte, und mit Ablauf der Zeit wird die ganze Maſſe Stein, ſ. Verſteinerung. Auf eine aͤhnliche Art bereiten wir unſer Mauerwerk. Wir vermiſchen den Sand mit Kalch, welchen das Waſſer zwiſchen die Sandkoͤrner fuͤhrt, und, wenn das Waſſer verduͤnſtet, eine Menge Beruͤhrungspunkte giebt: dieſer verſteinerte Sand haͤngt ſich aus gleicher Urſache an die Steine und Ziegeln, und verbindet das Ganze. Wenn eine Mauer wohl zubereitet und an Erdreich gelehnt oder dick iſt, daß die Feuchtigkeit eindringen und in ihre kleinen Zwiſchenraͤume noch feinere Materie fuͤhren kan, ſo wird ſie mit der Zeit ſo feſt, wie Fels. Vielleicht hat der Moͤrtel der Alten ſeine große Feſtigkeit blos der Zeit zu danken. Was hier die Kunſt bewirkt, thut auch die Natur; die Breccia oder das zuſammengebackne Geſtein iſt ein natuͤrliches Mauerwerk.

Aus gleichen Gruͤnden haͤngen polirte Glas-Metallund Marmorplatten bey genauer Beruͤhrung mit einer Waſſerflaͤche und unter einander ſelbſt zuſammen; auch dann noch, wenn man ein Haar oder einen ſeidnen Faden dazwiſchen legt. Im Gegentheil kan man das Zuſammenhaͤngen zweener Koͤrper, die ſich genau beruͤhren, dadurch verhindern oder ſchwaͤchen, daß man einen andern dazwiſchen bringt, der ſie von einander entfernt haͤlt, und beyde ſelbſt nur in wenigen Punkten beruͤhrt. Aus dieſem Geſetz der Cohaͤſion erklaͤren ſich auch viele in den Kuͤnſten bekannte Verbindungsmittel, das Leimen, Kuͤtten, Loͤthen, Zuſammenſchweißen u. dgl.

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[520/0534] Die meiſten Naturforſcher ſehen dieſe ſtarke Cohaͤſion bey Vermehrung der Beruͤhrungspunkte, beſonders durch dazwiſchen gebrachte Fluͤßigkeiten, als die Urſache der Bildung der Steine an. In einer Sandſchicht beruͤhren ſich die Koͤrner an wenigen Stellen, und wuͤrden ſo vielleicht Jahrhunderte lang unveraͤndert Sand bleiben. Man ſetze aber, daß ſich Waſſer durch dieſe Schicht durchſeihe. Dies fuͤhrt kleinere Koͤrner zwiſchen die großen und noch kleinere zwiſchen jene, vermehrt die Beruͤhrungspunkte, und mit Ablauf der Zeit wird die ganze Maſſe Stein, ſ. Verſteinerung. Auf eine aͤhnliche Art bereiten wir unſer Mauerwerk. Wir vermiſchen den Sand mit Kalch, welchen das Waſſer zwiſchen die Sandkoͤrner fuͤhrt, und, wenn das Waſſer verduͤnſtet, eine Menge Beruͤhrungspunkte giebt: dieſer verſteinerte Sand haͤngt ſich aus gleicher Urſache an die Steine und Ziegeln, und verbindet das Ganze. Wenn eine Mauer wohl zubereitet und an Erdreich gelehnt oder dick iſt, daß die Feuchtigkeit eindringen und in ihre kleinen Zwiſchenraͤume noch feinere Materie fuͤhren kan, ſo wird ſie mit der Zeit ſo feſt, wie Fels. Vielleicht hat der Moͤrtel der Alten ſeine große Feſtigkeit blos der Zeit zu danken. Was hier die Kunſt bewirkt, thut auch die Natur; die Breccia oder das zuſammengebackne Geſtein iſt ein natuͤrliches Mauerwerk. Aus gleichen Gruͤnden haͤngen polirte Glas-Metallund Marmorplatten bey genauer Beruͤhrung mit einer Waſſerflaͤche und unter einander ſelbſt zuſammen; auch dann noch, wenn man ein Haar oder einen ſeidnen Faden dazwiſchen legt. Im Gegentheil kan man das Zuſammenhaͤngen zweener Koͤrper, die ſich genau beruͤhren, dadurch verhindern oder ſchwaͤchen, daß man einen andern dazwiſchen bringt, der ſie von einander entfernt haͤlt, und beyde ſelbſt nur in wenigen Punkten beruͤhrt. Aus dieſem Geſetz der Cohaͤſion erklaͤren ſich auch viele in den Kuͤnſten bekannte Verbindungsmittel, das Leimen, Kuͤtten, Loͤthen, Zuſammenſchweißen u. dgl. Muſſchenbroek Introductio ad cohaerentiam corporum firmorum in ej. Diſſ. phyſicis, Lugd. Bat. 1729. 4 maj. p. 425.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/534>, abgerufen am 22.11.2024.