Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


große Menge Linsen von beyderley. Glasarten auf Gerathewohl zu schleifen, und so lang verschiedentlich zu combiniren pflege, bis er eine Zusammensetzung finde, die im verfinsterten Zimmer ein scharf begrenztes farbenloses Bild gebe; ja Dollond habe ihm selbst gesagt, daß er fast alles durch praktische Vortheile und durchs Probiren ausrichte. Die Ursache, warum man mit der Theorie allein nicht weit komme, sey der erstaunliche Unterschied unter den Glasmassen. Man pflege in den englischen Glashütten das Glas in hohle Cylinder zu rollen, aus welchen die dasigen Optiker, denen man dies erlaube, sich leicht die besten aussuchen könnten: hernach aber schmelze man die übrigen Cylinder in ganze Massen mit unebnen Oberflächen zusammen, an welchen kein Mensch sehen könne, ob das Glas Blasen oder Streifen habe oder nicht. Auswärtige Künstler könnten das Glas fast nie anders, als in der letzten Gestalt, erhalten, und bekämen es daher meistentheils so schlecht, als möglich. Aehnliche Klagen findet man in Macquer's chymischem Wörterbuche unter dem Artikel: Verglasung. Nach Herrn Kästners Anführen (Anfangsgr. der angewandten Mathematik, dritte Auflage. Göttingen, 1780. Dioptrik. S. 314.) klagen sogar die englischen Künstler, daß das Flintglas in England selbst schon lange nicht mehr in der vorigen Vollkommenheit verfertiget werde.

Man hat über die Bestandtheile der oft angeführten beyden Glasarten, des Flintglases und Crownglases, Untersuchungen angestellt, und Compositionen von gleicher Wirkung ausfindig zu machen gesucht. Johann Ernst Zeiher, nachmaliger Professor der Mathematik zu Wittenberg, entdeckte noch während seines Aufenthalts in Rußland, daß die Farbenzerstreuung der Glasarten stärker werde, wenn man viel Bleykalch zu der Zusammensetzung derselben nehme (s. seine Abhdl. von denjenigen Glasarten, welche eine verschiedene Kraft, die Farben zu zerstreuen, besitzen. Petersburg 1763. 4.), ingleichen, daß ein Zusatz von Laugensalzen zu einem Gemenge von Bleykalch und Kiesel die Brechungskraft des Glases vermindere,


große Menge Linſen von beyderley. Glasarten auf Gerathewohl zu ſchleifen, und ſo lang verſchiedentlich zu combiniren pflege, bis er eine Zuſammenſetzung finde, die im verfinſterten Zimmer ein ſcharf begrenztes farbenloſes Bild gebe; ja Dollond habe ihm ſelbſt geſagt, daß er faſt alles durch praktiſche Vortheile und durchs Probiren ausrichte. Die Urſache, warum man mit der Theorie allein nicht weit komme, ſey der erſtaunliche Unterſchied unter den Glasmaſſen. Man pflege in den engliſchen Glashuͤtten das Glas in hohle Cylinder zu rollen, aus welchen die daſigen Optiker, denen man dies erlaube, ſich leicht die beſten ausſuchen koͤnnten: hernach aber ſchmelze man die uͤbrigen Cylinder in ganze Maſſen mit unebnen Oberflaͤchen zuſammen, an welchen kein Menſch ſehen koͤnne, ob das Glas Blaſen oder Streifen habe oder nicht. Auswaͤrtige Kuͤnſtler koͤnnten das Glas faſt nie anders, als in der letzten Geſtalt, erhalten, und bekaͤmen es daher meiſtentheils ſo ſchlecht, als moͤglich. Aehnliche Klagen findet man in Macquer's chymiſchem Woͤrterbuche unter dem Artikel: Verglaſung. Nach Herrn Kaͤſtners Anfuͤhren (Anfangsgr. der angewandten Mathematik, dritte Auflage. Goͤttingen, 1780. Dioptrik. S. 314.) klagen ſogar die engliſchen Kuͤnſtler, daß das Flintglas in England ſelbſt ſchon lange nicht mehr in der vorigen Vollkommenheit verfertiget werde.

Man hat uͤber die Beſtandtheile der oft angefuͤhrten beyden Glasarten, des Flintglaſes und Crownglaſes, Unterſuchungen angeſtellt, und Compoſitionen von gleicher Wirkung ausfindig zu machen geſucht. Johann Ernſt Zeiher, nachmaliger Profeſſor der Mathematik zu Wittenberg, entdeckte noch waͤhrend ſeines Aufenthalts in Rußland, daß die Farbenzerſtreuung der Glasarten ſtaͤrker werde, wenn man viel Bleykalch zu der Zuſammenſetzung derſelben nehme (ſ. ſeine Abhdl. von denjenigen Glasarten, welche eine verſchiedene Kraft, die Farben zu zerſtreuen, beſitzen. Petersburg 1763. 4.), ingleichen, daß ein Zuſatz von Laugenſalzen zu einem Gemenge von Bleykalch und Kieſel die Brechungskraft des Glaſes vermindere,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" xml:id="P.1.43" n="43"/><lb/>
große Menge Lin&#x017F;en von beyderley. Glasarten auf Gerathewohl zu &#x017F;chleifen, und &#x017F;o lang ver&#x017F;chiedentlich zu combiniren pflege, bis er eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung finde, die im verfin&#x017F;terten Zimmer ein &#x017F;charf begrenztes farbenlo&#x017F;es Bild gebe; ja <hi rendition="#b">Dollond</hi> habe ihm &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;agt, daß er fa&#x017F;t alles durch prakti&#x017F;che Vortheile und durchs Probiren ausrichte. Die Ur&#x017F;ache, warum man mit der Theorie allein nicht weit komme, &#x017F;ey der er&#x017F;taunliche Unter&#x017F;chied unter den Glasma&#x017F;&#x017F;en. Man pflege in den engli&#x017F;chen Glashu&#x0364;tten das Glas in hohle Cylinder zu rollen, aus welchen die da&#x017F;igen Optiker, denen man dies erlaube, &#x017F;ich leicht die be&#x017F;ten aus&#x017F;uchen ko&#x0364;nnten: hernach aber &#x017F;chmelze man die u&#x0364;brigen Cylinder in ganze Ma&#x017F;&#x017F;en mit unebnen Oberfla&#x0364;chen zu&#x017F;ammen, an welchen kein Men&#x017F;ch &#x017F;ehen ko&#x0364;nne, ob das Glas Bla&#x017F;en oder Streifen habe oder nicht. Auswa&#x0364;rtige Ku&#x0364;n&#x017F;tler ko&#x0364;nnten das Glas fa&#x017F;t nie anders, als in der letzten Ge&#x017F;talt, erhalten, und beka&#x0364;men es daher mei&#x017F;tentheils &#x017F;o &#x017F;chlecht, als mo&#x0364;glich. Aehnliche Klagen findet man in <hi rendition="#b">Macquer's</hi> chymi&#x017F;chem Wo&#x0364;rterbuche unter dem Artikel: <hi rendition="#b">Vergla&#x017F;ung.</hi> Nach Herrn <hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tners</hi> Anfu&#x0364;hren (Anfangsgr. der angewandten Mathematik, dritte Auflage. Go&#x0364;ttingen, 1780. Dioptrik. S. 314.) klagen &#x017F;ogar die engli&#x017F;chen Ku&#x0364;n&#x017F;tler, daß das Flintglas in England &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon lange nicht mehr in der vorigen Vollkommenheit verfertiget werde.</p>
          <p>Man hat u&#x0364;ber die Be&#x017F;tandtheile der oft angefu&#x0364;hrten beyden Glasarten, des <hi rendition="#b">Flintgla&#x017F;es</hi> und <hi rendition="#b">Crowngla&#x017F;es,</hi> Unter&#x017F;uchungen ange&#x017F;tellt, und Compo&#x017F;itionen von gleicher Wirkung ausfindig zu machen ge&#x017F;ucht. <hi rendition="#b">Johann Ern&#x017F;t Zeiher,</hi> nachmaliger Profe&#x017F;&#x017F;or der Mathematik zu Wittenberg, entdeckte noch wa&#x0364;hrend &#x017F;eines Aufenthalts in Rußland, daß die Farbenzer&#x017F;treuung der Glasarten &#x017F;ta&#x0364;rker werde, wenn man viel Bleykalch zu der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der&#x017F;elben nehme (&#x017F;. &#x017F;eine Abhdl. von denjenigen Glasarten, welche eine ver&#x017F;chiedene Kraft, die Farben zu zer&#x017F;treuen, be&#x017F;itzen. Petersburg 1763. 4.), ingleichen, daß ein Zu&#x017F;atz von Laugen&#x017F;alzen zu einem Gemenge von Bleykalch und Kie&#x017F;el die Brechungskraft des Gla&#x017F;es vermindere,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0057] große Menge Linſen von beyderley. Glasarten auf Gerathewohl zu ſchleifen, und ſo lang verſchiedentlich zu combiniren pflege, bis er eine Zuſammenſetzung finde, die im verfinſterten Zimmer ein ſcharf begrenztes farbenloſes Bild gebe; ja Dollond habe ihm ſelbſt geſagt, daß er faſt alles durch praktiſche Vortheile und durchs Probiren ausrichte. Die Urſache, warum man mit der Theorie allein nicht weit komme, ſey der erſtaunliche Unterſchied unter den Glasmaſſen. Man pflege in den engliſchen Glashuͤtten das Glas in hohle Cylinder zu rollen, aus welchen die daſigen Optiker, denen man dies erlaube, ſich leicht die beſten ausſuchen koͤnnten: hernach aber ſchmelze man die uͤbrigen Cylinder in ganze Maſſen mit unebnen Oberflaͤchen zuſammen, an welchen kein Menſch ſehen koͤnne, ob das Glas Blaſen oder Streifen habe oder nicht. Auswaͤrtige Kuͤnſtler koͤnnten das Glas faſt nie anders, als in der letzten Geſtalt, erhalten, und bekaͤmen es daher meiſtentheils ſo ſchlecht, als moͤglich. Aehnliche Klagen findet man in Macquer's chymiſchem Woͤrterbuche unter dem Artikel: Verglaſung. Nach Herrn Kaͤſtners Anfuͤhren (Anfangsgr. der angewandten Mathematik, dritte Auflage. Goͤttingen, 1780. Dioptrik. S. 314.) klagen ſogar die engliſchen Kuͤnſtler, daß das Flintglas in England ſelbſt ſchon lange nicht mehr in der vorigen Vollkommenheit verfertiget werde. Man hat uͤber die Beſtandtheile der oft angefuͤhrten beyden Glasarten, des Flintglaſes und Crownglaſes, Unterſuchungen angeſtellt, und Compoſitionen von gleicher Wirkung ausfindig zu machen geſucht. Johann Ernſt Zeiher, nachmaliger Profeſſor der Mathematik zu Wittenberg, entdeckte noch waͤhrend ſeines Aufenthalts in Rußland, daß die Farbenzerſtreuung der Glasarten ſtaͤrker werde, wenn man viel Bleykalch zu der Zuſammenſetzung derſelben nehme (ſ. ſeine Abhdl. von denjenigen Glasarten, welche eine verſchiedene Kraft, die Farben zu zerſtreuen, beſitzen. Petersburg 1763. 4.), ingleichen, daß ein Zuſatz von Laugenſalzen zu einem Gemenge von Bleykalch und Kieſel die Brechungskraft des Glaſes vermindere,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/57
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/57>, abgerufen am 23.11.2024.