Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Ist die Elektricität des Drachens sehr stark, so kan man etwa sechs Zoll weit von der Schnur eine mit dem Boden in Verbindung stehende Kette befestigen, welche die Elektricität, im Fall sie gefährlich werden sollte, durch einen Funken aufnehmen und in die Erde führen wird.

Mit dieser Geräthschaft hat Cavallo in den Jahren 1775 und 1776 eine Reihe von Beobachtungen über die Elektricität der Atmosphäre angestelllt, deren Resultate bey dem Worte: Luftelektricität, angeführt werden sollen. Nur ein einzigesmal, am 18 Oct. 1775, begegnete es ihm, daß beym Uebergange einer Regenwolke über den Scheitel die Elektricität, welche sich vorher schnell aus einer positiven in eine negative verändert hatte, ungewöhnlich stark ward. Er entschloß sich daher aus Besorgniß eines unangenehmen Zufalls, die Isolirung der Schnur aufzuheben, und band in dieser Absicht, da er keine Kette bey der Hand hatte, die seidne Schnur ab. Während dieser Beschäftigung, die kaum eine halbe Minute lang dauerte, bekam er zwölf bis funfzehn starke und heftig erschütternde Schläge in den Armen, der Brust und den Schenkeln. Er band nun die Schnur unmittelbar an einen Stuhl, da aber dieser nur ein schlechter Leiter war, so fieng sie an gegen den Fensterrahmen, als den nächsten leitenden Körper, Funken zu schlagen, welche man weit hörte. Diese Funken wurden immer schneller, und ihre geschwinde Folge verursachte einen Laut, der dem Rasseln eines Bratenwenders glich. Sobald die Wolke vorüber war, hörte diese starke Elektricität sogleich auf. Es ward aber weder an diesem, noch einige Tage vorher und hernach, etwas einem Gewitter ähnliches wahrgenommen.

Man sieht hieraus, daß der elektrische Drache, so ein vortrefliches Mittel zur Untersuchung der Luftelektricität er auch ist, dennoch bey starken Graden der Elektricität, und vorzüglich bey Gewittern, mit vieler Vorsicht behandlet werden müsse. Jetzt möchten wohl die seitdem erfundenen aerostatischen Maschinen, besonders kleine Aerostaten, mit brennbarer Luft gefüllt, noch bessere Dienste, als der Drache, thun. Es macht, wenn sie einmal zubereitet


Iſt die Elektricitaͤt des Drachens ſehr ſtark, ſo kan man etwa ſechs Zoll weit von der Schnur eine mit dem Boden in Verbindung ſtehende Kette befeſtigen, welche die Elektricitaͤt, im Fall ſie gefaͤhrlich werden ſollte, durch einen Funken aufnehmen und in die Erde fuͤhren wird.

Mit dieſer Geraͤthſchaft hat Cavallo in den Jahren 1775 und 1776 eine Reihe von Beobachtungen uͤber die Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre angeſtelllt, deren Reſultate bey dem Worte: Luftelektricitaͤt, angefuͤhrt werden ſollen. Nur ein einzigesmal, am 18 Oct. 1775, begegnete es ihm, daß beym Uebergange einer Regenwolke uͤber den Scheitel die Elektricitaͤt, welche ſich vorher ſchnell aus einer poſitiven in eine negative veraͤndert hatte, ungewoͤhnlich ſtark ward. Er entſchloß ſich daher aus Beſorgniß eines unangenehmen Zufalls, die Iſolirung der Schnur aufzuheben, und band in dieſer Abſicht, da er keine Kette bey der Hand hatte, die ſeidne Schnur ab. Waͤhrend dieſer Beſchaͤftigung, die kaum eine halbe Minute lang dauerte, bekam er zwoͤlf bis funfzehn ſtarke und heftig erſchuͤtternde Schlaͤge in den Armen, der Bruſt und den Schenkeln. Er band nun die Schnur unmittelbar an einen Stuhl, da aber dieſer nur ein ſchlechter Leiter war, ſo fieng ſie an gegen den Fenſterrahmen, als den naͤchſten leitenden Koͤrper, Funken zu ſchlagen, welche man weit hoͤrte. Dieſe Funken wurden immer ſchneller, und ihre geſchwinde Folge verurſachte einen Laut, der dem Raſſeln eines Bratenwenders glich. Sobald die Wolke voruͤber war, hoͤrte dieſe ſtarke Elektricitaͤt ſogleich auf. Es ward aber weder an dieſem, noch einige Tage vorher und hernach, etwas einem Gewitter aͤhnliches wahrgenommen.

Man ſieht hieraus, daß der elektriſche Drache, ſo ein vortrefliches Mittel zur Unterſuchung der Luftelektricitaͤt er auch iſt, dennoch bey ſtarken Graden der Elektricitaͤt, und vorzuͤglich bey Gewittern, mit vieler Vorſicht behandlet werden muͤſſe. Jetzt moͤchten wohl die ſeitdem erfundenen aeroſtatiſchen Maſchinen, beſonders kleine Aeroſtaten, mit brennbarer Luft gefuͤllt, noch beſſere Dienſte, als der Drache, thun. Es macht, wenn ſie einmal zubereitet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0617" xml:id="P.1.603" n="603"/><lb/>
          </p>
          <p>I&#x017F;t die Elektricita&#x0364;t des Drachens &#x017F;ehr &#x017F;tark, &#x017F;o kan man etwa &#x017F;echs Zoll weit von der Schnur eine mit dem Boden in Verbindung &#x017F;tehende Kette befe&#x017F;tigen, welche die Elektricita&#x0364;t, im Fall &#x017F;ie gefa&#x0364;hrlich werden &#x017F;ollte, durch einen Funken aufnehmen und in die Erde fu&#x0364;hren wird.</p>
          <p>Mit die&#x017F;er Gera&#x0364;th&#x017F;chaft hat Cavallo in den Jahren 1775 und 1776 eine Reihe von Beobachtungen u&#x0364;ber die Elektricita&#x0364;t der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re ange&#x017F;telllt, deren Re&#x017F;ultate bey dem Worte: <hi rendition="#b">Luftelektricita&#x0364;t,</hi> angefu&#x0364;hrt werden &#x017F;ollen. Nur ein einzigesmal, am 18 Oct. 1775, begegnete es ihm, daß beym Uebergange einer Regenwolke u&#x0364;ber den Scheitel die Elektricita&#x0364;t, welche &#x017F;ich vorher &#x017F;chnell aus einer po&#x017F;itiven in eine negative vera&#x0364;ndert hatte, ungewo&#x0364;hnlich &#x017F;tark ward. Er ent&#x017F;chloß &#x017F;ich daher aus Be&#x017F;orgniß eines unangenehmen Zufalls, die I&#x017F;olirung der Schnur aufzuheben, und band in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht, da er keine Kette bey der Hand hatte, die &#x017F;eidne Schnur ab. Wa&#x0364;hrend die&#x017F;er Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung, die kaum eine halbe Minute lang dauerte, bekam er zwo&#x0364;lf bis funfzehn &#x017F;tarke und heftig er&#x017F;chu&#x0364;tternde Schla&#x0364;ge in den Armen, der Bru&#x017F;t und den Schenkeln. Er band nun die Schnur unmittelbar an einen Stuhl, da aber die&#x017F;er nur ein &#x017F;chlechter Leiter war, &#x017F;o fieng &#x017F;ie an gegen den Fen&#x017F;terrahmen, als den na&#x0364;ch&#x017F;ten leitenden Ko&#x0364;rper, Funken zu &#x017F;chlagen, welche man weit ho&#x0364;rte. Die&#x017F;e Funken wurden immer &#x017F;chneller, und ihre ge&#x017F;chwinde Folge verur&#x017F;achte einen Laut, der dem Ra&#x017F;&#x017F;eln eines Bratenwenders glich. Sobald die Wolke voru&#x0364;ber war, ho&#x0364;rte die&#x017F;e &#x017F;tarke Elektricita&#x0364;t &#x017F;ogleich auf. Es ward aber weder an die&#x017F;em, noch einige Tage vorher und hernach, etwas einem Gewitter a&#x0364;hnliches wahrgenommen.</p>
          <p>Man &#x017F;ieht hieraus, daß der elektri&#x017F;che Drache, &#x017F;o ein vortrefliches Mittel zur Unter&#x017F;uchung der Luftelektricita&#x0364;t er auch i&#x017F;t, dennoch bey &#x017F;tarken Graden der Elektricita&#x0364;t, und vorzu&#x0364;glich bey Gewittern, mit vieler Vor&#x017F;icht behandlet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Jetzt mo&#x0364;chten wohl die &#x017F;eitdem erfundenen aero&#x017F;tati&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen, be&#x017F;onders kleine Aero&#x017F;taten, mit brennbarer Luft gefu&#x0364;llt, noch be&#x017F;&#x017F;ere Dien&#x017F;te, als der Drache, thun. Es macht, wenn &#x017F;ie einmal zubereitet<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0617] Iſt die Elektricitaͤt des Drachens ſehr ſtark, ſo kan man etwa ſechs Zoll weit von der Schnur eine mit dem Boden in Verbindung ſtehende Kette befeſtigen, welche die Elektricitaͤt, im Fall ſie gefaͤhrlich werden ſollte, durch einen Funken aufnehmen und in die Erde fuͤhren wird. Mit dieſer Geraͤthſchaft hat Cavallo in den Jahren 1775 und 1776 eine Reihe von Beobachtungen uͤber die Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre angeſtelllt, deren Reſultate bey dem Worte: Luftelektricitaͤt, angefuͤhrt werden ſollen. Nur ein einzigesmal, am 18 Oct. 1775, begegnete es ihm, daß beym Uebergange einer Regenwolke uͤber den Scheitel die Elektricitaͤt, welche ſich vorher ſchnell aus einer poſitiven in eine negative veraͤndert hatte, ungewoͤhnlich ſtark ward. Er entſchloß ſich daher aus Beſorgniß eines unangenehmen Zufalls, die Iſolirung der Schnur aufzuheben, und band in dieſer Abſicht, da er keine Kette bey der Hand hatte, die ſeidne Schnur ab. Waͤhrend dieſer Beſchaͤftigung, die kaum eine halbe Minute lang dauerte, bekam er zwoͤlf bis funfzehn ſtarke und heftig erſchuͤtternde Schlaͤge in den Armen, der Bruſt und den Schenkeln. Er band nun die Schnur unmittelbar an einen Stuhl, da aber dieſer nur ein ſchlechter Leiter war, ſo fieng ſie an gegen den Fenſterrahmen, als den naͤchſten leitenden Koͤrper, Funken zu ſchlagen, welche man weit hoͤrte. Dieſe Funken wurden immer ſchneller, und ihre geſchwinde Folge verurſachte einen Laut, der dem Raſſeln eines Bratenwenders glich. Sobald die Wolke voruͤber war, hoͤrte dieſe ſtarke Elektricitaͤt ſogleich auf. Es ward aber weder an dieſem, noch einige Tage vorher und hernach, etwas einem Gewitter aͤhnliches wahrgenommen. Man ſieht hieraus, daß der elektriſche Drache, ſo ein vortrefliches Mittel zur Unterſuchung der Luftelektricitaͤt er auch iſt, dennoch bey ſtarken Graden der Elektricitaͤt, und vorzuͤglich bey Gewittern, mit vieler Vorſicht behandlet werden muͤſſe. Jetzt moͤchten wohl die ſeitdem erfundenen aeroſtatiſchen Maſchinen, beſonders kleine Aeroſtaten, mit brennbarer Luft gefuͤllt, noch beſſere Dienſte, als der Drache, thun. Es macht, wenn ſie einmal zubereitet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/617
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/617>, abgerufen am 29.06.2024.