wird. Hieraus ist klar, daß unter übrigens gleichen Umständen in den Syzygien die stärksten, in den Quadraturen hingegen die schwächsten Fluthen eintreten müssen.
Je näher der Mond der Erde ist, desto größer muß seine Wirkung auf die Ebbe und Fluth seyn; und eben dies gilt von der Sonne. Denndie Schwere des Wassers gegen diese Körper wächst in eben dem Verhältnisse, in welchem das Quadrat ihres Abstands von der Erde abnimmt.
Wenn das Wasser ohne Trägheit wäre, so müste es mit dem Augenblicke der Culmination des Mondes selbst seinen höchsten Stand erreichen. Die Trägheit des Wassers aber verspätiget nicht nur den Zeitpunkt, sondern vermindert auch die Höhe der Ebbe und Fluth. Um dies zu beweisen, setze man inzwischen die Wirkung der Sonne aus den Augen, und nehme die Erde ruhend an. Unter diesen Umständen wird sich das Wasser genau an dem Orte erheben, der den Mond im Zenith hat. Man setze nun, die Erde fange an, sich um ihre Axe zu drehen, so wird das gegen den Mond erhobne träge Wasser wegen der Geschwindigkeit der Umdrehung nicht so schnell ablaufen können, als es gegen Morgen fortgeführt wird; inzwischen wird es doch einigermaßen ablaufen. Hieraus folgt, daß das von der Umdrehung der Erde fortgeführte Wasser auf der Morgenseite des Mondes höher stehen muß, als es ohne diese Umdrehung stehen würde, daß es aber doch nicht so hoch stehen könne, als es, wenn die Erde ruhete, unter dem Monde stehen würde. Die Umdrehung der Erde muß also die Fluth nicht nur verspätigen, sondern auch ihre Höhe vermindern.
Die beständig fortdaurende Bewegung des trägen Wassers combinirt sich mit der Ebbe und Fluth auf eine Art, die sich schwerlich einer sichern Rechnung unterwerfen läst. Es kömmt hiebey auch viel auf die Lage der Orte gegen den Aequator an. De la Caille fand, daß am Vorgebirge der guten Hofnung die hohe Fluth ohngefähr 2 1/2 St. nach dem Durchgange des Monds durch den Mittagskreis ankam, und Maskelyne(Phil. Trans. 1762.)
wird. Hieraus iſt klar, daß unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden in den Syzygien die ſtaͤrkſten, in den Quadraturen hingegen die ſchwaͤchſten Fluthen eintreten muͤſſen.
Je naͤher der Mond der Erde iſt, deſto groͤßer muß ſeine Wirkung auf die Ebbe und Fluth ſeyn; und eben dies gilt von der Sonne. Denndie Schwere des Waſſers gegen dieſe Koͤrper waͤchſt in eben dem Verhaͤltniſſe, in welchem das Quadrat ihres Abſtands von der Erde abnimmt.
Wenn das Waſſer ohne Traͤgheit waͤre, ſo muͤſte es mit dem Augenblicke der Culmination des Mondes ſelbſt ſeinen hoͤchſten Stand erreichen. Die Traͤgheit des Waſſers aber verſpaͤtiget nicht nur den Zeitpunkt, ſondern vermindert auch die Hoͤhe der Ebbe und Fluth. Um dies zu beweiſen, ſetze man inzwiſchen die Wirkung der Sonne aus den Augen, und nehme die Erde ruhend an. Unter dieſen Umſtaͤnden wird ſich das Waſſer genau an dem Orte erheben, der den Mond im Zenith hat. Man ſetze nun, die Erde fange an, ſich um ihre Axe zu drehen, ſo wird das gegen den Mond erhobne traͤge Waſſer wegen der Geſchwindigkeit der Umdrehung nicht ſo ſchnell ablaufen koͤnnen, als es gegen Morgen fortgefuͤhrt wird; inzwiſchen wird es doch einigermaßen ablaufen. Hieraus folgt, daß das von der Umdrehung der Erde fortgefuͤhrte Waſſer auf der Morgenſeite des Mondes hoͤher ſtehen muß, als es ohne dieſe Umdrehung ſtehen wuͤrde, daß es aber doch nicht ſo hoch ſtehen koͤnne, als es, wenn die Erde ruhete, unter dem Monde ſtehen wuͤrde. Die Umdrehung der Erde muß alſo die Fluth nicht nur verſpaͤtigen, ſondern auch ihre Hoͤhe vermindern.
Die beſtaͤndig fortdaurende Bewegung des traͤgen Waſſers combinirt ſich mit der Ebbe und Fluth auf eine Art, die ſich ſchwerlich einer ſichern Rechnung unterwerfen laͤſt. Es koͤmmt hiebey auch viel auf die Lage der Orte gegen den Aequator an. De la Caille fand, daß am Vorgebirge der guten Hofnung die hohe Fluth ohngefaͤhr 2 1/2 St. nach dem Durchgange des Monds durch den Mittagskreis ankam, und Maskelyne(Phil. Trans. 1762.)
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wird. Hieraus iſt klar, daß unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden in den Syzygien die ſtaͤrkſten, in den Quadraturen hingegen die ſchwaͤchſten Fluthen eintreten muͤſſen.
Je naͤher der Mond der Erde iſt, deſto groͤßer muß ſeine Wirkung auf die Ebbe und Fluth ſeyn; und eben dies gilt von der Sonne. Denndie Schwere des Waſſers gegen dieſe Koͤrper waͤchſt in eben dem Verhaͤltniſſe, in welchem das Quadrat ihres Abſtands von der Erde abnimmt.
Wenn das Waſſer ohne Traͤgheit waͤre, ſo muͤſte es mit dem Augenblicke der Culmination des Mondes ſelbſt ſeinen hoͤchſten Stand erreichen. Die Traͤgheit des Waſſers aber verſpaͤtiget nicht nur den Zeitpunkt, ſondern vermindert auch die Hoͤhe der Ebbe und Fluth. Um dies zu beweiſen, ſetze man inzwiſchen die Wirkung der Sonne aus den Augen, und nehme die Erde ruhend an. Unter dieſen Umſtaͤnden wird ſich das Waſſer genau an dem Orte erheben, der den Mond im Zenith hat. Man ſetze nun, die Erde fange an, ſich um ihre Axe zu drehen, ſo wird das gegen den Mond erhobne traͤge Waſſer wegen der Geſchwindigkeit der Umdrehung nicht ſo ſchnell ablaufen koͤnnen, als es gegen Morgen fortgefuͤhrt wird; inzwiſchen wird es doch einigermaßen ablaufen. Hieraus folgt, daß das von der Umdrehung der Erde fortgefuͤhrte Waſſer auf der Morgenſeite des Mondes hoͤher ſtehen muß, als es ohne dieſe Umdrehung ſtehen wuͤrde, daß es aber doch nicht ſo hoch ſtehen koͤnne, als es, wenn die Erde ruhete, unter dem Monde ſtehen wuͤrde. Die Umdrehung der Erde muß alſo die Fluth nicht nur verſpaͤtigen, ſondern auch ihre Hoͤhe vermindern.
Die beſtaͤndig fortdaurende Bewegung des traͤgen Waſſers combinirt ſich mit der Ebbe und Fluth auf eine Art, die ſich ſchwerlich einer ſichern Rechnung unterwerfen laͤſt. Es koͤmmt hiebey auch viel auf die Lage der Orte gegen den Aequator an. De la Caille fand, daß am Vorgebirge der guten Hofnung die hohe Fluth ohngefaͤhr 2 1/2 St. nach dem Durchgange des Monds durch den Mittagskreis ankam, und Maskelyne (Phil. Trans. 1762.)
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/669>, abgerufen am 16.06.2024.
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