Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Beym höchsten und niedrigsten Stande steht das Wasser eine kleine Zeit still, weil seiner Trägheit wegen einige Zeit erforderlich ist, um in ihm die neue Bewegung hervorzubringen. Stünde der Mond allezeit im Aequator, und also 90° von den Polen entfernt, so könnte unter den Polen gar keine Ebbe und Fluth statt finden: also würde auch an den dem Pole nahe liegenden Küsten diese Bewegung nur schwach und unmerklich seyn, zumal da diese Gegenden wegen des Eises und der Stellung der Küsten der Ebbe und Fluth noch besondere Hindernisse entgegensetzen. Nun steht zwar der Mond nicht stets im Aequator, er entfernt sich doch aber auch nie über 28° von demselben; hieraus erklärt sich, warum in der Nähe der Pole und über 65° Breite hinaus die Ebbe und Fluth nicht mehr merklich ist. Da der Mond täglich einen mit dem Aequator parallelen Tagkreis beschreibt, so werden die Gewässer unter den Polen den ganzen Tag über gleich hoch stehen, weil der Mond in allen Punkten des Tagkreises vom Pole gleich weit absteht. Am folgenden Tage aber, da der Mond ernen höhern oder niedrigern Tagkreis beschreibt, werden die Gewässer etwas höher oder niedriger, als am gestrigen Tage, stehen. Betrachtet man Orte, welche zwischen dem Nordpole und dem Monde liegen, so wird der Mond, wenn er eine nördliche Abweichung hat, bey seinem obern Durchgange durch den Mittagskreis dem Zenith dieser Orte näher kommen, als er beym untern Durchgange ihrem Nadir kömmt. Daher wird unter diesen Umständen die Fluth
Beym hoͤchſten und niedrigſten Stande ſteht das Waſſer eine kleine Zeit ſtill, weil ſeiner Traͤgheit wegen einige Zeit erforderlich iſt, um in ihm die neue Bewegung hervorzubringen. Stuͤnde der Mond allezeit im Aequator, und alſo 90° von den Polen entfernt, ſo koͤnnte unter den Polen gar keine Ebbe und Fluth ſtatt finden: alſo wuͤrde auch an den dem Pole nahe liegenden Kuͤſten dieſe Bewegung nur ſchwach und unmerklich ſeyn, zumal da dieſe Gegenden wegen des Eiſes und der Stellung der Kuͤſten der Ebbe und Fluth noch beſondere Hinderniſſe entgegenſetzen. Nun ſteht zwar der Mond nicht ſtets im Aequator, er entfernt ſich doch aber auch nie uͤber 28° von demſelben; hieraus erklaͤrt ſich, warum in der Naͤhe der Pole und uͤber 65° Breite hinaus die Ebbe und Fluth nicht mehr merklich iſt. Da der Mond taͤglich einen mit dem Aequator parallelen Tagkreis beſchreibt, ſo werden die Gewaͤſſer unter den Polen den ganzen Tag uͤber gleich hoch ſtehen, weil der Mond in allen Punkten des Tagkreiſes vom Pole gleich weit abſteht. Am folgenden Tage aber, da der Mond ernen hoͤhern oder niedrigern Tagkreis beſchreibt, werden die Gewaͤſſer etwas hoͤher oder niedriger, als am geſtrigen Tage, ſtehen. Betrachtet man Orte, welche zwiſchen dem Nordpole und dem Monde liegen, ſo wird der Mond, wenn er eine noͤrdliche Abweichung hat, bey ſeinem obern Durchgange durch den Mittagskreis dem Zenith dieſer Orte naͤher kommen, als er beym untern Durchgange ihrem Nadir koͤmmt. Daher wird unter dieſen Umſtaͤnden die Fluth <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0670" xml:id="P.1.656" n="656"/><lb/> ſetzte dieſen Zeitraum fuͤr die Inſel St. Helena auf 2 1/4 St. Und in Anſehung der Kuͤſten, welche weiter abliegen, erfolgt die Fluth noch ſpaͤter, woruͤber man in den Buͤchern von der Schiffkunſt, ingleichen in der <hi rendition="#aq">Conoiſſance des temps</hi> eigne Tabellen findet. Man nimmt deshalb, wenn man die Erſcheinungen der Ebbe und Fluth durch Rechnungen beſtimmen will, ſtatt der Sonne und des Monds, diejenigen Punkte des Himmels an, welche ohngefaͤhr 35° weiter gegen Morgen ſtehen, als dieſe Geſtirne.</p> <p>Beym hoͤchſten und niedrigſten Stande ſteht das Waſſer eine kleine Zeit ſtill, weil ſeiner Traͤgheit wegen einige Zeit erforderlich iſt, um in ihm die neue Bewegung hervorzubringen.</p> <p>Stuͤnde der Mond allezeit im Aequator, und alſo 90° von den Polen entfernt, ſo koͤnnte unter den Polen gar keine Ebbe und Fluth ſtatt finden: alſo wuͤrde auch an den dem Pole nahe liegenden Kuͤſten dieſe Bewegung nur ſchwach und unmerklich ſeyn, zumal da dieſe Gegenden wegen des Eiſes und der Stellung der Kuͤſten der Ebbe und Fluth noch beſondere Hinderniſſe entgegenſetzen. Nun ſteht zwar der Mond nicht ſtets im Aequator, er entfernt ſich doch aber auch nie uͤber 28° von demſelben; hieraus erklaͤrt ſich, warum in der Naͤhe der Pole und uͤber 65° Breite hinaus die Ebbe und Fluth nicht mehr merklich iſt.</p> <p>Da der Mond taͤglich einen mit dem Aequator parallelen Tagkreis beſchreibt, ſo werden die Gewaͤſſer unter den Polen den ganzen Tag uͤber gleich hoch ſtehen, weil der Mond in allen Punkten des Tagkreiſes vom Pole gleich weit abſteht. Am folgenden Tage aber, da der Mond ernen hoͤhern oder niedrigern Tagkreis beſchreibt, werden die Gewaͤſſer etwas hoͤher oder niedriger, als am geſtrigen Tage, ſtehen.</p> <p>Betrachtet man Orte, welche zwiſchen dem Nordpole und dem Monde liegen, ſo wird der Mond, wenn er eine noͤrdliche Abweichung hat, bey ſeinem obern Durchgange durch den Mittagskreis dem Zenith dieſer Orte naͤher kommen, als er beym untern Durchgange ihrem Nadir koͤmmt. Daher wird unter dieſen Umſtaͤnden die Fluth<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [656/0670]
ſetzte dieſen Zeitraum fuͤr die Inſel St. Helena auf 2 1/4 St. Und in Anſehung der Kuͤſten, welche weiter abliegen, erfolgt die Fluth noch ſpaͤter, woruͤber man in den Buͤchern von der Schiffkunſt, ingleichen in der Conoiſſance des temps eigne Tabellen findet. Man nimmt deshalb, wenn man die Erſcheinungen der Ebbe und Fluth durch Rechnungen beſtimmen will, ſtatt der Sonne und des Monds, diejenigen Punkte des Himmels an, welche ohngefaͤhr 35° weiter gegen Morgen ſtehen, als dieſe Geſtirne.
Beym hoͤchſten und niedrigſten Stande ſteht das Waſſer eine kleine Zeit ſtill, weil ſeiner Traͤgheit wegen einige Zeit erforderlich iſt, um in ihm die neue Bewegung hervorzubringen.
Stuͤnde der Mond allezeit im Aequator, und alſo 90° von den Polen entfernt, ſo koͤnnte unter den Polen gar keine Ebbe und Fluth ſtatt finden: alſo wuͤrde auch an den dem Pole nahe liegenden Kuͤſten dieſe Bewegung nur ſchwach und unmerklich ſeyn, zumal da dieſe Gegenden wegen des Eiſes und der Stellung der Kuͤſten der Ebbe und Fluth noch beſondere Hinderniſſe entgegenſetzen. Nun ſteht zwar der Mond nicht ſtets im Aequator, er entfernt ſich doch aber auch nie uͤber 28° von demſelben; hieraus erklaͤrt ſich, warum in der Naͤhe der Pole und uͤber 65° Breite hinaus die Ebbe und Fluth nicht mehr merklich iſt.
Da der Mond taͤglich einen mit dem Aequator parallelen Tagkreis beſchreibt, ſo werden die Gewaͤſſer unter den Polen den ganzen Tag uͤber gleich hoch ſtehen, weil der Mond in allen Punkten des Tagkreiſes vom Pole gleich weit abſteht. Am folgenden Tage aber, da der Mond ernen hoͤhern oder niedrigern Tagkreis beſchreibt, werden die Gewaͤſſer etwas hoͤher oder niedriger, als am geſtrigen Tage, ſtehen.
Betrachtet man Orte, welche zwiſchen dem Nordpole und dem Monde liegen, ſo wird der Mond, wenn er eine noͤrdliche Abweichung hat, bey ſeinem obern Durchgange durch den Mittagskreis dem Zenith dieſer Orte naͤher kommen, als er beym untern Durchgange ihrem Nadir koͤmmt. Daher wird unter dieſen Umſtaͤnden die Fluth
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |