Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Herr Euler hat in seiner mit so vielem Beyfall aufgenommenen Theorie des Lichts und der Farben (s. Licht) Huygens oben angeführte Meynung zum Grunde gelegt, und ein Gebäude von Rechnungen darauf errichtet, welches ihn als Mathematiker in seiner ganzen Größe zeigt. Fortpflanzung des Lichts und Entstehung der Farben werden darinn lediglich den Schwingungen des Aethers zugeschrieben. Als Physiker, hätte der vortrefliche Urheber dieser Theorie eigentlich mit Erfahrungen über das Daseyn eines Aethers den Anfang machen sollen, wenn seine Lehre mehr als Hypothese oder Vorstellungsart seyn sollte. Statt dessen begnügt er sich, Newtons Emanationssystem und die Leere der Himmelsräume zu bestreiten. Er wundert sich, daß Newton, um die Bewegung der Planeten nicht zu hindern, eine Leere im Himmelsraume angenommen, und doch durch seine ausfließenden Lichtstralen diese Leere wieder mit einer Materie ausgefüllt habe, deren stete und heftige Bewegung den Lauf der Planeten unendlich stärker stören müsse. "Ein trauriges Beyspiel "menschlicher Weisheit," sagt er (Lettres a une princesse d' Allemagne. L. 18.), "die, um einer Schwie"rigkeit auszuweichen, oft auf eine weit größere Thor"heit verfällt." Dies Urtheil über Newton scheint mir zu hart; ich kenne keine Stelle seiner Schriften, die eine absolute Leere im Weltraume behauptete; er streitet überall bloß gegen den absolut und ohne alle leere Zwischenräume
Herr Euler hat in ſeiner mit ſo vielem Beyfall aufgenommenen Theorie des Lichts und der Farben (ſ. Licht) Huygens oben angefuͤhrte Meynung zum Grunde gelegt, und ein Gebaͤude von Rechnungen darauf errichtet, welches ihn als Mathematiker in ſeiner ganzen Groͤße zeigt. Fortpflanzung des Lichts und Entſtehung der Farben werden darinn lediglich den Schwingungen des Aethers zugeſchrieben. Als Phyſiker, haͤtte der vortrefliche Urheber dieſer Theorie eigentlich mit Erfahrungen uͤber das Daſeyn eines Aethers den Anfang machen ſollen, wenn ſeine Lehre mehr als Hypotheſe oder Vorſtellungsart ſeyn ſollte. Statt deſſen begnuͤgt er ſich, Newtons Emanationsſyſtem und die Leere der Himmelsraͤume zu beſtreiten. Er wundert ſich, daß Newton, um die Bewegung der Planeten nicht zu hindern, eine Leere im Himmelsraume angenommen, und doch durch ſeine ausfließenden Lichtſtralen dieſe Leere wieder mit einer Materie ausgefuͤllt habe, deren ſtete und heftige Bewegung den Lauf der Planeten unendlich ſtaͤrker ſtoͤren muͤſſe. ”Ein trauriges Beyſpiel ”menſchlicher Weisheit,“ ſagt er (Lettres à une princeſſe d' Allemagne. L. 18.), ”die, um einer Schwie”rigkeit auszuweichen, oft auf eine weit groͤßere Thor”heit verfaͤllt.“ Dies Urtheil uͤber Newton ſcheint mir zu hart; ich kenne keine Stelle ſeiner Schriften, die eine abſolute Leere im Weltraume behauptete; er ſtreitet uͤberall bloß gegen den abſolut und ohne alle leere Zwiſchenraͤume <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" xml:id="P.1.85" n="85"/><lb/> ſchneller, als die Schwingungen der Luft beym Schalle, waͤren, und die daher eine 490000 Millionenmal ſtaͤrkere Elaſticitaͤt, als die Luft, beſitze; ob nicht die Waͤrme den luftleeren Raum mit Huͤlfe eines weit feinern Mittels durchdringe; ob nicht die Zuruͤckwerfung des Lichts von der verſchiedenen Dichte dieſes <hi rendition="#b">aͤtheriſchen Mittels</hi> herruͤhre, u. ſ. w. Dieſe Fragen beweiſen deutlich, daß <hi rendition="#b">Newton</hi> das Daſeyn einer ſolchen Materie keineswegs fuͤr unwahrſcheinlich gehalten habe. Inzwiſchen konnte er bey ſeiner Lehrart, welche bloß von allgemeinen Phaͤnomenen ausgieng, ohne deren Urſachen erklaͤren zu wollen, den Aether, ſo wie alle Hypotheſen, voͤllig entbehren.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">Euler</hi> hat in ſeiner mit ſo vielem Beyfall aufgenommenen Theorie des Lichts und der Farben (<hi rendition="#b">ſ. Licht</hi>) <hi rendition="#b">Huygens</hi> oben angefuͤhrte Meynung zum Grunde gelegt, und ein Gebaͤude von Rechnungen darauf errichtet, welches ihn als Mathematiker in ſeiner ganzen Groͤße zeigt. Fortpflanzung des Lichts und Entſtehung der Farben werden darinn lediglich den Schwingungen des <hi rendition="#b">Aethers</hi> zugeſchrieben. Als Phyſiker, haͤtte der vortrefliche Urheber dieſer Theorie eigentlich mit Erfahrungen uͤber das Daſeyn eines <hi rendition="#b">Aethers</hi> den Anfang machen ſollen, wenn ſeine Lehre mehr als Hypotheſe oder Vorſtellungsart ſeyn ſollte. Statt deſſen begnuͤgt er ſich, <hi rendition="#b">Newtons</hi> Emanationsſyſtem und die Leere der Himmelsraͤume zu beſtreiten. Er wundert ſich, daß <hi rendition="#b">Newton,</hi> um die Bewegung der Planeten nicht zu hindern, eine Leere im Himmelsraume angenommen, und doch durch ſeine ausfließenden Lichtſtralen dieſe Leere wieder mit einer Materie ausgefuͤllt habe, deren ſtete und heftige Bewegung den Lauf der Planeten unendlich ſtaͤrker ſtoͤren muͤſſe. ”Ein trauriges Beyſpiel ”menſchlicher Weisheit,“ ſagt er <hi rendition="#aq">(Lettres à une princeſſe d' Allemagne. L. 18.),</hi> ”die, um einer Schwie”rigkeit auszuweichen, oft auf eine weit groͤßere Thor”heit verfaͤllt.“ Dies Urtheil uͤber <hi rendition="#b">Newton</hi> ſcheint mir zu hart; ich kenne keine Stelle ſeiner Schriften, die eine abſolute Leere im Weltraume behauptete; er ſtreitet uͤberall bloß gegen den <hi rendition="#b">abſolut</hi> und ohne alle leere Zwiſchenraͤume<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0099]
ſchneller, als die Schwingungen der Luft beym Schalle, waͤren, und die daher eine 490000 Millionenmal ſtaͤrkere Elaſticitaͤt, als die Luft, beſitze; ob nicht die Waͤrme den luftleeren Raum mit Huͤlfe eines weit feinern Mittels durchdringe; ob nicht die Zuruͤckwerfung des Lichts von der verſchiedenen Dichte dieſes aͤtheriſchen Mittels herruͤhre, u. ſ. w. Dieſe Fragen beweiſen deutlich, daß Newton das Daſeyn einer ſolchen Materie keineswegs fuͤr unwahrſcheinlich gehalten habe. Inzwiſchen konnte er bey ſeiner Lehrart, welche bloß von allgemeinen Phaͤnomenen ausgieng, ohne deren Urſachen erklaͤren zu wollen, den Aether, ſo wie alle Hypotheſen, voͤllig entbehren.
Herr Euler hat in ſeiner mit ſo vielem Beyfall aufgenommenen Theorie des Lichts und der Farben (ſ. Licht) Huygens oben angefuͤhrte Meynung zum Grunde gelegt, und ein Gebaͤude von Rechnungen darauf errichtet, welches ihn als Mathematiker in ſeiner ganzen Groͤße zeigt. Fortpflanzung des Lichts und Entſtehung der Farben werden darinn lediglich den Schwingungen des Aethers zugeſchrieben. Als Phyſiker, haͤtte der vortrefliche Urheber dieſer Theorie eigentlich mit Erfahrungen uͤber das Daſeyn eines Aethers den Anfang machen ſollen, wenn ſeine Lehre mehr als Hypotheſe oder Vorſtellungsart ſeyn ſollte. Statt deſſen begnuͤgt er ſich, Newtons Emanationsſyſtem und die Leere der Himmelsraͤume zu beſtreiten. Er wundert ſich, daß Newton, um die Bewegung der Planeten nicht zu hindern, eine Leere im Himmelsraume angenommen, und doch durch ſeine ausfließenden Lichtſtralen dieſe Leere wieder mit einer Materie ausgefuͤllt habe, deren ſtete und heftige Bewegung den Lauf der Planeten unendlich ſtaͤrker ſtoͤren muͤſſe. ”Ein trauriges Beyſpiel ”menſchlicher Weisheit,“ ſagt er (Lettres à une princeſſe d' Allemagne. L. 18.), ”die, um einer Schwie”rigkeit auszuweichen, oft auf eine weit groͤßere Thor”heit verfaͤllt.“ Dies Urtheil uͤber Newton ſcheint mir zu hart; ich kenne keine Stelle ſeiner Schriften, die eine abſolute Leere im Weltraume behauptete; er ſtreitet uͤberall bloß gegen den abſolut und ohne alle leere Zwiſchenraͤume
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |