als zween besondere sich entgegengesetzte Stoffe betrachtet. Einige nehmen das Feuer für ein allgemeines Auflösungsmittel aller Körper an, andere glauben hingegen, daß dasselbe, um wirksam zu werden, und die Erscheinungen der Wärme zu zeigen, selbst eines neuen hinzukommenden Auflösungsmittels bedürfe. Diese ungemeine Verschiedenheit der Meinungen hat ihren natürlichen Grund darinn, daß hier die Rede von einer Ursache ist, die wir nie an sich selbst untersuchen, sondern blos aus ihren Wirkungen beurtheilen können. Das einzige nun, was sich aus diesen mit einiger Gewißheit folgern läßt, ist, daß das Feuer ein feines, flüssiges, höchst elastisches Wesen sey, das alle Körper durchdringt, verschiedene Verwandschaften gegen dieselben äussert, und in ihnen in verschiedener Menge sowohl, als auf verschiedene Weise, enthalten seyn kan. Alles übrige beruht auf Schlüssen und Vorstellungsarten, welche der eine Naturforscher auf diese, ein anderer auf andere Erfahrungen baut, und die uns noch bis jetzt kein sicheres Resultat über die Natur und Wirkungsart des Feuers verschafft haben. Bey dieser Lage der Sache kan ich hier nichts mehr thun, als einige der vornehmsten Meinungen über das Feuer anführen, unter welchen die neuesten der Herren Crawford und de Lüc anjetzt die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Einige Meinungen der ältern Chymisten über das Feuer hat Johann Friedrich Meyer (Chymische Versuche zur nähern Erkenntniß des ungelöschten Kalks, Hannover und Leipz. 1770. 8. Cap. 23.) angeführet, vornehmlich in der Absicht, um zu zeigen, daß die von ihm angenommene fette Säure bereits ein Gedanke der Alten gewesen sey. Uebrigens läuft fast alles, was sich darinn findet, auf dunkle und geheimnißvolle Benennungen hinaus, da das Feuerwesen ein von dem gemeinen unterschiedener Schwefel (sulphur, sed non vulgi), ein Kind der Sonne, ein unsichtbarer und unfühlbarer saurer Geist, ein Salz, das aus den obern Regionen Wärme und Licht an sich ziehe, genannt wird. Becher wird als der erste angegeben, der das Feuerwesen für eine Erde gehalten habe, welche Meinung nachher
als zween beſondere ſich entgegengeſetzte Stoffe betrachtet. Einige nehmen das Feuer fuͤr ein allgemeines Aufloͤſungsmittel aller Koͤrper an, andere glauben hingegen, daß daſſelbe, um wirkſam zu werden, und die Erſcheinungen der Waͤrme zu zeigen, ſelbſt eines neuen hinzukommenden Aufloͤſungsmittels beduͤrfe. Dieſe ungemeine Verſchiedenheit der Meinungen hat ihren natuͤrlichen Grund darinn, daß hier die Rede von einer Urſache iſt, die wir nie an ſich ſelbſt unterſuchen, ſondern blos aus ihren Wirkungen beurtheilen koͤnnen. Das einzige nun, was ſich aus dieſen mit einiger Gewißheit folgern laͤßt, iſt, daß das Feuer ein feines, fluͤſſiges, hoͤchſt elaſtiſches Weſen ſey, das alle Koͤrper durchdringt, verſchiedene Verwandſchaften gegen dieſelben aͤuſſert, und in ihnen in verſchiedener Menge ſowohl, als auf verſchiedene Weiſe, enthalten ſeyn kan. Alles uͤbrige beruht auf Schluͤſſen und Vorſtellungsarten, welche der eine Naturforſcher auf dieſe, ein anderer auf andere Erfahrungen baut, und die uns noch bis jetzt kein ſicheres Reſultat uͤber die Natur und Wirkungsart des Feuers verſchafft haben. Bey dieſer Lage der Sache kan ich hier nichts mehr thun, als einige der vornehmſten Meinungen uͤber das Feuer anfuͤhren, unter welchen die neueſten der Herren Crawford und de Luͤc anjetzt die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen.
Einige Meinungen der aͤltern Chymiſten uͤber das Feuer hat Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks, Hannover und Leipz. 1770. 8. Cap. 23.) angefuͤhret, vornehmlich in der Abſicht, um zu zeigen, daß die von ihm angenommene fette Saͤure bereits ein Gedanke der Alten geweſen ſey. Uebrigens laͤuft faſt alles, was ſich darinn findet, auf dunkle und geheimnißvolle Benennungen hinaus, da das Feuerweſen ein von dem gemeinen unterſchiedener Schwefel (ſulphur, ſed non vulgi), ein Kind der Sonne, ein unſichtbarer und unfuͤhlbarer ſaurer Geiſt, ein Salz, das aus den obern Regionen Waͤrme und Licht an ſich ziehe, genannt wird. Becher wird als der erſte angegeben, der das Feuerweſen fuͤr eine Erde gehalten habe, welche Meinung nachher
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als zween beſondere ſich entgegengeſetzte Stoffe betrachtet. Einige nehmen das Feuer fuͤr ein allgemeines Aufloͤſungsmittel aller Koͤrper an, andere glauben hingegen, daß daſſelbe, um wirkſam zu werden, und die Erſcheinungen der Waͤrme zu zeigen, ſelbſt eines neuen hinzukommenden Aufloͤſungsmittels beduͤrfe. Dieſe ungemeine Verſchiedenheit der Meinungen hat ihren natuͤrlichen Grund darinn, daß hier die Rede von einer Urſache iſt, die wir nie an ſich ſelbſt unterſuchen, ſondern blos aus ihren Wirkungen beurtheilen koͤnnen. Das einzige nun, was ſich aus dieſen mit einiger Gewißheit folgern laͤßt, iſt, daß das Feuer ein feines, fluͤſſiges, hoͤchſt elaſtiſches Weſen ſey, das alle Koͤrper durchdringt, verſchiedene Verwandſchaften gegen dieſelben aͤuſſert, und in ihnen in verſchiedener Menge ſowohl, als auf verſchiedene Weiſe, enthalten ſeyn kan. Alles uͤbrige beruht auf Schluͤſſen und Vorſtellungsarten, welche der eine Naturforſcher auf dieſe, ein anderer auf andere Erfahrungen baut, und die uns noch bis jetzt kein ſicheres Reſultat uͤber die Natur und Wirkungsart des Feuers verſchafft haben. Bey dieſer Lage der Sache kan ich hier nichts mehr thun, als einige der vornehmſten Meinungen uͤber das Feuer anfuͤhren, unter welchen die neueſten der Herren Crawford und de Luͤc anjetzt die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen.
Einige Meinungen der aͤltern Chymiſten uͤber das Feuer hat Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks, Hannover und Leipz. 1770. 8. Cap. 23.) angefuͤhret, vornehmlich in der Abſicht, um zu zeigen, daß die von ihm angenommene fette Saͤure bereits ein Gedanke der Alten geweſen ſey. Uebrigens laͤuft faſt alles, was ſich darinn findet, auf dunkle und geheimnißvolle Benennungen hinaus, da das Feuerweſen ein von dem gemeinen unterſchiedener Schwefel (ſulphur, ſed non vulgi), ein Kind der Sonne, ein unſichtbarer und unfuͤhlbarer ſaurer Geiſt, ein Salz, das aus den obern Regionen Waͤrme und Licht an ſich ziehe, genannt wird. Becher wird als der erſte angegeben, der das Feuerweſen fuͤr eine Erde gehalten habe, welche Meinung nachher
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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