Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Die Sonnenfinsternisse, besonders die größern, sind schon von den ältesten Völkern und Schriftstellern als sehr merkwürdige Begebenheiten angesehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Esaias wird ihrer erwähnt, desgleichen im Homer und Pindar; umständlich handelt von ihnen Plinius (Hist. nat. II. 12.). Nach ihm soll Thales unter den Griechen der Erste gewesen seyn, der eine Sonnenfinsterniß vorhergesagt hat, und zwar diejenige, die nach Herodots Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwischen den Lydiern und Medern, während der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach Costards Berechnung (Philos. Transact. 1753. p. 23.) auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen ist. Man sieht hieraus, wieviel die Berechnung solcher Begebenheiten zur genauern Bestimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologischen und diplomatischen Fache sehr brauchbaren Buche (L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.) findet man ein genaues Verzeichniß aller seit dem Anfange der christlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finsternisse. Der Anblick einer großen, besonders einer gänzlichen, Sonnenfinsterniß ist in der That etwas sehr sonderbares. Es zeigen sich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Vögel fallen zur Erde nieder, die Sterne erscheinen, und die Dunkelheit ist, wo nicht größer, doch auffallender und
Die Sonnenfinſterniſſe, beſonders die groͤßern, ſind ſchon von den aͤlteſten Voͤlkern und Schriftſtellern als ſehr merkwuͤrdige Begebenheiten angeſehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Eſaias wird ihrer erwaͤhnt, desgleichen im Homer und Pindar; umſtaͤndlich handelt von ihnen Plinius (Hiſt. nat. II. 12.). Nach ihm ſoll Thales unter den Griechen der Erſte geweſen ſeyn, der eine Sonnenfinſterniß vorhergeſagt hat, und zwar diejenige, die nach Herodots Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwiſchen den Lydiern und Medern, waͤhrend der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach Coſtards Berechnung (Philoſ. Tranſact. 1753. p. 23.) auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen iſt. Man ſieht hieraus, wieviel die Berechnung ſolcher Begebenheiten zur genauern Beſtimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologiſchen und diplomatiſchen Fache ſehr brauchbaren Buche (L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.) findet man ein genaues Verzeichniß aller ſeit dem Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finſterniſſe. Der Anblick einer großen, beſonders einer gaͤnzlichen, Sonnenfinſterniß iſt in der That etwas ſehr ſonderbares. Es zeigen ſich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Voͤgel fallen zur Erde nieder, die Sterne erſcheinen, und die Dunkelheit iſt, wo nicht groͤßer, doch auffallender und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0255" xml:id="P.2.249" n="249"/><lb/><hi rendition="#b">ringfoͤrmige</hi><hi rendition="#aq">(annularis, <hi rendition="#i">annulaire</hi>);</hi> ſo ward z. B. die vom 1 April 1764. zu Cadir, Calais und Pello in Lappland ringfoͤrmig geſehen, ob ſie gleich bey uns nur die groͤßere Haͤlfte der Sonne betraf. <hi rendition="#b">Central</hi> heißen die Sonnenfinſterniſſe, wenn die Mittelpunkte des Monds und der Sonne zuſammentreffen: iſt hiebey der Durchmeſſer des Monds kleiner, als der der Sonne, ſo iſt die Finſterniß ringfoͤrmig; iſt er groͤßer, ſo iſt ſie <hi rendition="#b">total mit Dauer</hi> <hi rendition="#aq">(totalis cum mora, <hi rendition="#i">avec durée</hi>);</hi> ſind beyde Durchmeſſer gleich, daß zwar der Mond die Sonne deckt, aber wegen ſeiner eignen Bewegung ſogleich wieder verlaͤßt, ſo iſt die Verfinſterung <hi rendition="#b">total ohne Dauer</hi> oder von augenblicklicher Dauer <hi rendition="#aq">(totalis ſine mora, <hi rendition="#i">ſans durée</hi>).</hi></p> <p>Die Sonnenfinſterniſſe, beſonders die groͤßern, ſind ſchon von den aͤlteſten Voͤlkern und Schriftſtellern als ſehr merkwuͤrdige Begebenheiten angeſehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Eſaias wird ihrer erwaͤhnt, desgleichen im <hi rendition="#b">Homer</hi> und <hi rendition="#b">Pindar;</hi> umſtaͤndlich handelt von ihnen <hi rendition="#b">Plinius</hi> <hi rendition="#aq">(Hiſt. nat. II. 12.).</hi> Nach ihm ſoll <hi rendition="#b">Thales</hi> unter den Griechen der Erſte geweſen ſeyn, der eine Sonnenfinſterniß vorhergeſagt hat, und zwar diejenige, die nach <hi rendition="#b">Herodots</hi> Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwiſchen den Lydiern und Medern, waͤhrend der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach <hi rendition="#b">Coſtards</hi> Berechnung <hi rendition="#aq">(Philoſ. Tranſact. 1753. p. 23.)</hi> auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen iſt. Man ſieht hieraus, wieviel die Berechnung ſolcher Begebenheiten zur genauern Beſtimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologiſchen und diplomatiſchen Fache ſehr brauchbaren Buche <hi rendition="#aq">(L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.)</hi> findet man ein genaues Verzeichniß aller ſeit dem Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finſterniſſe.</p> <p>Der Anblick einer großen, beſonders einer gaͤnzlichen, Sonnenfinſterniß iſt in der That etwas ſehr ſonderbares. Es zeigen ſich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Voͤgel fallen zur Erde nieder, die Sterne erſcheinen, und die Dunkelheit iſt, wo nicht groͤßer, doch auffallender und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0255]
ringfoͤrmige (annularis, annulaire); ſo ward z. B. die vom 1 April 1764. zu Cadir, Calais und Pello in Lappland ringfoͤrmig geſehen, ob ſie gleich bey uns nur die groͤßere Haͤlfte der Sonne betraf. Central heißen die Sonnenfinſterniſſe, wenn die Mittelpunkte des Monds und der Sonne zuſammentreffen: iſt hiebey der Durchmeſſer des Monds kleiner, als der der Sonne, ſo iſt die Finſterniß ringfoͤrmig; iſt er groͤßer, ſo iſt ſie total mit Dauer (totalis cum mora, avec durée); ſind beyde Durchmeſſer gleich, daß zwar der Mond die Sonne deckt, aber wegen ſeiner eignen Bewegung ſogleich wieder verlaͤßt, ſo iſt die Verfinſterung total ohne Dauer oder von augenblicklicher Dauer (totalis ſine mora, ſans durée).
Die Sonnenfinſterniſſe, beſonders die groͤßern, ſind ſchon von den aͤlteſten Voͤlkern und Schriftſtellern als ſehr merkwuͤrdige Begebenheiten angeſehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Eſaias wird ihrer erwaͤhnt, desgleichen im Homer und Pindar; umſtaͤndlich handelt von ihnen Plinius (Hiſt. nat. II. 12.). Nach ihm ſoll Thales unter den Griechen der Erſte geweſen ſeyn, der eine Sonnenfinſterniß vorhergeſagt hat, und zwar diejenige, die nach Herodots Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwiſchen den Lydiern und Medern, waͤhrend der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach Coſtards Berechnung (Philoſ. Tranſact. 1753. p. 23.) auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen iſt. Man ſieht hieraus, wieviel die Berechnung ſolcher Begebenheiten zur genauern Beſtimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologiſchen und diplomatiſchen Fache ſehr brauchbaren Buche (L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.) findet man ein genaues Verzeichniß aller ſeit dem Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finſterniſſe.
Der Anblick einer großen, beſonders einer gaͤnzlichen, Sonnenfinſterniß iſt in der That etwas ſehr ſonderbares. Es zeigen ſich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Voͤgel fallen zur Erde nieder, die Sterne erſcheinen, und die Dunkelheit iſt, wo nicht groͤßer, doch auffallender und
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