Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Die Verminderung der Schwere läßt sich am bequemsten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gründen, seine Schwingungen in desto kürzerer Zeit vollendet, je kürzer es selbst, und je größer die Kraft der Schwere ist. Dreht sich also die Erde wirklich um ihre Axe, so läßt sich erwarten, daß eben dasselbe Pendel seine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langsamer, als in unsern Ländern, verrichten werde. Picard (Mesure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erstenmale einer in der Akademie der Wissenschaften vorgetragnen Muthmaßung, daß schwere Körper, wenn die Umwälzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen müßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verschiedenheit in den Secundenpendeln entstehen müsse, welche da geschwinder gehen würden, wo mehr Schwere statt fände, und fügt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen schienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel desto kürzer machen müsse, je mehr man mittagwärts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch schienen andere Erfahrungen zu widersprechen, indem man im Haag und zu Paris die Längen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe. Die Pariser Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey seinem Aufenthalte auf der Insel Cayenne, welche bey Südamerika nur 5° nordwärts vom Aequator liegt, die dortige Länge des Secundenpendels zu untersuchen. Er fand (Observations astronomiques et physiques faites a Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß seine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne täglich um 2 Minuten zu langsam gieng, so
Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde. Picard (Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe. Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur 5° nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" xml:id="P.2.25" n="25"/><lb/> Schwere nach <hi rendition="#aq">C</hi> gerade, bey <hi rendition="#aq">E</hi> und <hi rendition="#aq">G</hi> aber nur zum Theil entgegengeſetzt iſt. Im Pole <hi rendition="#aq">P</hi> hingegen muß die Kraft der Schwere ganz unvermindert bleiben, weil daſelbſt die umdrehende Bewegung gar nicht mehr ſtatt findet. Ausfuͤhrlichere Beſtimmungen hievon ſ. bey dem Artikel: <hi rendition="#b">Schwungkraft.</hi></p> <p>Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: <hi rendition="#b">Pendel</hi> beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde.</p> <p><hi rendition="#b">Picard</hi> (<hi rendition="#aq">Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.</hi>) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe.</p> <p>Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn <hi rendition="#b">Richer</hi> unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur 5° nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (<hi rendition="#aq">Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.</hi>), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0031]
Schwere nach C gerade, bey E und G aber nur zum Theil entgegengeſetzt iſt. Im Pole P hingegen muß die Kraft der Schwere ganz unvermindert bleiben, weil daſelbſt die umdrehende Bewegung gar nicht mehr ſtatt findet. Ausfuͤhrlichere Beſtimmungen hievon ſ. bey dem Artikel: Schwungkraft.
Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde.
Picard (Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe.
Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur 5° nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo
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