Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Von dieser Zeit an kam Huygens, welcher die Sätze von der Schwungkraft im Kreise zuerst bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere versehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den schwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte stehen könnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel wäre. Gesetzt auch, sie sey Anfangs eine flüßige Kugel gewesen, so würden doch ihre Theile durch die tägliche Umdrehung sich desto mehr erhoben haben, je näher sie dem Aequator gewesen wären, dagegen würden die schwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgesunken seyn, und das Ganze würde also die Gestalt eines um die Pole zusammengedrückten oder abgeplatteten Sphäroids (Spheroide applati) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das müßte erfolgt seyn, wenn auch nur die Oberfläche der Erde überall mit Wasser bedeckt gewesen wäre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, so muß der Schwung ihnen diese Gestalt wirklich geben, welche auch das feste Land haben muß, weil es sonst vom Meere überschwemmt werden müßte. Aus diesen Gründen erklärt Huygens (De causa gravitatis, in Opp. cura s'Gravesande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde für ein abgeplattetes Sphäroid, dessen Durchmesser durch den Aequator AQ etwas größer sey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er führt zu Bestärkung dieses Satzes den Versuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe gesteckt und schnell herumgedreht. wirklich eine solche Gestalt erhält, an dem Pole der Umdrehung
Von dieſer Zeit an kam Huygens, welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder abgeplatteten Sphaͤroids (Sphèroide applâti) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte. Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt Huygens (De cauſa gravitatis, in Opp. cura s'Graveſande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator AQ etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" xml:id="P.2.26" n="26"/><lb/> daß er genoͤthigt war, die Pendelſtange derſelben um 1 1/4 Lin. zu verkuͤrzen, wenn ſie ihre 3600 Schwingungen in einer Stunde richtig ſchlagen ſollte. Dagegen mußte ſie bey der Zuruͤckkunft nach Paris, weil nun die Uhr zu geſchwind gieng, wieder auf die vorige Laͤnge zuruͤckgebracht werden. Hiedurch ward es alſo außer Zweifel geſetzt, daß die Schwere der Koͤrper gegen den Aequator hin geringer werde, und man erhielt dadurch zugleich einen ſtarken Beweis fuͤr die Wirklichkeit der Umwaͤlzung der Erde und fuͤr das copernikaniſche Syſtem.</p> <p>Von dieſer Zeit an kam <hi rendition="#b">Huygens,</hi> welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder <hi rendition="#b">abgeplatteten Sphaͤroids</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Sphèroide applâti</hi></hi>) (Taf. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte.</p> <p>Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt <hi rendition="#b">Huygens</hi> (<hi rendition="#aq">De cauſa gravitatis, in Opp. cura <hi rendition="#i">s'Graveſande.</hi> Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.</hi>) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator <hi rendition="#aq">AQ</hi> etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe <hi rendition="#aq">PS.</hi> Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0032]
daß er genoͤthigt war, die Pendelſtange derſelben um 1 1/4 Lin. zu verkuͤrzen, wenn ſie ihre 3600 Schwingungen in einer Stunde richtig ſchlagen ſollte. Dagegen mußte ſie bey der Zuruͤckkunft nach Paris, weil nun die Uhr zu geſchwind gieng, wieder auf die vorige Laͤnge zuruͤckgebracht werden. Hiedurch ward es alſo außer Zweifel geſetzt, daß die Schwere der Koͤrper gegen den Aequator hin geringer werde, und man erhielt dadurch zugleich einen ſtarken Beweis fuͤr die Wirklichkeit der Umwaͤlzung der Erde und fuͤr das copernikaniſche Syſtem.
Von dieſer Zeit an kam Huygens, welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder abgeplatteten Sphaͤroids (Sphèroide applâti) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte.
Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt Huygens (De cauſa gravitatis, in Opp. cura s'Graveſande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator AQ etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung
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