Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Unter den Ueberschwemmungen, welche jährlich zu gewissen Jahrszeiten erfolgen, ist die des Nils die berühm- <*>este. In Aethiopien, wo es vom April bis September regnet, tritt sie schon zu Ende des May, in Egypten aber erst im Iunius ein, steigt 46 Tage und fällt eben so lange. Der Nordwind thut dabey sehr viel; er treibt die Wolken gegen die Gebirge im innern Afrika, und verhindert den Aussluß des Nils; erhebt sich ein Süowind, so fällt die Fluth in einem Tage so viel, als sie in vieren gestiegen ist. Da das Land von dem abgesetzten Schlamme immer höher wird, so muß das Wasser jetzt weit höher, als vor Alters, steigen, ehe die Ueberschwemmung erfolgt. Seine Höhe wird durch die sogenannten Nilmesser bestimmt, dergleichen nach dem Diodor schon die ältesten egyptischen Könige zu Memphis errichten ließen. Der jetzige Nilmesser steht Alt-Cairo gegen über am südlichen Ende der Insel Rodda. Er ist eine mehr als 50 Fuß hohe Säule, in drey Haupttheile, jeden von 8 constantinopolitanischen Ellen, getheilt, und in ein Viereck eingeschlossen, welches auf einem Gewölbe ruht, unter welchem der Fluß durchgeht. Jetzt muß das Wasser 50 Fuß hoch steigen, ehe es das Land überschwemmt, da es hingegen in alten Zeiten nur 16 Fuß, und im ersten Jahrhundert n. C. G. nur 32 Fuß zu steigen brauchte, wenn anders die von Herodot und Plintus (Hist. nat. V. 9. XXXVI. 7.) angegebnen Maaße zuverlässig sind. Der Abhang des Bodens der Flüsse senkt sich gemeiniglich sehr langsam; bisweilen aber bricht er auch mit einemmale jähe ab, wodurch die Wasserfälle entstehen. Bey diesen zertrennt sich das Wasser so fein, daß man fast einen beständigen Nebel siehet, worinn sich, wenn die Sonne scheint, ein Regenbogen zeigt. In Deutschland sind vornehmlich die Rheinfälle bey Schafhausen und Laufenburg merkwürdig, wovon der erste 80 Fuß Höhe hat. In
Unter den Ueberſchwemmungen, welche jaͤhrlich zu gewiſſen Jahrszeiten erfolgen, iſt die des Nils die beruͤhm- <*>eſte. In Aethiopien, wo es vom April bis September regnet, tritt ſie ſchon zu Ende des May, in Egypten aber erſt im Iunius ein, ſteigt 46 Tage und faͤllt eben ſo lange. Der Nordwind thut dabey ſehr viel; er treibt die Wolken gegen die Gebirge im innern Afrika, und verhindert den Ausſluß des Nils; erhebt ſich ein Suͤowind, ſo faͤllt die Fluth in einem Tage ſo viel, als ſie in vieren geſtiegen iſt. Da das Land von dem abgeſetzten Schlamme immer hoͤher wird, ſo muß das Waſſer jetzt weit hoͤher, als vor Alters, ſteigen, ehe die Ueberſchwemmung erfolgt. Seine Hoͤhe wird durch die ſogenannten Nilmeſſer beſtimmt, dergleichen nach dem Diodor ſchon die aͤlteſten egyptiſchen Koͤnige zu Memphis errichten ließen. Der jetzige Nilmeſſer ſteht Alt-Cairo gegen uͤber am ſuͤdlichen Ende der Inſel Rodda. Er iſt eine mehr als 50 Fuß hohe Saͤule, in drey Haupttheile, jeden von 8 conſtantinopolitaniſchen Ellen, getheilt, und in ein Viereck eingeſchloſſen, welches auf einem Gewoͤlbe ruht, unter welchem der Fluß durchgeht. Jetzt muß das Waſſer 50 Fuß hoch ſteigen, ehe es das Land uͤberſchwemmt, da es hingegen in alten Zeiten nur 16 Fuß, und im erſten Jahrhundert n. C. G. nur 32 Fuß zu ſteigen brauchte, wenn anders die von Herodot und Plintus (Hiſt. nat. V. 9. XXXVI. 7.) angegebnen Maaße zuverlaͤſſig ſind. Der Abhang des Bodens der Fluͤſſe ſenkt ſich gemeiniglich ſehr langſam; bisweilen aber bricht er auch mit einemmale jaͤhe ab, wodurch die Waſſerfaͤlle entſtehen. Bey dieſen zertrennt ſich das Waſſer ſo fein, daß man faſt einen beſtaͤndigen Nebel ſiehet, worinn ſich, wenn die Sonne ſcheint, ein Regenbogen zeigt. In Deutſchland ſind vornehmlich die Rheinfaͤlle bey Schafhauſen und Laufenburg merkwuͤrdig, wovon der erſte 80 Fuß Hoͤhe hat. In <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0326" xml:id="P.2.320" n="320"/><lb/> erfolgt, wodurch ſie betraͤchtlich vermindert, und das uͤbergetretene Waſſer nur ſehr langſam abgefuͤhrt wird. Fluͤſſe mit hohen Ufern gehen oft viel hoͤher, als die umliegenden Wieſen und Felder.</p> <p>Unter den Ueberſchwemmungen, welche jaͤhrlich zu gewiſſen Jahrszeiten erfolgen, iſt die des <hi rendition="#b">Nils</hi> die beruͤhm- <*>eſte. In Aethiopien, wo es vom April bis September regnet, tritt ſie ſchon zu Ende des May, in Egypten aber erſt im Iunius ein, ſteigt 46 Tage und faͤllt eben ſo lange. Der Nordwind thut dabey ſehr viel; er treibt die Wolken gegen die Gebirge im innern Afrika, und verhindert den Ausſluß des Nils; erhebt ſich ein Suͤowind, ſo faͤllt die Fluth in einem Tage ſo viel, als ſie in vieren geſtiegen iſt. Da das Land von dem abgeſetzten Schlamme immer hoͤher wird, ſo muß das Waſſer jetzt weit hoͤher, als vor Alters, ſteigen, ehe die Ueberſchwemmung erfolgt. Seine Hoͤhe wird durch die ſogenannten Nilmeſſer beſtimmt, dergleichen nach dem <hi rendition="#b">Diodor</hi> ſchon die aͤlteſten egyptiſchen Koͤnige zu Memphis errichten ließen. Der jetzige Nilmeſſer ſteht Alt-Cairo gegen uͤber am ſuͤdlichen Ende der Inſel Rodda. Er iſt eine mehr als 50 Fuß hohe Saͤule, in drey Haupttheile, jeden von 8 conſtantinopolitaniſchen Ellen, getheilt, und in ein Viereck eingeſchloſſen, welches auf einem Gewoͤlbe ruht, unter welchem der Fluß durchgeht. Jetzt muß das Waſſer 50 Fuß hoch ſteigen, ehe es das Land uͤberſchwemmt, da es hingegen in alten Zeiten nur 16 Fuß, und im erſten Jahrhundert n. C. G. nur 32 Fuß zu ſteigen brauchte, wenn anders die von <hi rendition="#b">Herodot</hi> und <hi rendition="#b">Plintus</hi> <hi rendition="#aq">(Hiſt. nat. V. 9. XXXVI. 7.)</hi> angegebnen Maaße zuverlaͤſſig ſind.</p> <p>Der Abhang des Bodens der Fluͤſſe ſenkt ſich gemeiniglich ſehr langſam; bisweilen aber bricht er auch mit einemmale jaͤhe ab, wodurch die <hi rendition="#b">Waſſerfaͤlle</hi> entſtehen. Bey dieſen zertrennt ſich das Waſſer ſo fein, daß man faſt einen beſtaͤndigen Nebel ſiehet, worinn ſich, wenn die Sonne ſcheint, ein Regenbogen zeigt. In Deutſchland ſind vornehmlich die Rheinfaͤlle bey Schafhauſen und Laufenburg merkwuͤrdig, wovon der erſte 80 Fuß Hoͤhe hat. In<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0326]
erfolgt, wodurch ſie betraͤchtlich vermindert, und das uͤbergetretene Waſſer nur ſehr langſam abgefuͤhrt wird. Fluͤſſe mit hohen Ufern gehen oft viel hoͤher, als die umliegenden Wieſen und Felder.
Unter den Ueberſchwemmungen, welche jaͤhrlich zu gewiſſen Jahrszeiten erfolgen, iſt die des Nils die beruͤhm- <*>eſte. In Aethiopien, wo es vom April bis September regnet, tritt ſie ſchon zu Ende des May, in Egypten aber erſt im Iunius ein, ſteigt 46 Tage und faͤllt eben ſo lange. Der Nordwind thut dabey ſehr viel; er treibt die Wolken gegen die Gebirge im innern Afrika, und verhindert den Ausſluß des Nils; erhebt ſich ein Suͤowind, ſo faͤllt die Fluth in einem Tage ſo viel, als ſie in vieren geſtiegen iſt. Da das Land von dem abgeſetzten Schlamme immer hoͤher wird, ſo muß das Waſſer jetzt weit hoͤher, als vor Alters, ſteigen, ehe die Ueberſchwemmung erfolgt. Seine Hoͤhe wird durch die ſogenannten Nilmeſſer beſtimmt, dergleichen nach dem Diodor ſchon die aͤlteſten egyptiſchen Koͤnige zu Memphis errichten ließen. Der jetzige Nilmeſſer ſteht Alt-Cairo gegen uͤber am ſuͤdlichen Ende der Inſel Rodda. Er iſt eine mehr als 50 Fuß hohe Saͤule, in drey Haupttheile, jeden von 8 conſtantinopolitaniſchen Ellen, getheilt, und in ein Viereck eingeſchloſſen, welches auf einem Gewoͤlbe ruht, unter welchem der Fluß durchgeht. Jetzt muß das Waſſer 50 Fuß hoch ſteigen, ehe es das Land uͤberſchwemmt, da es hingegen in alten Zeiten nur 16 Fuß, und im erſten Jahrhundert n. C. G. nur 32 Fuß zu ſteigen brauchte, wenn anders die von Herodot und Plintus (Hiſt. nat. V. 9. XXXVI. 7.) angegebnen Maaße zuverlaͤſſig ſind.
Der Abhang des Bodens der Fluͤſſe ſenkt ſich gemeiniglich ſehr langſam; bisweilen aber bricht er auch mit einemmale jaͤhe ab, wodurch die Waſſerfaͤlle entſtehen. Bey dieſen zertrennt ſich das Waſſer ſo fein, daß man faſt einen beſtaͤndigen Nebel ſiehet, worinn ſich, wenn die Sonne ſcheint, ein Regenbogen zeigt. In Deutſchland ſind vornehmlich die Rheinfaͤlle bey Schafhauſen und Laufenburg merkwuͤrdig, wovon der erſte 80 Fuß Hoͤhe hat. In
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