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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Amerika giebt es weit größere; der des Niagara ist 170 Fuß hoch; der des Bogocas bey St. Magdalena (Bouguer Voyage au Perou, p. 91.) 2--300 Toisen.

Die Menge des Wassers, welche die Flüsse ins Meer sühren, ist erstaunlich groß. Die Wolga soll in einer Stunde über 1000, der Jordan fast 9, der Po 421, die Seine 16, die Themse 30 1/2 Millionen Cubikfuß Wasser geben. Buffon (Histoire naturelle generale et part. Vol. I. p. 356.) findet nach einem von Keill gemachten Ueberschlage, daß alle Flüsse der Erde das Meer, wenn es trocken wäre, in 812 Jahren ausfüllen würden. Aber die Gründe solcher Bestimmungen sind so unsicher, daß das Resultat davon nicht anders, als unzuverläßig, seyn kan.

Torb. Bergmann physikalische Beschreibung der Erdkugel durch Röhl, 2te Aufl. Greifswald, 1780. gr. 8. Erster Band, S. 316. u. f.

Flüßig, Fluidum, Fluide.

Flüßig heißt ein Körper, wenn seine Theile so wenig Zusammenhang haben, daß sie der Trennung nur geringen, kaum merklichen Widerstand thun, dennoch aber genug Anziehung gegen einander äußern, um den Sinnen einen einzigen ohne Unterbrechung zusammenhängenden Körper darzustellen. Ihnen werden die festen Körper (solida) entgegengesetzt, s. Fest. Die Flüßigkeit ist ein mittlerer Zustand zwischen der Festigkeit und der gänzlichen Zertrennung der Theile. Im Zustande der Festigkeit hängen die Theile stark und bleibend, bey der Flüßigkeit nur wenig, bey der Zertrennung gar nicht mehr zusammen. Ein Beyspiel giebt festes, geschmolzenes, und zu Pulver gestoßenes Glas. Wir müssen aber die Unterschiede der flüßigen und festen Körper noch genauer bestimmen.

1. Die Theile des flüßigen Körpers lassen sich fast ohne merklichen Widerstand trennen, und sondern sich oft von selbst blos durch ihr Gewicht ab. Man kan z. B. mit der Hand, wo man will, durchs Wasser fahren, und ein Tropfen trennt sich von der übrigen Masse ganz allein durch seine Schwere. Daher kan man einen Theil einer flüßigen


Amerika giebt es weit groͤßere; der des Niagara iſt 170 Fuß hoch; der des Bogocas bey St. Magdalena (Bouguer Voyage au Perou, p. 91.) 2—300 Toiſen.

Die Menge des Waſſers, welche die Fluͤſſe ins Meer ſuͤhren, iſt erſtaunlich groß. Die Wolga ſoll in einer Stunde uͤber 1000, der Jordan faſt 9, der Po 421, die Seine 16, die Themſe 30 1/2 Millionen Cubikfuß Waſſer geben. Buffon (Hiſtoire naturelle generale et part. Vol. I. p. 356.) findet nach einem von Keill gemachten Ueberſchlage, daß alle Fluͤſſe der Erde das Meer, wenn es trocken waͤre, in 812 Jahren ausfuͤllen wuͤrden. Aber die Gruͤnde ſolcher Beſtimmungen ſind ſo unſicher, daß das Reſultat davon nicht anders, als unzuverlaͤßig, ſeyn kan.

Torb. Bergmann phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel durch Roͤhl, 2te Aufl. Greifswald, 1780. gr. 8. Erſter Band, S. 316. u. f.

Fluͤßig, Fluidum, Fluide.

Fluͤßig heißt ein Koͤrper, wenn ſeine Theile ſo wenig Zuſammenhang haben, daß ſie der Trennung nur geringen, kaum merklichen Widerſtand thun, dennoch aber genug Anziehung gegen einander aͤußern, um den Sinnen einen einzigen ohne Unterbrechung zuſammenhaͤngenden Koͤrper darzuſtellen. Ihnen werden die feſten Koͤrper (ſolida) entgegengeſetzt, ſ. Feſt. Die Fluͤßigkeit iſt ein mittlerer Zuſtand zwiſchen der Feſtigkeit und der gaͤnzlichen Zertrennung der Theile. Im Zuſtande der Feſtigkeit haͤngen die Theile ſtark und bleibend, bey der Fluͤßigkeit nur wenig, bey der Zertrennung gar nicht mehr zuſammen. Ein Beyſpiel giebt feſtes, geſchmolzenes, und zu Pulver geſtoßenes Glas. Wir muͤſſen aber die Unterſchiede der fluͤßigen und feſten Koͤrper noch genauer beſtimmen.

1. Die Theile des fluͤßigen Koͤrpers laſſen ſich faſt ohne merklichen Widerſtand trennen, und ſondern ſich oft von ſelbſt blos durch ihr Gewicht ab. Man kan z. B. mit der Hand, wo man will, durchs Waſſer fahren, und ein Tropfen trennt ſich von der uͤbrigen Maſſe ganz allein durch ſeine Schwere. Daher kan man einen Theil einer fluͤßigen

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[321/0327] Amerika giebt es weit groͤßere; der des Niagara iſt 170 Fuß hoch; der des Bogocas bey St. Magdalena (Bouguer Voyage au Perou, p. 91.) 2—300 Toiſen. Die Menge des Waſſers, welche die Fluͤſſe ins Meer ſuͤhren, iſt erſtaunlich groß. Die Wolga ſoll in einer Stunde uͤber 1000, der Jordan faſt 9, der Po 421, die Seine 16, die Themſe 30 1/2 Millionen Cubikfuß Waſſer geben. Buffon (Hiſtoire naturelle generale et part. Vol. I. p. 356.) findet nach einem von Keill gemachten Ueberſchlage, daß alle Fluͤſſe der Erde das Meer, wenn es trocken waͤre, in 812 Jahren ausfuͤllen wuͤrden. Aber die Gruͤnde ſolcher Beſtimmungen ſind ſo unſicher, daß das Reſultat davon nicht anders, als unzuverlaͤßig, ſeyn kan. Torb. Bergmann phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel durch Roͤhl, 2te Aufl. Greifswald, 1780. gr. 8. Erſter Band, S. 316. u. f. Fluͤßig, Fluidum, Fluide. Fluͤßig heißt ein Koͤrper, wenn ſeine Theile ſo wenig Zuſammenhang haben, daß ſie der Trennung nur geringen, kaum merklichen Widerſtand thun, dennoch aber genug Anziehung gegen einander aͤußern, um den Sinnen einen einzigen ohne Unterbrechung zuſammenhaͤngenden Koͤrper darzuſtellen. Ihnen werden die feſten Koͤrper (ſolida) entgegengeſetzt, ſ. Feſt. Die Fluͤßigkeit iſt ein mittlerer Zuſtand zwiſchen der Feſtigkeit und der gaͤnzlichen Zertrennung der Theile. Im Zuſtande der Feſtigkeit haͤngen die Theile ſtark und bleibend, bey der Fluͤßigkeit nur wenig, bey der Zertrennung gar nicht mehr zuſammen. Ein Beyſpiel giebt feſtes, geſchmolzenes, und zu Pulver geſtoßenes Glas. Wir muͤſſen aber die Unterſchiede der fluͤßigen und feſten Koͤrper noch genauer beſtimmen. 1. Die Theile des fluͤßigen Koͤrpers laſſen ſich faſt ohne merklichen Widerſtand trennen, und ſondern ſich oft von ſelbſt blos durch ihr Gewicht ab. Man kan z. B. mit der Hand, wo man will, durchs Waſſer fahren, und ein Tropfen trennt ſich von der uͤbrigen Maſſe ganz allein durch ſeine Schwere. Daher kan man einen Theil einer fluͤßigen

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/327>, abgerufen am 22.11.2024.