Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


ist, s. Gas, atmosphärisches. Priestley schloß daraus, daß die elektrische Materie entweder Phlogiston sey, oder doch dergleichen enthalte; Fontana aber machte durch Versuche wahrscheinlich, daß das Phlogiston aus dem zur Vorrichtung gebrauchten Kütt gekommen sey. Cavendish hat endlich bey seinen neusten Versuchen über die phlogistisirte Luft entscheidend bewiesen, daß die hiebey entstehende Verminderung von der aus der phlogistisirten Luft entstandnen Salpetersäure bewirkt werde.

Durch Schütteln im Wasser wird die völlig phlogistisirte Luft so weit verbessert, daß sie wieder zum Athmen tauglich ist, und von der nitrösen Luft vermindert wird, ob sie gleich noch immer Lichter auslöschet.

Die Natur der phlogistisirten Luft ist noch immer sehr räthselhaft. Es schien anfänglich am natürlichsten, sie für ein Gemisch von reiner Luft und Phlogiston zu erklären; allein die Phänomene, besonders die so merkwürdige Erscheinung der Verminderung des Volumens und des Gewichts beym Phlogistisiren der respirablen Luft, zeigten bald, daß man mit dieser Erklärung allein nicht ausreiche. Daher haben Scheele und Lavoisier die dephlogistisirte und phlogistisirte Luft als zwo vollkommen verschiedene Substanzen, und die gemeine Luft als ein Gemisch aus beyden angesehen. Unter dieser Voraussetzung läßt sich die Verminderung aus einer Zersetzung der respirablen Luft, wobey der reinere Theil sich in Wasser verwandelt, oder vom phlogistisirenden Körper verschluckt wird, und blos der unreinere oder irrespirable Theil übrig bleibt, sehr wohl erklären.

Die Naturforscher, welche dieses System annahmen, hielten dem zufolge die phlogistisirte Luft für einen einfachen in der gemeinen Luft anzutreffenden Grundstof. Die neuern Versuche des Herrn Cavendish aber (Philos. Trans. 1784. und in Lichtenbergs Magazin für das Neuste rc. B. III. St. 3. S. 39. u. f.) scheinen darauf zu führen, daß man diese in der Atmosphäre enthaltene phlogistisirte Luft für eine Zusammensetzung aus Salpetersäure und Phlogiston halten müsse. Cavendish fand nemlich, daß beym Verpuffen brennbarer und dephlogistisirter Luft in verschloßnen Gefäßen,


iſt, ſ. Gas, atmoſphaͤriſches. Prieſtley ſchloß daraus, daß die elektriſche Materie entweder Phlogiſton ſey, oder doch dergleichen enthalte; Fontana aber machte durch Verſuche wahrſcheinlich, daß das Phlogiſton aus dem zur Vorrichtung gebrauchten Kuͤtt gekommen ſey. Cavendiſh hat endlich bey ſeinen neuſten Verſuchen uͤber die phlogiſtiſirte Luft entſcheidend bewieſen, daß die hiebey entſtehende Verminderung von der aus der phlogiſtiſirten Luft entſtandnen Salpeterſaͤure bewirkt werde.

Durch Schuͤtteln im Waſſer wird die voͤllig phlogiſtiſirte Luft ſo weit verbeſſert, daß ſie wieder zum Athmen tauglich iſt, und von der nitroͤſen Luft vermindert wird, ob ſie gleich noch immer Lichter ausloͤſchet.

Die Natur der phlogiſtiſirten Luft iſt noch immer ſehr raͤthſelhaft. Es ſchien anfaͤnglich am natuͤrlichſten, ſie fuͤr ein Gemiſch von reiner Luft und Phlogiſton zu erklaͤren; allein die Phaͤnomene, beſonders die ſo merkwuͤrdige Erſcheinung der Verminderung des Volumens und des Gewichts beym Phlogiſtiſiren der reſpirablen Luft, zeigten bald, daß man mit dieſer Erklaͤrung allein nicht ausreiche. Daher haben Scheele und Lavoiſier die dephlogiſtiſirte und phlogiſtiſirte Luft als zwo vollkommen verſchiedene Subſtanzen, und die gemeine Luft als ein Gemiſch aus beyden angeſehen. Unter dieſer Vorausſetzung laͤßt ſich die Verminderung aus einer Zerſetzung der reſpirablen Luft, wobey der reinere Theil ſich in Waſſer verwandelt, oder vom phlogiſtiſirenden Koͤrper verſchluckt wird, und blos der unreinere oder irreſpirable Theil uͤbrig bleibt, ſehr wohl erklaͤren.

Die Naturforſcher, welche dieſes Syſtem annahmen, hielten dem zufolge die phlogiſtiſirte Luft fuͤr einen einfachen in der gemeinen Luft anzutreffenden Grundſtof. Die neuern Verſuche des Herrn Cavendiſh aber (Philoſ. Trans. 1784. und in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. B. III. St. 3. S. 39. u. f.) ſcheinen darauf zu fuͤhren, daß man dieſe in der Atmoſphaͤre enthaltene phlogiſtiſirte Luft fuͤr eine Zuſammenſetzung aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton halten muͤſſe. Cavendiſh fand nemlich, daß beym Verpuffen brennbarer und dephlogiſtiſirter Luft in verſchloßnen Gefaͤßen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0415" xml:id="P.2.409" n="409"/><lb/>
i&#x017F;t, <hi rendition="#b">&#x017F;. Gas, atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;ches. Prie&#x017F;tley</hi> &#x017F;chloß daraus, daß die elektri&#x017F;che Materie entweder Phlogi&#x017F;ton &#x017F;ey, oder doch dergleichen enthalte; <hi rendition="#b">Fontana</hi> aber machte durch Ver&#x017F;uche wahr&#x017F;cheinlich, daß das Phlogi&#x017F;ton aus dem zur Vorrichtung gebrauchten Ku&#x0364;tt gekommen &#x017F;ey. <hi rendition="#b">Cavendi&#x017F;h</hi> hat endlich bey &#x017F;einen neu&#x017F;ten Ver&#x017F;uchen u&#x0364;ber die phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft ent&#x017F;cheidend bewie&#x017F;en, daß die hiebey ent&#x017F;tehende Verminderung von der aus der phlogi&#x017F;ti&#x017F;irten Luft ent&#x017F;tandnen Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure bewirkt werde.</p>
            <p>Durch Schu&#x0364;tteln im Wa&#x017F;&#x017F;er wird die vo&#x0364;llig phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft &#x017F;o weit verbe&#x017F;&#x017F;ert, daß &#x017F;ie wieder zum Athmen tauglich i&#x017F;t, und von der nitro&#x0364;&#x017F;en Luft vermindert wird, ob &#x017F;ie gleich noch immer Lichter auslo&#x0364;&#x017F;chet.</p>
            <p>Die Natur der phlogi&#x017F;ti&#x017F;irten Luft i&#x017F;t noch immer &#x017F;ehr ra&#x0364;th&#x017F;elhaft. Es &#x017F;chien anfa&#x0364;nglich am natu&#x0364;rlich&#x017F;ten, &#x017F;ie fu&#x0364;r ein Gemi&#x017F;ch von reiner Luft und Phlogi&#x017F;ton zu erkla&#x0364;ren; allein die Pha&#x0364;nomene, be&#x017F;onders die &#x017F;o merkwu&#x0364;rdige Er&#x017F;cheinung der Verminderung des Volumens und des Gewichts beym Phlogi&#x017F;ti&#x017F;iren der re&#x017F;pirablen Luft, zeigten bald, daß man mit die&#x017F;er Erkla&#x0364;rung allein nicht ausreiche. Daher haben <hi rendition="#b">Scheele</hi> und <hi rendition="#b">Lavoi&#x017F;ier</hi> die dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irte und phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft als zwo vollkommen ver&#x017F;chiedene Sub&#x017F;tanzen, und die gemeine Luft als ein Gemi&#x017F;ch aus beyden ange&#x017F;ehen. Unter die&#x017F;er Voraus&#x017F;etzung la&#x0364;ßt &#x017F;ich die Verminderung aus einer Zer&#x017F;etzung der re&#x017F;pirablen Luft, wobey der reinere Theil &#x017F;ich in Wa&#x017F;&#x017F;er verwandelt, oder vom phlogi&#x017F;ti&#x017F;irenden Ko&#x0364;rper ver&#x017F;chluckt wird, und blos der unreinere oder irre&#x017F;pirable Theil u&#x0364;brig bleibt, &#x017F;ehr wohl erkla&#x0364;ren.</p>
            <p>Die Naturfor&#x017F;cher, welche die&#x017F;es Sy&#x017F;tem annahmen, hielten dem zufolge die phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft fu&#x0364;r einen einfachen in der gemeinen Luft anzutreffenden Grund&#x017F;tof. Die neuern Ver&#x017F;uche des Herrn <hi rendition="#b">Cavendi&#x017F;h</hi> aber <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;. Trans. 1784.</hi> und in Lichtenbergs Magazin fu&#x0364;r das Neu&#x017F;te rc. B. <hi rendition="#aq">III.</hi> St. 3. S. 39. u. f.) &#x017F;cheinen darauf zu fu&#x0364;hren, daß man die&#x017F;e in der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re enthaltene phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft fu&#x0364;r eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung aus <hi rendition="#b">Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure</hi> und <hi rendition="#b">Phlogi&#x017F;ton</hi> halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Cavendi&#x017F;h fand nemlich, daß beym Verpuffen brennbarer und dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irter Luft in ver&#x017F;chloßnen Gefa&#x0364;ßen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[409/0415] iſt, ſ. Gas, atmoſphaͤriſches. Prieſtley ſchloß daraus, daß die elektriſche Materie entweder Phlogiſton ſey, oder doch dergleichen enthalte; Fontana aber machte durch Verſuche wahrſcheinlich, daß das Phlogiſton aus dem zur Vorrichtung gebrauchten Kuͤtt gekommen ſey. Cavendiſh hat endlich bey ſeinen neuſten Verſuchen uͤber die phlogiſtiſirte Luft entſcheidend bewieſen, daß die hiebey entſtehende Verminderung von der aus der phlogiſtiſirten Luft entſtandnen Salpeterſaͤure bewirkt werde. Durch Schuͤtteln im Waſſer wird die voͤllig phlogiſtiſirte Luft ſo weit verbeſſert, daß ſie wieder zum Athmen tauglich iſt, und von der nitroͤſen Luft vermindert wird, ob ſie gleich noch immer Lichter ausloͤſchet. Die Natur der phlogiſtiſirten Luft iſt noch immer ſehr raͤthſelhaft. Es ſchien anfaͤnglich am natuͤrlichſten, ſie fuͤr ein Gemiſch von reiner Luft und Phlogiſton zu erklaͤren; allein die Phaͤnomene, beſonders die ſo merkwuͤrdige Erſcheinung der Verminderung des Volumens und des Gewichts beym Phlogiſtiſiren der reſpirablen Luft, zeigten bald, daß man mit dieſer Erklaͤrung allein nicht ausreiche. Daher haben Scheele und Lavoiſier die dephlogiſtiſirte und phlogiſtiſirte Luft als zwo vollkommen verſchiedene Subſtanzen, und die gemeine Luft als ein Gemiſch aus beyden angeſehen. Unter dieſer Vorausſetzung laͤßt ſich die Verminderung aus einer Zerſetzung der reſpirablen Luft, wobey der reinere Theil ſich in Waſſer verwandelt, oder vom phlogiſtiſirenden Koͤrper verſchluckt wird, und blos der unreinere oder irreſpirable Theil uͤbrig bleibt, ſehr wohl erklaͤren. Die Naturforſcher, welche dieſes Syſtem annahmen, hielten dem zufolge die phlogiſtiſirte Luft fuͤr einen einfachen in der gemeinen Luft anzutreffenden Grundſtof. Die neuern Verſuche des Herrn Cavendiſh aber (Philoſ. Trans. 1784. und in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. B. III. St. 3. S. 39. u. f.) ſcheinen darauf zu fuͤhren, daß man dieſe in der Atmoſphaͤre enthaltene phlogiſtiſirte Luft fuͤr eine Zuſammenſetzung aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton halten muͤſſe. Cavendiſh fand nemlich, daß beym Verpuffen brennbarer und dephlogiſtiſirter Luft in verſchloßnen Gefaͤßen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/415
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/415>, abgerufen am 22.11.2024.