Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Selbst Newton hat aus seinem Axiom mehr hergeleitet, als wirklich daraus folgt. Er schließt (Princ. L. III. prop. 5. Coroll. 1.), die Gravitation der Weltkörper sey gegenseitig, z. B. es gravitire nicht allein der Mond gegen die Erde, sondern auch die Erde gegen den Mond, weil Wirkung und Gegenwirkung stets bey einander sey. Aber wer sieht nicht, daß die Gravitation, deren Ursache noch unbekannt ist, mit dem Zuge, Drucke und Stoße nicht so geradehin verwechselt werden dürfe. Sollte sie vom Stoße einer Materie herrühren, warum könnte denn diese Materie nicht den Mond gegen die Erde treiben, ohne zugleich diese gegen jenen zu führen? Es sind allerdings alle bekannten Attractionen gegenseitig; aber dies muß aus Erfahrungen erwiesen werden. Die Schwere des Monds gegen die Erde folgt aus der Art seiner Bewegung um letztere; die der Erde gegen den Mond aus der Ebbe und Fluth, und aus ihren in der Bewegung der Erde sichtbaren Wirkungen; keinesweges aber aus dem Grundsatze von der Gegenwirkung, welcher blos eine Folge der Trägheit der Körper, und nur da als Vorstellungsart anwendbar ist, wo Veränderung durch Wirken statt findet. Kästners Anfangsgr. der höhern Mechanik, Göttingen, 1766. 8. §. 125. u. f. Gegenwohner, Antoeci, Anteciens. Diesen Namen erhalten die Bewohner solcher Orte der Erdfläche, welche unter einerley Mittagskreise, und in gleichen, aber entgegengesetzten, Breiten wohnen. So sind Taf. VIII. Fig. 2 die in i Gegenwohner derer in s; beyde Orte liegen im Meridian pos is, und ihre Breiten oder Abstände vom Aequator af und ai sind gleich. Die Gegenwohner haben zu gleicher Zeit Mittag, also einerley Tagesstunden, aber entgegengesetzte Jahrszeiten. Leipzigs Gegenwohner sind
Selbſt Newton hat aus ſeinem Axiom mehr hergeleitet, als wirklich daraus folgt. Er ſchließt (Princ. L. III. prop. 5. Coroll. 1.), die Gravitation der Weltkoͤrper ſey gegenſeitig, z. B. es gravitire nicht allein der Mond gegen die Erde, ſondern auch die Erde gegen den Mond, weil Wirkung und Gegenwirkung ſtets bey einander ſey. Aber wer ſieht nicht, daß die Gravitation, deren Urſache noch unbekannt iſt, mit dem Zuge, Drucke und Stoße nicht ſo geradehin verwechſelt werden duͤrfe. Sollte ſie vom Stoße einer Materie herruͤhren, warum koͤnnte denn dieſe Materie nicht den Mond gegen die Erde treiben, ohne zugleich dieſe gegen jenen zu fuͤhren? Es ſind allerdings alle bekannten Attractionen gegenſeitig; aber dies muß aus Erfahrungen erwieſen werden. Die Schwere des Monds gegen die Erde folgt aus der Art ſeiner Bewegung um letztere; die der Erde gegen den Mond aus der Ebbe und Fluth, und aus ihren in der Bewegung der Erde ſichtbaren Wirkungen; keinesweges aber aus dem Grundſatze von der Gegenwirkung, welcher blos eine Folge der Traͤgheit der Koͤrper, und nur da als Vorſtellungsart anwendbar iſt, wo Veraͤnderung durch Wirken ſtatt findet. Kaͤſtners Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. §. 125. u. f. Gegenwohner, Antoeci, Antéciens. Dieſen Namen erhalten die Bewohner ſolcher Orte der Erdflaͤche, welche unter einerley Mittagskreiſe, und in gleichen, aber entgegengeſetzten, Breiten wohnen. So ſind Taf. VIII. Fig. 2 die in i Gegenwohner derer in ſ; beyde Orte liegen im Meridian poſ is, und ihre Breiten oder Abſtaͤnde vom Aequator af und ai ſind gleich. Die Gegenwohner haben zu gleicher Zeit Mittag, alſo einerley Tagesſtunden, aber entgegengeſetzte Jahrszeiten. Leipzigs Gegenwohner ſind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0450" xml:id="P.2.444" n="444"/><lb/> das Glas nach der Richtung <hi rendition="#aq">IG</hi> umwerfen muß. Schlaͤgt man langſam, oder weit unten, nahe bey <hi rendition="#aq">C,</hi> ſo wird das Glas nicht umfallen, und die eingebildete zuruͤckwirkende Kraft wird außenbleiben.</p> <p>Selbſt <hi rendition="#b">Newton</hi> hat aus ſeinem Axiom mehr hergeleitet, als wirklich daraus folgt. Er ſchließt <hi rendition="#aq">(Princ. L. III. prop. 5. Coroll. 1.),</hi> die Gravitation der Weltkoͤrper ſey <hi rendition="#b">gegenſeitig,</hi> z. B. es gravitire nicht allein der Mond gegen die Erde, ſondern auch die Erde gegen den Mond, weil Wirkung und Gegenwirkung ſtets bey einander ſey. Aber wer ſieht nicht, daß die Gravitation, deren Urſache noch unbekannt iſt, mit dem Zuge, Drucke und Stoße nicht ſo geradehin verwechſelt werden duͤrfe. Sollte ſie vom Stoße einer Materie herruͤhren, warum koͤnnte denn dieſe Materie nicht den Mond gegen die Erde treiben, ohne zugleich dieſe gegen jenen zu fuͤhren? Es ſind allerdings alle bekannten Attractionen gegenſeitig; aber dies muß aus Erfahrungen erwieſen werden. Die Schwere des Monds gegen die Erde folgt aus der Art ſeiner Bewegung um letztere; die der Erde gegen den Mond aus der Ebbe und Fluth, und aus ihren in der Bewegung der Erde ſichtbaren Wirkungen; keinesweges aber aus dem Grundſatze von der Gegenwirkung, welcher blos eine Folge der Traͤgheit der Koͤrper, und nur da als Vorſtellungsart anwendbar iſt, wo Veraͤnderung durch Wirken ſtatt findet.</p> <p><hi rendition="#b">Kaͤſtners</hi> Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. §. 125. u. f.</p> </div> <div n="2"> <head>Gegenwohner, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Antoeci</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Antéciens</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Dieſen Namen erhalten die Bewohner ſolcher Orte der Erdflaͤche, welche unter einerley Mittagskreiſe, und in gleichen, aber entgegengeſetzten, Breiten wohnen. So ſind Taf. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Fig. 2 die in <hi rendition="#aq">i</hi> Gegenwohner derer in <hi rendition="#aq">ſ;</hi> beyde Orte liegen im Meridian <hi rendition="#aq">poſ is,</hi> und ihre Breiten oder Abſtaͤnde vom Aequator <hi rendition="#aq">af</hi> und <hi rendition="#aq">ai</hi> ſind gleich. Die Gegenwohner haben zu gleicher Zeit Mittag, alſo einerley Tagesſtunden, aber entgegengeſetzte Jahrszeiten. Leipzigs Gegenwohner ſind<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [444/0450]
das Glas nach der Richtung IG umwerfen muß. Schlaͤgt man langſam, oder weit unten, nahe bey C, ſo wird das Glas nicht umfallen, und die eingebildete zuruͤckwirkende Kraft wird außenbleiben.
Selbſt Newton hat aus ſeinem Axiom mehr hergeleitet, als wirklich daraus folgt. Er ſchließt (Princ. L. III. prop. 5. Coroll. 1.), die Gravitation der Weltkoͤrper ſey gegenſeitig, z. B. es gravitire nicht allein der Mond gegen die Erde, ſondern auch die Erde gegen den Mond, weil Wirkung und Gegenwirkung ſtets bey einander ſey. Aber wer ſieht nicht, daß die Gravitation, deren Urſache noch unbekannt iſt, mit dem Zuge, Drucke und Stoße nicht ſo geradehin verwechſelt werden duͤrfe. Sollte ſie vom Stoße einer Materie herruͤhren, warum koͤnnte denn dieſe Materie nicht den Mond gegen die Erde treiben, ohne zugleich dieſe gegen jenen zu fuͤhren? Es ſind allerdings alle bekannten Attractionen gegenſeitig; aber dies muß aus Erfahrungen erwieſen werden. Die Schwere des Monds gegen die Erde folgt aus der Art ſeiner Bewegung um letztere; die der Erde gegen den Mond aus der Ebbe und Fluth, und aus ihren in der Bewegung der Erde ſichtbaren Wirkungen; keinesweges aber aus dem Grundſatze von der Gegenwirkung, welcher blos eine Folge der Traͤgheit der Koͤrper, und nur da als Vorſtellungsart anwendbar iſt, wo Veraͤnderung durch Wirken ſtatt findet.
Kaͤſtners Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. §. 125. u. f.
Gegenwohner, Antoeci, Antéciens.
Dieſen Namen erhalten die Bewohner ſolcher Orte der Erdflaͤche, welche unter einerley Mittagskreiſe, und in gleichen, aber entgegengeſetzten, Breiten wohnen. So ſind Taf. VIII. Fig. 2 die in i Gegenwohner derer in ſ; beyde Orte liegen im Meridian poſ is, und ihre Breiten oder Abſtaͤnde vom Aequator af und ai ſind gleich. Die Gegenwohner haben zu gleicher Zeit Mittag, alſo einerley Tagesſtunden, aber entgegengeſetzte Jahrszeiten. Leipzigs Gegenwohner ſind
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