Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Ludwig Carre (Mem. de Paris, 1705.) machte nebst Geoffroy viele Versuche über die Haarröhren, fand, daß das Wasser in ihnen nicht stieg, wenn sie inwendig mit Fett bestrichen waren, so lange bis der bestrichne Theil ganz unter Wasser stand, stellte Versuche unter der Glocke der Luftpumpe an, und bemerkte, daß die Länge der Röhren nichts zur Höhe des Steigens beytrage. Er ist der Erste, der die Erscheinungen aus dem Anhängen des Wassers ans Glas erklärt, und die meisten Phänomene richtig daraus herleitet: nur irrt er darinn, daß er annimmt, die das Glas berührenden Theile des Wassers verlöhren ihr ganzes Gewicht, woraus folgen müßte, das Wasser steige höher, wenn man die Röhre tiefer einsenkt. D. Iurin (Philos. Transact. no. 355 et 363.) stellte Versuche mit gläsernen Gefäßen an, welche aus Röhren von verschiednen Durchmessern bestanden. Wenn der weitere Durchmesser das Wasser berührte, so stieg es so hoch, als der engern Röhre zukam: brachte er aber die engere Röhre ans Wasser, so trat es nur so weit, als die weitere es halten konnte. Er erklärt das Phänomen so, wie Hawksbee, aus der Anziehung, welche dem Wasser, das die innere Wand der Röhre berührt, sein Gewicht benehme, daher dasselbe von dem Drucke des Wassers im Gefäße erhoben, und von dem nächstfolgenden Ringe der innern Glaswand angezogen werde. Das Hängenbleiben des Wassers leitet er von dem Ringe der Glaswand her, welcher die obere Peripherie des Wassers zur Basis und den Wirkungskreis der Anziehung des Glases zur Höhe hat. Bülfinger (Diss. de tubulis capillaribus, in Comment. Petrop. To. II. p. 233. und in den Anm. über Iurin's Abhandlung, eb. To. III. p. 81 sqq.) setzte noch mehrere Versuche hinzu, und fand, daß ein Haarröhrchen gerade so viel Wasser anzieht und erhält, als der größte Tropfen ausmacht, der auswendig an dem Röhrchen, ohne herabzufallen, hängen kan, daß in trocknen Röhren das Wasser zuerst am
Ludwig Carre (Mém. de Paris, 1705.) machte nebſt Geoffroy viele Verſuche uͤber die Haarroͤhren, fand, daß das Waſſer in ihnen nicht ſtieg, wenn ſie inwendig mit Fett beſtrichen waren, ſo lange bis der beſtrichne Theil ganz unter Waſſer ſtand, ſtellte Verſuche unter der Glocke der Luftpumpe an, und bemerkte, daß die Laͤnge der Roͤhren nichts zur Hoͤhe des Steigens beytrage. Er iſt der Erſte, der die Erſcheinungen aus dem Anhaͤngen des Waſſers ans Glas erklaͤrt, und die meiſten Phaͤnomene richtig daraus herleitet: nur irrt er darinn, daß er annimmt, die das Glas beruͤhrenden Theile des Waſſers verloͤhren ihr ganzes Gewicht, woraus folgen muͤßte, das Waſſer ſteige hoͤher, wenn man die Roͤhre tiefer einſenkt. D. Iurin (Philoſ. Transact. no. 355 et 363.) ſtellte Verſuche mit glaͤſernen Gefaͤßen an, welche aus Roͤhren von verſchiednen Durchmeſſern beſtanden. Wenn der weitere Durchmeſſer das Waſſer beruͤhrte, ſo ſtieg es ſo hoch, als der engern Roͤhre zukam: brachte er aber die engere Roͤhre ans Waſſer, ſo trat es nur ſo weit, als die weitere es halten konnte. Er erklaͤrt das Phaͤnomen ſo, wie Hawksbee, aus der Anziehung, welche dem Waſſer, das die innere Wand der Roͤhre beruͤhrt, ſein Gewicht benehme, daher daſſelbe von dem Drucke des Waſſers im Gefaͤße erhoben, und von dem naͤchſtfolgenden Ringe der innern Glaswand angezogen werde. Das Haͤngenbleiben des Waſſers leitet er von dem Ringe der Glaswand her, welcher die obere Peripherie des Waſſers zur Baſis und den Wirkungskreis der Anziehung des Glaſes zur Hoͤhe hat. Buͤlfinger (Diſſ. de tubulis capillaribus, in Comment. Petrop. To. II. p. 233. und in den Anm. uͤber Iurin's Abhandlung, eb. To. III. p. 81 ſqq.) ſetzte noch mehrere Verſuche hinzu, und fand, daß ein Haarroͤhrchen gerade ſo viel Waſſer anzieht und erhaͤlt, als der groͤßte Tropfen ausmacht, der auswendig an dem Roͤhrchen, ohne herabzufallen, haͤngen kan, daß in trocknen Roͤhren das Waſſer zuerſt am <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0555" xml:id="P.2.549" n="549"/><lb/> auf welche verſchiedne Liquoren ſteigen, nicht, wie die ſpecifiſchen Schweren der Liquoren verhalten.</p> <p><hi rendition="#b">Ludwig Carre</hi><hi rendition="#aq">(Mém. de Paris, 1705.)</hi> machte nebſt <hi rendition="#b">Geoffroy</hi> viele Verſuche uͤber die Haarroͤhren, fand, daß das Waſſer in ihnen nicht ſtieg, wenn ſie inwendig mit Fett beſtrichen waren, ſo lange bis der beſtrichne Theil ganz unter Waſſer ſtand, ſtellte Verſuche unter der Glocke der Luftpumpe an, und bemerkte, daß die Laͤnge der Roͤhren nichts zur Hoͤhe des Steigens beytrage. Er iſt der Erſte, der die Erſcheinungen aus dem <hi rendition="#b">Anhaͤngen</hi> des Waſſers ans Glas erklaͤrt, und die meiſten Phaͤnomene richtig daraus herleitet: nur irrt er darinn, daß er annimmt, die das Glas beruͤhrenden Theile des Waſſers verloͤhren ihr ganzes Gewicht, woraus folgen muͤßte, das Waſſer ſteige hoͤher, wenn man die Roͤhre tiefer einſenkt.</p> <p><hi rendition="#b">D. Iurin</hi><hi rendition="#aq">(Philoſ. Transact. no. 355 et 363.)</hi> ſtellte Verſuche mit glaͤſernen Gefaͤßen an, welche aus Roͤhren von verſchiednen Durchmeſſern beſtanden. Wenn der weitere Durchmeſſer das Waſſer beruͤhrte, ſo ſtieg es ſo hoch, als der engern Roͤhre zukam: brachte er aber die engere Roͤhre ans Waſſer, ſo trat es nur ſo weit, als die weitere es halten konnte. Er erklaͤrt das Phaͤnomen ſo, wie <hi rendition="#b">Hawksbee,</hi> aus der Anziehung, welche dem Waſſer, das die innere Wand der Roͤhre beruͤhrt, ſein Gewicht benehme, daher daſſelbe von dem Drucke des Waſſers im Gefaͤße erhoben, und von dem naͤchſtfolgenden Ringe der innern Glaswand angezogen werde. Das Haͤngenbleiben des Waſſers leitet er von dem Ringe der Glaswand her, welcher die obere Peripherie des Waſſers zur Baſis und den Wirkungskreis der Anziehung des Glaſes zur Hoͤhe hat. <hi rendition="#b">Buͤlfinger</hi> <hi rendition="#aq">(Diſſ. de tubulis capillaribus, in Comment. Petrop. To. II. p. 233.</hi> und in den Anm. uͤber <hi rendition="#b">Iurin's</hi> Abhandlung, eb. <hi rendition="#aq">To. III. p. 81 ſqq.)</hi> ſetzte noch mehrere Verſuche hinzu, und fand, daß ein Haarroͤhrchen gerade ſo viel Waſſer anzieht und erhaͤlt, als der groͤßte Tropfen ausmacht, der auswendig an dem Roͤhrchen, ohne herabzufallen, haͤngen kan, daß in trocknen Roͤhren das Waſſer zuerſt am<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [549/0555]
auf welche verſchiedne Liquoren ſteigen, nicht, wie die ſpecifiſchen Schweren der Liquoren verhalten.
Ludwig Carre (Mém. de Paris, 1705.) machte nebſt Geoffroy viele Verſuche uͤber die Haarroͤhren, fand, daß das Waſſer in ihnen nicht ſtieg, wenn ſie inwendig mit Fett beſtrichen waren, ſo lange bis der beſtrichne Theil ganz unter Waſſer ſtand, ſtellte Verſuche unter der Glocke der Luftpumpe an, und bemerkte, daß die Laͤnge der Roͤhren nichts zur Hoͤhe des Steigens beytrage. Er iſt der Erſte, der die Erſcheinungen aus dem Anhaͤngen des Waſſers ans Glas erklaͤrt, und die meiſten Phaͤnomene richtig daraus herleitet: nur irrt er darinn, daß er annimmt, die das Glas beruͤhrenden Theile des Waſſers verloͤhren ihr ganzes Gewicht, woraus folgen muͤßte, das Waſſer ſteige hoͤher, wenn man die Roͤhre tiefer einſenkt.
D. Iurin (Philoſ. Transact. no. 355 et 363.) ſtellte Verſuche mit glaͤſernen Gefaͤßen an, welche aus Roͤhren von verſchiednen Durchmeſſern beſtanden. Wenn der weitere Durchmeſſer das Waſſer beruͤhrte, ſo ſtieg es ſo hoch, als der engern Roͤhre zukam: brachte er aber die engere Roͤhre ans Waſſer, ſo trat es nur ſo weit, als die weitere es halten konnte. Er erklaͤrt das Phaͤnomen ſo, wie Hawksbee, aus der Anziehung, welche dem Waſſer, das die innere Wand der Roͤhre beruͤhrt, ſein Gewicht benehme, daher daſſelbe von dem Drucke des Waſſers im Gefaͤße erhoben, und von dem naͤchſtfolgenden Ringe der innern Glaswand angezogen werde. Das Haͤngenbleiben des Waſſers leitet er von dem Ringe der Glaswand her, welcher die obere Peripherie des Waſſers zur Baſis und den Wirkungskreis der Anziehung des Glaſes zur Hoͤhe hat. Buͤlfinger (Diſſ. de tubulis capillaribus, in Comment. Petrop. To. II. p. 233. und in den Anm. uͤber Iurin's Abhandlung, eb. To. III. p. 81 ſqq.) ſetzte noch mehrere Verſuche hinzu, und fand, daß ein Haarroͤhrchen gerade ſo viel Waſſer anzieht und erhaͤlt, als der groͤßte Tropfen ausmacht, der auswendig an dem Roͤhrchen, ohne herabzufallen, haͤngen kan, daß in trocknen Roͤhren das Waſſer zuerſt am
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