Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Newton (Princip. L. I. Axiom. 3. Coroll. 2.) leitet das Gesetz des Gleichgewichts am Hebel aus der Lehre von Zusammensetzung der Kräfte her, und Varignon (Nouvelle Mecanique ou Statique, a Paris, 1725. 4.) hat auf diese Lehre die ganze Statik und Mechanik gebaut. Johann Bernoulli aber (Variae prop. mechanico-dynamicae, Opp. To. IV. no. 177. §. V.) behauptet, es müsse vielmehr die Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte auf die Theorie des Hebels gegründet werden, wenn man einen Cirkel im Beweisen vermeiden wolle. Bey diesen Unvollkommenheiten der Beweise des ersten statischen Grundgesetzes sagte d'Alembert mit Recht (Traite de Dynamique, a Paris, 1743. 4. preface), man sey mehr bemüht gewesen, das Gebäude der Mechanik zu vergrößern, als dessen Eingange Licht zu geben; man habe den Bau immer fortgesetzt, ohne für die gehörige Festigkeit des Grundes zu sorgen. Herr Hofrath Kästner (Vectis et compositionis virium theoria evidentius exposita, Lips. 1753. 4.) hat endlich diesem Mangel abgeholfen, und einen völlig scharfen Beweis für das Gesetz des Hebels gegeben, nach dessen wiederholter Bekanntmachung er erst einige ähnliche Betrachtungen in des de la Hire Mechanik fand. Ich will diesen Beweis hier in möglichster Kürze mittheilen. Wenn an dem doppelarmichten Hebel die beyden auf ihn senkrecht wirkenden Kräfte gleich groß und gleich weit vom Ruhepunkte entfernt sind, so kan keine von beyden die andere überwinden. Denn eben die Ursachen, welche der einen das Uebergewicht geben könnten, gelten auch von der andern; folglich heben sich beyde Kräfte auf, und es entsteht ein Gleichgewicht. Dieser Satz hat Evidenz genug für einen Grundsatz. Die Unterlage C, Taf. X. Fig. 51. hat in diesem Falle die Summe von D und E, oder D zweymal zu tragen. Wenn also anstatt der Unterlage nur eine Kraft nach der Richtung CF zöge, die der Kraft D oder E zweymal
Newton (Princip. L. I. Axiom. 3. Coroll. 2.) leitet das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel aus der Lehre von Zuſammenſetzung der Kraͤfte her, und Varignon (Nouvelle Mecanique ou Statique, à Paris, 1725. 4.) hat auf dieſe Lehre die ganze Statik und Mechanik gebaut. Johann Bernoulli aber (Variae prop. mechanico-dynamicae, Opp. To. IV. no. 177. §. V.) behauptet, es muͤſſe vielmehr die Lehre von der Zuſammenſetzung der Kraͤfte auf die Theorie des Hebels gegruͤndet werden, wenn man einen Cirkel im Beweiſen vermeiden wolle. Bey dieſen Unvollkommenheiten der Beweiſe des erſten ſtatiſchen Grundgeſetzes ſagte d'Alembert mit Recht (Traité de Dynamique, à Paris, 1743. 4. préface), man ſey mehr bemuͤht geweſen, das Gebaͤude der Mechanik zu vergroͤßern, als deſſen Eingange Licht zu geben; man habe den Bau immer fortgeſetzt, ohne fuͤr die gehoͤrige Feſtigkeit des Grundes zu ſorgen. Herr Hofrath Kaͤſtner (Vectis et compoſitionis virium theoria evidentius expoſita, Lipſ. 1753. 4.) hat endlich dieſem Mangel abgeholfen, und einen voͤllig ſcharfen Beweis fuͤr das Geſetz des Hebels gegeben, nach deſſen wiederholter Bekanntmachung er erſt einige aͤhnliche Betrachtungen in des de la Hire Mechanik fand. Ich will dieſen Beweis hier in moͤglichſter Kuͤrze mittheilen. Wenn an dem doppelarmichten Hebel die beyden auf ihn ſenkrecht wirkenden Kraͤfte gleich groß und gleich weit vom Ruhepunkte entfernt ſind, ſo kan keine von beyden die andere uͤberwinden. Denn eben die Urſachen, welche der einen das Uebergewicht geben koͤnnten, gelten auch von der andern; folglich heben ſich beyde Kraͤfte auf, und es entſteht ein Gleichgewicht. Dieſer Satz hat Evidenz genug fuͤr einen Grundſatz. Die Unterlage C, Taf. X. Fig. 51. hat in dieſem Falle die Summe von D und E, oder D zweymal zu tragen. Wenn alſo anſtatt der Unterlage nur eine Kraft nach der Richtung CF zoͤge, die der Kraft D oder E zweymal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0574" xml:id="P.2.568" n="568"/><lb/> dieſem Falle ſtatt der wirklichen Geſchwindigkeit ſetzen koͤnne, ſo entkraͤftet doch die Einwendung noch immer die mathematiſche Schaͤrfe dieſer Demonſtration.</p> <p><hi rendition="#b">Newton</hi><hi rendition="#aq">(Princip. L. I. Axiom. 3. Coroll. 2.)</hi> leitet das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel aus der Lehre von Zuſammenſetzung der Kraͤfte her, und <hi rendition="#b">Varignon</hi> <hi rendition="#aq">(Nouvelle Mecanique ou Statique, à Paris, 1725. 4.)</hi> hat auf dieſe Lehre die ganze Statik und Mechanik gebaut. <hi rendition="#b">Johann Bernoulli</hi> aber <hi rendition="#aq">(Variae prop. mechanico-dynamicae, Opp. To. IV. no. 177. §. V.)</hi> behauptet, es muͤſſe vielmehr die Lehre von der Zuſammenſetzung der Kraͤfte auf die Theorie des Hebels gegruͤndet werden, wenn man einen Cirkel im Beweiſen vermeiden wolle. Bey dieſen Unvollkommenheiten der Beweiſe des erſten ſtatiſchen Grundgeſetzes ſagte <hi rendition="#b">d'Alembert</hi> mit Recht <hi rendition="#aq">(Traité de Dynamique, à Paris, 1743. 4. préface),</hi> man ſey mehr bemuͤht geweſen, das Gebaͤude der Mechanik zu vergroͤßern, als deſſen Eingange Licht zu geben; man habe den Bau immer fortgeſetzt, ohne fuͤr die gehoͤrige Feſtigkeit des Grundes zu ſorgen. Herr Hofrath <hi rendition="#b">Kaͤſtner</hi> <hi rendition="#aq">(Vectis et compoſitionis virium theoria evidentius expoſita, Lipſ. 1753. 4.)</hi> hat endlich dieſem Mangel abgeholfen, und einen voͤllig ſcharfen Beweis fuͤr das Geſetz des Hebels gegeben, nach deſſen wiederholter Bekanntmachung er erſt einige aͤhnliche Betrachtungen in des <hi rendition="#b">de la Hire</hi> Mechanik fand. Ich will dieſen Beweis hier in moͤglichſter Kuͤrze mittheilen.</p> <p>Wenn an dem doppelarmichten Hebel die beyden auf ihn ſenkrecht wirkenden Kraͤfte gleich groß und gleich weit vom Ruhepunkte entfernt ſind, ſo kan keine von beyden die andere uͤberwinden. Denn eben die Urſachen, welche der einen das Uebergewicht geben koͤnnten, gelten auch von der andern; folglich heben ſich beyde Kraͤfte auf, und es entſteht ein Gleichgewicht. Dieſer Satz hat Evidenz genug fuͤr einen Grundſatz. Die Unterlage <hi rendition="#aq">C,</hi> Taf. <hi rendition="#aq">X.</hi> Fig. 51. hat in dieſem Falle die Summe von <hi rendition="#aq">D</hi> und <hi rendition="#aq">E,</hi> oder <hi rendition="#aq">D</hi> zweymal zu tragen. Wenn alſo anſtatt der Unterlage nur eine Kraft nach der Richtung <hi rendition="#aq">CF</hi> zoͤge, die der Kraft <hi rendition="#aq">D</hi> oder <hi rendition="#aq">E</hi> zweymal<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [568/0574]
dieſem Falle ſtatt der wirklichen Geſchwindigkeit ſetzen koͤnne, ſo entkraͤftet doch die Einwendung noch immer die mathematiſche Schaͤrfe dieſer Demonſtration.
Newton (Princip. L. I. Axiom. 3. Coroll. 2.) leitet das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel aus der Lehre von Zuſammenſetzung der Kraͤfte her, und Varignon (Nouvelle Mecanique ou Statique, à Paris, 1725. 4.) hat auf dieſe Lehre die ganze Statik und Mechanik gebaut. Johann Bernoulli aber (Variae prop. mechanico-dynamicae, Opp. To. IV. no. 177. §. V.) behauptet, es muͤſſe vielmehr die Lehre von der Zuſammenſetzung der Kraͤfte auf die Theorie des Hebels gegruͤndet werden, wenn man einen Cirkel im Beweiſen vermeiden wolle. Bey dieſen Unvollkommenheiten der Beweiſe des erſten ſtatiſchen Grundgeſetzes ſagte d'Alembert mit Recht (Traité de Dynamique, à Paris, 1743. 4. préface), man ſey mehr bemuͤht geweſen, das Gebaͤude der Mechanik zu vergroͤßern, als deſſen Eingange Licht zu geben; man habe den Bau immer fortgeſetzt, ohne fuͤr die gehoͤrige Feſtigkeit des Grundes zu ſorgen. Herr Hofrath Kaͤſtner (Vectis et compoſitionis virium theoria evidentius expoſita, Lipſ. 1753. 4.) hat endlich dieſem Mangel abgeholfen, und einen voͤllig ſcharfen Beweis fuͤr das Geſetz des Hebels gegeben, nach deſſen wiederholter Bekanntmachung er erſt einige aͤhnliche Betrachtungen in des de la Hire Mechanik fand. Ich will dieſen Beweis hier in moͤglichſter Kuͤrze mittheilen.
Wenn an dem doppelarmichten Hebel die beyden auf ihn ſenkrecht wirkenden Kraͤfte gleich groß und gleich weit vom Ruhepunkte entfernt ſind, ſo kan keine von beyden die andere uͤberwinden. Denn eben die Urſachen, welche der einen das Uebergewicht geben koͤnnten, gelten auch von der andern; folglich heben ſich beyde Kraͤfte auf, und es entſteht ein Gleichgewicht. Dieſer Satz hat Evidenz genug fuͤr einen Grundſatz. Die Unterlage C, Taf. X. Fig. 51. hat in dieſem Falle die Summe von D und E, oder D zweymal zu tragen. Wenn alſo anſtatt der Unterlage nur eine Kraft nach der Richtung CF zoͤge, die der Kraft D oder E zweymal
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